Gesundheitliche Folgen von Gewalt [Gesundheitsberichterstattung - Themenhefte, Oktober 2008]
[Heft 41: Psychotherapeutische Versorgung] [Heft 43: Hypertonie] [Abstrakt] [Inhaltsverzeichnis]
Heft 42 - Gesundheitliche Folgen von Gewalt
unter besonderer Berücksichtigung
von häuslicher Gewalt gegen Frauen
aus der Reihe "Gesundheitsberichterstattung des Bundes"
Autoren: |
Prof. Dr. Claudia Hornberg,
Dr. Monika Schröttle Nadia Khelaifat, Andrea Pauli Universität Bielefeld (Fakultät für Gesundheitswissenschaften und Interdisziplinäres Zentrum für Frauen- und Geschlechterforschung) Dipl.-Päd. Sabine Bohne Universität Osnabrück, FB Kultur- und Erziehungswissenschaften - Pädagogische Frauenforschung |
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Redaktion: |
Robert Koch-Institut
Gesundheitsberichterstattung Dr. Kerstin Horch, Dr. Thomas Ziese General-Pape-Straße 62 12101 Berlin |
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Herausgeber: |
Robert Koch-Institut
(Oktober 2008) |
Inhaltsverzeichnis
1 | Gewalterfahrungen - Relevanz der Problematik für das Gesundheitswesen |
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2 | Ausmaß und gesundheitliche Folgen von Gewalt |
2.1 | Gewaltbetroffenheit von Frauen, Männern und Kindern - Ergebnisse nationaler und internationaler Gewaltprävalenzstudien |
2.1.1 | Forschungssituation und Gewaltbegriffe |
2.1.2 | Ausmaß und Formen der Gewalt gegen Frauen |
2.1.3 | Ausmaß und Formen der Gewalt gegen Kinder |
2.1.4 | Ausmaß und Formen der Gewalt gegen Männer |
2.2 | Gesundheitliche Auswirkungen von Gewalt - Ergebnisse der internationalen und bundesdeutschen Forschung |
2.2.1 | Verletzungsfolgen |
2.2.2 | Somatische und psychosomatische Folgebeschwerden |
2.2.3 | Psychische Folgeprobleme |
2.2.4 | Gesundheitsgefährdende Überlebens- und Bewältigungsstrategien |
2.2.5 | Auswirkungen auf die reproduktive Gesundheit |
2.3 | Besonders vulnerable Personengruppen und risikoreiche Lebenssituationen |
2.3.1 | Gewalt im Kontext von Migration und Flucht |
2.3.2 | Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen |
3 | Gesundheitsökonomische und gesellschaftliche Folgekosten von Gewalt |
4 | Versorgungsbedarf und Anforderungen an Berufsgruppen im Gesundheitswesen |
4.1 | Die Schlüsselposition des Gesundheitswesens bei Prävention und Intervention von Gewalt |
4.2 | Grundlegende Anforderungen an Fachkräfte im Gesundheitswesen im Umgang mit Gewalt |
4.3 | Barrieren seitens der Behandelnden und der Betroffenen |
4.4 | Über-, Unter- und Fehlversorgung als Folge des Nicht-Erkennens von Gewalt als Ursache gesundheitlicher Folgen |
4.5 | Die Rolle von Gesundheitsfachkräfte im Umgang mit Gewaltopfern (Erkennen von Gewalt - » red flags «) |
5 | Präventions- und Interventionsmöglichkeiten des Gesundheitswesens |
5.1 | Beseitigung von Kommunikationsbarrieren im Rahmen der Anamnese |
5.2 | Bereitstellung und Verbreitung von qualifiziertem Informationsmaterial |
5.3 | Aus-, Fort- und Weiterbildung aller Berufsgruppen des Gesundheitswesens |
5.4 | Leitlinien für die Behandlung von und den Umgang mit Gewaltopfern |
6 | Beispiele guter Praxis für Prävention und Intervention |
6.1 | Das S.I.G.N.A.L.-Interventionsprogramm |
6.2 | Medizinisches Kompetenzzentrum für Gewaltopfer in Hamburg |
6.3 | Das Netzwerk Gesine |
6.4 | Kooperation zwischen Hebammen und gynäkologischen Fachärztinnen und Fachärzten |
7 | Fazit - Forschungs- und Handlungsfelder für die gesundheitliche Versorgung von Gewaltopfern |
8 | Literaturverzeichnis |
9 | Glossar |
10 | Links und weiterführende Informationen |
Fußnoten | |
Tabellen mit Werten aus den Abbildungen 1 und 2 |
1 Gewalterfahrungen - Relevanz der Problematik für das Gesundheitswesen
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gilt Gewalt, insbesondere häusliche Gewalt, als eines der weltweit größten Gesundheitsrisiken für Frauen und Kinder [1] , was bis vor wenigen Jahren in Deutschland noch kaum im öffentlichen Bewusstsein verankert war. Daten zur Häufigkeit und Ausprägung häuslicher Gewalt waren lange Zeit nicht oder nur vereinzelt verfügbar und auch im Gesundheitswesen blieb die Gewaltproblematik als Ursache von Gesundheitsstörungen bis in die 1990er-Jahre hinein weitgehend unberücksichtigt. Während der Weltgesundheitsversammlung im Jahr 1996 wurde erstmals eine Resolution verabschiedet, durch die Gewaltprävention zu einer prioritären Aufgabe des öffentlichen Gesundheitswesens erklärt wurde (Resolution WHO 49.25, [2] ). Sie stellte heraus, dass Gewalt ernsthafte kurz-, mittel- und langfristige gesundheitliche und psychosoziale Folgen für die Betroffenen hat, die eine besondere Herausforderung für Gesundheitsdienste und Gesundheitsberufe darstellen. Neben den individuellen und sozialen Folgen verursacht Gewalt auch erhebliche gesamtgesellschaftliche Kosten. Die Mitgliedsstaaten wurden aufgefordert, das Ausmaß des Problems in ihren eigenen Ländern zu analysieren, zu dokumentieren und Präventionsund Interventionsmaßnahmen gegen Gewalt zu unterstützen bzw. einzuleiten.
Die repräsentative Prävalenzstudie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) »Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit von Frauen in Deutschland« stellt erstmals die Datenlage zu Ausmaß und Folgen von Gewalt in Deutschland dar [3] . Nach den Ergebnissen dieser Untersuchung war bundesweit etwa jede vierte Frau in ihrem Erwachsenenleben Gewaltübergriffen durch Partner ausgesetzt. Jede zweite bis dritte in Deutschland lebende Frau war darüber hinaus im Laufe ihres Lebens mit sexueller und/oder körperlicher Gewalt in unterschiedlichen (häuslichen und außerhäuslichen) Lebenszusammenhängen konfrontiert worden [3] . Nach bundesdeutschen Schätzungen wird davon ausgegangen, dass mindestens jede fünfte Frau im Laufe ihres Lebens geschlechtsbezogene Gewalt mit Folgen für ihre Gesundheit erfahren hat [4, 5] . Auch internationale Studien aus dem angloamerikanischen Raum, Europa und anderen Ländern verweisen darauf, dass das Spektrum traumatischer Folgen und gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Gewalt erheblich ist [1, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14] .
Ursachen von Gewalt und Zusammenhänge zwischen Gewalt und Geschlechterverhältnissen wurden bislang vorwiegend im Hinblick auf Männer als Gewaltausübende und Frauen und Kinder als Gewaltbetroffene thematisiert. Eine in den letzten Jahren zu beobachtende Erweiterung der Perspektive in Forschung und Praxis zeigt, dass Gewalt im sozialen Nahraum und in engen sozialen Beziehungen auch andere Opfergruppen und Täter-Opfer-Kontexte umfasst. Hierzu zählen z.B. Kinder als Augenzeugen von Gewalt zwischen den Eltern, Gewalt gegen alte Menschen und pflegebedürftige Familienmitglieder sowie Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen und solche mit Migrationshintergrund. Gesundheitliche Auswirkungen von Gewalt gegen männliche Jugendliche und erwachsene Männer in unterschiedlichen sozialen Kontexten stellen ein weitgehend vernachlässigtes Forschungsgebiet dar. Die Ergebnisse der nicht repräsentativen deutschen Pilotstudie »Gewalt gegen Männer« [15] lassen jedoch erkennen, dass Jungen und Männer insgesamt einem beträchtlichen Risiko körperlicher, psychischer und sexualisierter Gewaltübergriffe unter anderem im öffentlichen Raum und in institutionellen Settings (z.B. Schule, Arbeitsplatz, Haftanstalt etc.), aber auch in Partnerschaftsbeziehungen, ausgesetzt sind. Die Forschungslage zu Männern als Opfer von Gewalt, insbesondere im sozialen Nahraum, ist jedoch bislang noch kaum entwickelt. Der Kenntnisstand über Ausmaß, Ursachen und Ausprägungen von Gewalt sowie über Behandlungsund Unterstützungsbedarf männlicher Gewaltopfer ist in Deutschland entsprechend gering (vgl. [16, 17] ). Aus diesem Grund liegt der Schwerpunkt des vorliegenden Themenheftes auf Frauen und Kindern als Betroffenengruppen.
Die Bedeutung der Gewaltproblematik für die Gesundheitsforschung und -praxis resultiert aus dem Ausmaß und den komplexen und weitreichenden gesundheitlichen Folgen von Gewalt 1 . Über die direkten Verletzungsfolgen von Gewalt hinaus, sind kurz- und langfristige psychosomatische und psychische Gesundheitsbeeinträchtigungen von besonderer Relevanz. Hinzu kommt, dass die Betroffenheit durch Gewalt das Gesundheitsverhalten negativ beeinflussen kann, etwa durch gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen wie Alkohol-, Tabak-, Drogen- und Medikamentenkonsum [3, 11, 12, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25] .
Aufgrund der hohen quantitativen und qualitativen Bedeutung unterschiedlicher Gewaltformen für die Gesundheit von Frauen, Männern und Kindern, sind differenzierte Kenntnisse über Zusammenhänge zwischen Gewaltbetroffenheit und potenziellen Gesundheitsfolgen unverzichtbarer Bestandteil für die in der Gesundheitsversorgung tätigen Berufsgruppen. Vorliegende Analysen verweisen hier auf einen bislang unzureichenden Kenntnisstand im gesamten System der medizinischen Versorgung, der infolge des Nichterkennens von Gewalt als Ursache gesundheitlicher Probleme zur Über-, Unter- und Fehlversorgung beitragen kann. Fachliches Wissen über Symptome und Gesundheitsbeeinträchtigungen als Folge von Gewalt sowie fachliche Expertise zur Identifizierung besonders vulnerabler Bevölkerungsgruppen sind zentrale Voraussetzungen, um Gewalt als Ursache von Gesundheitsproblemen zu erkennen, anzusprechen, dokumentieren und entsprechende Unterstützung/ Hilfe leisten zu können. Institutionen des Gesundheitswesens als häufig erste Anlaufstelle beim Vorliegen von akuten Verletzungen und gesundheitlichen Störungen (vgl. [3] ) verfügen in diesem Handlungsfeld über ein hohes Interventionspotenzial, das es auch im Hinblick auf die präventive Verhinderung weiterer Gewalt zu nutzen und auszubauen gilt. Die Vermittlung von Fachinformationen, die Bereitstellung von Handlungsanleitungen und die Verbreitung von Best-Practice -Ansätzen für den Umgang mit und die Behandlung von Gewaltbetroffenen ist demzufolge unverzichtbar und eine weiterhin zu fördernde Aufgabe.
Sie wird aktuell unterstützt durch die seit einigen Jahren intensivierten Aktivitäten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Bereich Gewalt, gesundheitliche Folgen und Prävention ( www.who.int/violence_injury_prevention/violence/en/ ). Darüber hinaus haben in Deutschland zahlreiche Praxisprojekte, (Vernetzungs-)Initiativen sowie Aktivitäten der Bundes- und Landesministerien und der Bundesärztekammer dazu beigetragen, Gewalt, gesundheitliche Folgen von Gewalt und Gewaltprävention als zentrale Schwerpunkte im Gesundheitssystem zu implementieren, wie den weiteren Ausführungen im vorliegenden Themenheft sowie den entsprechenden Links im Anhang zu entnehmen ist.
2 Ausmaß und gesundheitliche Folgen von Gewalt
2.1 Gewaltbetroffenheit von Frauen, Männern und Kindern - Ergebnisse nationaler und internationaler Gewaltprävalenzstudien
2.1.1 Forschungssituation und Gewaltbegriffe
Erstmals thematisiert durch die Frauenbewegung der 1970er-Jahre, dauerte es nahezu weitere 20 Jahre bis sexualisierte und speziell häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder in den 1990er- Jahren auf nationaler und internationaler Ebene (z.B. durch die Weltgesundheitsorganisation) als gesellschaftliches Problem wahrgenommen wurde. Die Frage des Ausmaßes häuslicher Gewalt wurde seither auch auf europäischer Ebene durch zahlreiche Gewaltprävalenzstudien untersucht (vgl. im Überblick: [11] ). Polizeiliche Kriminalstatistiken können lediglich die strafrechtlich bekannt werdenden Delikte und somit nur einen Teil des Umfangs der häuslichen Gewalt, das sog. »Hellfeld « häuslicher Gewalt abbilden. Demgegenüber liegt das Potenzial von Gewaltprävalenzstudien auf der Basis repräsentativer Bevölkerungsstichproben darin, das tatsächliche Ausmaß von Gewalt im sozialen Nahraum und damit auch das nicht aktenkundige »Dunkelfeld« besser erfassen zu können. Eine besondere Schwierigkeit besteht - trotz eines differenzierten Befragungsinstrumentariums, verfeinerter Methoden des Feldzugangs und der Interviewführung - nach wie vor darin, die Schwere von Gewaltübergriffen zu klassifizieren und die mittelbaren und unmittelbaren gesundheitlichen Folgen von Gewalt festzustellen. Eine präzisere Erfassung der kurz- und langfristigen gesundheitlichen Folgen von Gewalt erfordert weitere Befragungsstudien, die zum einen auf repräsentativen Bevölkerungsstichproben basieren und objektive wie subjektive Gesundheitsdaten einbeziehen; in diesem Kontext erscheinen Befragungsmodule zu Gewalt in Gesundheitssurveys besonders relevant. Zum anderen können Befragungen in verschiedenen Sektoren der gesundheitlichen Versorgung fachbereichsspezifische Aussagen über bestehende Gewaltausmaße, Folgen und Bedarfslagen ermöglichen.
In Gewaltprävalenzstudien werden, um einer Untererfassung von Gewalt entgegenzuwirken, kaum explizite Fragen zu erlebter »Gewalt«, sondern in der Regel konkrete handlungsbezogene Fragen (z.B. »wurden Sie geschlagen?«) gestellt. Viele Handlungen, insbesondere in engsten sozialen Beziehungen, werden von den Betroffenen nicht als »Gewalt« wahrgenommen und bezeichnet (vgl. [11, 23, 26] ). Darüber hinaus sind bei der Untersuchung von Gewalterfahrungen sensible Feldzugänge und Erhebungsmethoden erforderlich, da die Gefahr von Retraumatisierung und Reviktimisierung der Befragten besteht [23, 27, 28] . Es ist zudem davon auszugehen, dass Betroffene unter dem Eindruck schwerer Gewalt- und Kontrollsituationen, z.B. in Paar- und Familienbeziehungen, nur schwer für ein Interview zu gewinnen sind und Gewaltereignisse gegenüber Dritten nur zögerlich offenlegen. Auch repräsentative bevölkerungsbasierte Viktimisierungs- und Gewaltprävalenzstudien bilden insofern lediglich untere Grenzwerte ab und können nie das gesamte Dunkelfeld von Gewalt aufdecken [29, 30] . 2
Die kontextabhängige, individuelle Wahrnehmung und Bewertung von »Gewalt« und die fehlende Schärfe des Gewaltbegriffs konfrontieren die empirische Forschung grundsätzlich mit der Schwierigkeit, »Gewalt« als solche einzugrenzen und zu operationalisieren und damit eine Vergleichbarkeit der generierten Daten zu gewährleisten (vgl. [11, 23, 26] ). Da Forschungsfragestellungen im Kontext von Gewalt sehr stark differieren und unterschiedliche Gewaltphänomene beleuchten, wird der verwendete Gewaltbegriff abhängig von der zugrunde liegenden Forschungsfrage entsprechend weit oder eng gefasst. Eine universelle, allgemeingültige Definition von Gewalt ist daher nicht möglich und würde auch der Komplexität des Begriffs nicht gerecht werden [31] .
Die Gewaltforschung unterscheidet in der Regel zwischen psychischer Gewalt, körperlicher Gewalt und sexualisierter Gewalt. Bei Gewalt gegen Kinder und pflegebedürftige Personen ist zudem der Begriff der Vernachlässigung relevant. Psychische Gewalt kann je nach Kontext sehr unterschiedliche Dimensionen umfassen. In jüngster Zeit haben Phänomene wie Stalking, Mobbing am Arbeitsplatz und Bullying in Schule und Ausbildung [32] an Bedeutung gewonnen. Während sich die Wahrnehmung von Gewalt gegen Frauen lange Zeit auf sexuelle Belästigung, sexualisierte Gewalt und körperliche Gewalt im häuslichen Kontext konzentrierte, hat sich die Perspektive mittlerweile auf andere Gewaltformen und -kontexte ausgeweitet. Zunehmend Beachtung finden z.B. mit Blick auf die erheblichen psychischen und gesundheitlichen Folgen systematische psychische Misshandlungen in Form emotionaler Gewalt (z.B. Demütigungen, psychisch-verbale Drohungen, Einschüchterung) durch Beziehungspartner sowie durch bekannte Personen in Ausbildung und Arbeitswelt [3, 5] . Darüber hinaus wird Stalking seit 2002 im Kontext des Gewaltschutzgesetzes unter straf- und zivilrechtlichen Gesichtspunkten als bedeutsame Gewaltform berücksichtigt, um Opfer z.B. vor wiederholten Nachstellungen schützen zu können (vgl. [33] ).
2.1.2 Ausmaß und Formen der Gewalt gegen Frauen
Zur Feststellung des Ausmaßes von Gewalt gegen Frauen liegen inzwischen zahlreiche nationale und internationale Studien vor (vgl. im Überblick: [11, 21] ). Die WHO erstellte eine erste internationale Gewaltprävalenzstudie, die überwiegend außer-europäische Länder einbezog. Folgende Ausmaße der Gewaltbetroffenheit wurden in der Studie für einzelne Länder festgestellt.
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WHO: Weltgesundheitsorganisation
Die Gewaltprävalenzen in europäischen Ländern wurden in einer sekundäranalytisch vergleichenden Studie des Forschungsnetzwerks CAHRV ausgewertet (vgl. [26] ). Der Studie nach hat etwa jede dritte bis fünfte Frau in den untersuchten Ländern Deutschland, Schweden, Frankreich, Finnland und Litauen im Verlauf ihres Lebens körperliche Gewalt durch einen aktuellen und/ oder früheren Partner erfahren und 6 bis 12 % waren nach eigenen Angaben von sexueller Gewalt durch aktuelle/frühere Partner betroffen. Außerhalb von Partnerschaften hatten 9 bis 23 % körperliche und 8 bis 19 % sexuelle Gewalt erlebt [26] .
Zur Einschätzung der Prävalenz von Gewalt gegen Frauen, Männer und Kinder in Deutschland liegen mehrere sozialwissenschaftliche und kriminologische Untersuchungen vor (vgl. im Überblick: [30, 34, 35, 36, 37] ), deren Ergebnisse im Folgenden kurz zusammengefasst werden.
Auf der Basis der bislang ersten deutschen Repräsentativuntersuchung zu Gewalt gegen Frauen [3] ist davon auszugehen, dass etwa jede vierte Frau in ihrem Erwachsenenleben mindestens einmal körperliche und/oder sexuelle Übergriffe durch einen Beziehungspartner erlebt hat. Werden auch Gewaltübergriffe durch andere Täter/innen im öffentlichen, halböffentlichen und privaten Bereich einbezogen, beträgt der Anteil der betroffenen Frauen, die seit dem 16. Lebensjahr körperliche Übergriffe wie Wegschubsen, Ohrfeigen bis hin zu Tritten, Faustschlägen und Waffengewalt erlebt haben, 37 %. Etwa zwei Drittel der Betroffenen gaben mittlere bis schwere Formen körperlicher Gewalt an, die mit Verletzungsfolgen, Angst vor ernsthafter/ lebensgefährlicher Verletzung, Waffeneinsatz oder/und wiederholten Gewaltsituationen einhergingen. Sexuelle Gewalterfahrungen seit dem 16. Lebensjahr im Sinne strafrechtlich relevanter sexueller Übergriffe, wie z.B. Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung und sexuelle Nötigung, wurden von 13 % der Befragten angegeben; dies entspricht jeder siebten in Deutschland lebenden Frau. Unter Einbeziehung weiterer sexualisierter Gewaltformen, wie z.B. schwererer Formen sexueller Belästigung und ungewollter sexueller Handlungen, steigt der Anteil der Betroffenen sexueller Gewalt auf bis zu ein Drittel (34 %) an. 58 % der Befragten gaben unterschiedliche Formen sexueller Belästigung im öffentlichen und privaten Raum sowie in Arbeitskontexten an. 42 % der Frauen waren darüber hinaus psychischer Gewalt im Erwachsenenleben ausgesetzt, die von Einschüchterungen, aggressivem Anschreien, Verleumdungen, Drohungen und Demütigungen bis hin zu Psychoterror reichte (vgl. Abbildung 2).
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Die Vorstellung, Gewalt gegen Frauen komme nur in prekären sozialen Lagen vor, muss aufgrund der bisherigen Forschungslage relativiert werden. Ebenso lässt sich kein einfacher Bildungs- und Schichtzusammenhang in der Gewaltausübung und Gewaltbetroffenheit bei häuslicher Gewalt feststellen [3] . Zu den Hauptrisikofaktoren für die Entstehung von Gewalt bzw. für größere Gewaltbetroffenheit gehören frühere Gewalterfahrungen in Kindheit und Jugend. Die Gewaltbelastungen liegen hier um ein Vielfaches höher (vgl. [3] ).
Eine noch laufende sekundäranalytische Auswertung der Daten im Auftrag des BMFSFJ lässt weitere Erkenntnisse über unterschiedliche Gewaltmuster und Schwere von Gewalt in Partnerbeziehungen erwarten. Sie wird ferner Aufschluss geben über spezifische Gefährdungspotenziale und relevante Risikofaktoren in unterschiedlichen Betroffenengruppen, die im Rahmen von Intervention und Prävention besonderer Aufmerksamkeit bedürfen.
2.1.3 Ausmaß und Formen der Gewalt gegen Kinder
Gewalt gegen Kinder findet überwiegend in der Familie statt. Sie wird in der Fachdiskussion unter den Begriffen »elterliche körperliche Gewalt«, »Kindesmisshandlung«, »sexueller Missbrauch«, »Kindesvernachlässigung« und »seelische oder emotionale Misshandlung« thematisiert (vgl. zur Begriffsbestimmung [34] ). Darüber hinaus sind psychische und physische Gewalt von und zwischen Kindern und Jugendlichen im Kontext von Schule und Peer-Groups (Stichwort: Bullying ) von Bedeutung. Kinder und Jugendliche treten dabei sowohl als Opfer als auch als Gewaltausübende in Erscheinung [39, 40] . Einheitliche Definitionen für die unterschiedlichen Formen von Gewalt gegen Kinder existieren weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene (vgl. [11, 34, 41] ).
In bundesdeutschen Dunkelfeldstudien aus den 1990er-Jahren, in denen Schülerinnen und Schüler sowie Erwachsene zu körperlicher Gewalt im Rahmen der elterlichen Erziehung befragt wurden (vgl. u.a. [42, 43] , im Überblick: [34] ), wurde das Ausmaß körperlicher Gewalthandlungen gegenüber Kindern und Jugendlichen durch Eltern/Erziehungsberechtigte mit 70 bis 80 % angegeben. Etwa 10 bis 15 % der Befragten hatten schwerere Formen erlebt, die der körperlichen Kindesmisshandlung zuzurechnen waren (z.B. Faustschläge, Tritte, Würgen, Verprügeln, Verbrühungen, Einsatz von Waffen und Gegenständen zur körperlichen Züchtigung, vgl. [34, 44] ). Insgesamt ist seit einiger Zeit ein Rückgang in der Anwendung körperlicher Gewalt als elterlichem Erziehungsmittel zu verzeichnen. Dies ist für den Bereich der Kindesmisshandlung als schwerer Form elterlicher Gewalt nicht in vergleichbarer Weise festzustellen [43, 45] .
Das Ausmaß von Kindesvernachlässigung in Deutschland ist angesichts der bestehenden Dunkelfelder sowie aufgrund der schwierigen Operationalisierung und methodischen Erhebung des Tatbestandes »Kindesvernachlässigung« nur schwer zu bestimmen. Der Deutsche Kinderschutzbund bezifferte im Jahr 2002 die Zahl der von erheblicher Vernachlässigung betroffenen Kinder auf mindestens 50.000. Nach oben hin bewegen sich die Dunkelfeldschätzungen in der Spannbreite zwischen 250.000 und 500.000 Kindern und einer Prävalenz von 5 bis 10 % [34] .
Einer Zusammenfassung von Studienergebnissen seit den 1980er-Jahren zufolge liegt in Deutschland die geschlechtsspezifische Betroffenheit von Mädchen durch sexuellen Missbrauch bei etwa 10 bis 18 %, während für Jungen ein Anteil von 5 bis 7 % angenommen wird. Interpretationen dieser Daten bedürfen der Berücksichtigung der heterogenen definitorischen Bestimmungen von »sexuellem Missbrauch« sowie der Berücksichtigung großer Dunkelfelder (vgl. [34, 46, 47] ). Im Kontext sexuellen Missbrauchs wurde in der Vergangenheit deutlich, dass Gewalt gegen Kinder sich nicht nur auf die Eltern-Kind-Beziehung und auf erwachsene Täter beschränkt, sondern dass Gewalthandlungen häufig auf Gleichaltrige bzw. kindliche/jugendliche Täter zurückgehen.
Weitgehend unbeachtet blieb lange Zeit die Rolle von Kindern, die als Zeugen und Mitbetroffene von Gewalt zwischen den Eltern geschädigt werden. Untersuchungsergebnissen zufolge war in Deutschland etwa jede bzw. jeder siebte bis vierte Befragte von dieser mittelbaren Form betroffen (vgl. [3, 29, 47, 48] ). Neben der persönlichen körperlichen und psychischen Gefährdung der betroffenen Kinder liegt die Relevanz der indirekten Gewalterfahrung in der prägenden Einflussnahme auf den weiteren Entwicklungs- und Sozialisationsprozess (z.B. Leistungseinbruch in der Schule, Ängstlichkeit, Entwicklungsverzögerungen). Untersuchungen verweisen zudem auf geschlechtsspezifische Auswirkungen, die für Mädchen das Risiko erhöhen im Erwachsenenalter selbst Opfer von Partnergewalt zu werden [3, 49] . Jungen, die väterliche Gewalt gegenüber der Mutter lange Zeit miterleben mussten, tragen ein erhöhtes Risiko, frühere Gewalterfahrungen als spätere Täter in Familie, Partnerschaft und anderen Lebensbereichen weiterzugeben [47, 50] ; aber auch ein erhöhtes Risiko von Viktimisierungen im späteren Lebensverlauf ist hier möglich.
Die beschriebenen Formen von Gewalt gegenüber Kindern treten zumeist nicht isoliert auf. Die Mehrheit der betroffenen Kinder ist unterschiedlichen Formen und Kombinationen von Gewalt ausgesetzt [34] . Im Rahmen des aktuellen Kinder- und Jugendgesundheitssurveys wurden erstmals in Deutschland Kinder und Jugendliche von 11 bis 17 Jahren repräsentativ zu Gewalt- und Gesundheitsaspekten befragt [39] . Etwa jedes zehnte Kind hat demnach in den letzten 12 Monaten vor der Befragung nach eigenen Angaben »Gewalt« 3 erlebt; mehr als die Hälfte der Betroffenen hat zudem selbst Gewalt ausgeübt [37] . Die Auswertungen zu den gesundheitlichen Folgen der Gewalt waren zum Zeitpunkt der Fertigstellung des vorliegenden Themenheftes noch nicht verfügbar.
2.1.4 Ausmaß und Formen der Gewalt gegen Männer
Zum Verbreitungsgrad und zur Schwere von Gewalt gegen Männer, sowohl im öffentlichen Raum als auch im sozialen Nahraum, existieren bislang in Deutschland noch keine verlässlichen repräsentativen Daten, die unterschiedliche Formen von Gewalt differenziert erfassen. Kriminologische Viktimisierungsstudien, Jugendgewaltstudien und eine erste Pilotstudie des BMFSFJ zu Gewalt gegen Männer [38] legen nahe, dass die Viktimisierung durch Gewalt eine geschlechterübergreifende Problematik darstellt, die auch Männer in unterschiedlichen Lebensphasen und -kontexten betrifft [51] . Kriminologische Studien aus den frühen 1990er-Jahren verweisen darauf, dass Männer in Deutschland etwa gleich häufig und zum Teil sogar häufiger als Frauen Opfer von Gewalt in unterschiedlichen Lebenskontexten werden [52, 53] . Insbesondere jüngere Männer und männliche Jugendliche gehören einerseits zu der am häufigsten von Gewalt betroffenen Opfergruppe in Öffentlichkeit und Freizeit und treten andererseits gehäuft als Gewaltausübende in Erscheinung. Bedeutsame Gewaltkontexte sind öffentliche Räume (z.B. Schule, Ausbildung, Arbeitsplatz, Wehrdienst, Freizeiteinrichtungen, Sportvereine) sowie Freundes- und näherer Bekanntenkreis (Jugendclique, Peer-Group ). Nach den Ergebnissen der evaluativen, das Problemfeld zunächst erkundenden, aufgrund der geringen Fallzahlen aber nicht repräsentativen Pilotstudie des BMFSFJ zu Gewalterfahrungen von Männern [15] äußerten 40 % der Befragten, in ihrem Erwachsenenleben körperlicher Gewalt, 5 % sexuellen Gewaltübergriffen und 58 % psychischer Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein. Die Ergebnisse deuten auf vergleichbar hohe Gewaltbetroffenheiten von Männern und Frauen bei körperlicher Gewalt hin, während Männer von sexueller Gewalt seltener und von psychischer Gewalt, vorwiegend im Arbeitskontext, häufiger betroffen waren. Etwa jeder vierte befragte Mann der Pilotstudie gab darüber hinaus an, körperlichen Übergriffen in Paarbeziehungen ausgesetzt gewesen zu sein, die allerdings in Häufigkeit und Schwere deutliche Unterschiede zu der von Frauen erlebten höheren Gewaltintensität in Paarbeziehungen aufweisen (vgl. [15, 29, 30] ).
Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass beide Geschlechter erheblich von Gewalt in der Kindheit und im Erwachsenenleben betroffen sind. Während bei Männern körperliche Gewalt in Kindheit und Jugend sowie im jüngeren Erwachsenenalter eine besondere Rolle spielt, sind Frauen zusätzlich in mittleren Altersgruppen in hohem Maße von körperlicher und sexueller Gewalt betroffen. Bedeutsame Unterschiede liegen darin, dass bei Frauen häufiger schwerere Formen von Partnergewalt sowie sexuelle Gewalt vorliegen, wohingegen Männer und männliche Jugendliche vergleichsweise häufiger körperliche Gewalt im öffentlichen Raum erfahren. Psychischer Gewalt sind beide Geschlechter in hohem Maße ausgesetzt, wobei geschlechtervergleichende Aussagen noch weitere vertiefende Studien für unterschiedliche Lebensbereiche erfordern.
2.2 Gesundheitliche Auswirkungen von Gewalt - Ergebnisse der internationalen und bundesdeutschen Forschung
In zahlreichen nationalen und internationalen Untersuchungen wurde ein Zusammenhang zwischen Gewalterfahrungen in der Kindheit und/ oder im Erwachsenenleben und mittelbaren sowie unmittelbaren gesundheitlichen und psychischen Folgen festgestellt (vgl. [6, 18, 19, 54, 55] vgl. auch [5, 7, 11, 37, 49, 56] . Insbesondere frühe Gewalt in der Kindheit und kumulierte Gewalterfahrungen im Lebensverlauf können den psychischen und physischen Gesundheitszustand nachhaltig prägen (ebd., sowie [14, 24, 54, 57, 58, 59, 60] ). In der Darstellung von Gewaltfolgen wird zwischen kurz-, mittel- und langfristigen Beeinträchtigungen unterschieden. Unmittelbare Auswirkungen resultieren zunächst aus den akuten Verletzungsfolgen sowie aus den direkten psychischen und psychosozialen Folgeproblemen von Gewalt, die z.B. Angst- und Bedrohungsgefühle, psychischen Stress, Leistungs- und Konzentrationsschwierigkeiten, erhöhten Alkohol- und Medikamentenkonsum umfassen. Darüber hinaus sind in der Forschung somatische, psychosomatische und psychische Symptomatiken als mittel- und langfristige Gesundheitsfolgen körperlicher, sexueller und psychischer Gewalt beschrieben (vgl. zur methodischen Erfassung von Gesundheitsfolgen im Rahmen der Gewaltprävalenz- und Gesundheitsforschung [11, 23, 29] ). Die folgende Übersicht zeigt entsprechend dieser Systematisierung eine Zusammenstellung der gesundheitlichen Folgen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen.
Abbildung 3
Da nicht allein die realen Gewaltereignisse,
sondern auch die individuelle Bewertung und
Verarbeitung dieser Erfahrungen Einfluss auf die
physische und psychische Gesundheit nehmen,
sind die komplexen multifaktoriellen Ursachenund
Wirkungszusammenhänge von Gesundheitsfolgen
in ihrem Zusammenspiel mit Gewalt empirisch
nur schwer zu erfassen. Darüber hinaus sind
auch die möglichen Wechselwirkungen zwischen
gesundheitlicher Beeinträchtigung, erhöhter Vulnerabilität
und Gewaltbetroffenheit sowie sozialen
Folgeproblemen von Gewalt (z.B. Isolation,
Armut) bislang noch nicht ausreichend wissenschaftlich
untersucht. Die vorliegenden empirisch
gesicherten Befunde beziehen sich im Wesentlichen
auf die gesundheitlichen Folgen von Gewalt
bei Frauen respektive Mädchen, die im Rahmen
von Prävalenzstudien in der Regel über zwei methodische
Zugänge generiert wurden:
► | Die Befragung von Gewaltbetroffenen nach den direkten Verletzungsfolgen, psychischen und psychosozialen Beeinträchtigungen infolge von konkreten Gewaltereignissen oder Gewaltsituationen. |
---|---|
► | Der Vergleich des aktuellen Gesundheitszustandes von Betroffenen und Nichtbetroffenen im Hinblick auf aktuelle körperliche und psychische Beschwerden, Gesundheitsverhalten und Aspekte der medizinischen Versorgung. |
Über beide Zugänge konnten in der Vergangenheit Hinweise auf vielfältige gesundheitliche Gewaltfolgen gefunden werden (vgl. u.a. [3, 5, 6, 11, 18, 23, 54] ).
2.2.1 Verletzungsfolgen
Nach den Ergebnissen der bundesdeutschen Gewaltprävalenzstudie [3] trugen etwa die Hälfte (55 %) der Opfer körperlicher und gut zwei Fünftel (44 %) der Opfer sexueller Gewalt nach eigenen Angaben Verletzungen unterschiedlichen Ausmaßes davon. Insgesamt hat etwa jede fünfte in Deutschland lebende Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren in ihrem Erwachsenenleben mindestens einmal körperliche Verletzungen infolge von Gewalt erlitten. Die angegebenen Verletzungen umfassten Hämatome, Verstauchungen, Knochenbrüche, Kopf- und Gesichtsverletzungen bis hin zu Verletzungen im Genitalbereich. Bei etwa einem Drittel der Frauen mit Verletzungsfolgen waren diese so schwer, dass medizinische Hilfe in Anspruch genommen wurde. In den Fällen, in denen der Partner oder Ex-Partner als Täter benannt wurde, berichteten die Frauen vergleichsweise häufiger (zu 64 %) als bei anderen bekannten oder unbekannten Tätern Verletzungsfolgen. Die Ergebnisse decken sich mit den Befunden anderer europäischer Studien, wonach mindestens 60 bis 70 % der von körperlicher und/oder sexueller Partnergewalt betroffenen Frauen mit unmittelbaren körperlichen Verletzungen und Beeinträchtigungen konfrontiert waren. Zudem handelte es sich bei Partnergewalt häufiger um mehrfache Gewaltübergriffe und seltener um einmalige Handlungen (vgl. auch die sekundäranalytisch vergleichenden Auswertungen in [26] ).
Die Mehrzahl der Frauen mit Verletzungsfolgen durch körperliche und/oder sexuelle Gewalt seitens eines (Ex-)Partners berichteten in der deutschen Gewaltprävalenzstudie über Hämatome/ Prellungen (89 %), gefolgt von Schmerzen am Körper (26 %), offenen Wunden (20 %), Unterleibsschmerzen (18 %), Verstauchungen/Zerrungen (18 %), Kopf- (18 %) und vaginalen Verletzungen (10 %), Gehirnerschütterungen (10 %), Frakturen am Körper (5 %), Fehlgeburten (4 %) und inneren Verletzungen (3 %) [3] . Befragungen von Patientinnen in Notfallambulanzen identifizierten demgegenüber erwartungsgemäß einen noch höheren Anteil schwerer Verletzungsfolgen wie Kopfverletzungen und Knochenbrüche [29, 61] .
Das Ausmaß und die Qualität von Verletzungen, die Männer als Gewaltbetroffene in (heterosexuellen) Paarbeziehungen erleben, ist den Ergebnissen bisheriger nationaler und internationaler Studien nach deutlich geringer [15, 29, 30, 62, 63] . Allerdings deutet sich in kriminologischen, soziologischen und Jugendstudien an, dass insbesondere jüngere Männer und männliche Jugendliche im öffentlichen Raum, aber auch in Schule, Ausbildung, Wehrdienst und in der Freizeit vielfach gleichgeschlechtlichen Gewaltübergriffen mit erheblichen körperlichen Verletzungsfolgen ausgesetzt sind (vgl. [15, 52, 64] ).
Für Deutschland existieren bislang unter anderem aufgrund der hohen Dunkelfelder keine repräsentativen quantitativen Angaben über das Ausmaß körperlicher Verletzungen infolge von Kindesmisshandlung [56] . Verletzungsfolgen durch elterliche Gewalt gegen Kinder, Kindesmisshandlung und sexuellen Missbrauch werden insbesondere in der kinderärztlichen Praxis, in Unfallambulanzen, in der Kinder- und Jugendhilfe sowie in Erziehungs- und Betreuungsinstitutionen (Kindergärten/Schulen) sichtbar. In den Jugendhilfesystemen verschiedener Länder wurde bei etwa 40 bis 60 % der bekannt gewordenen Fälle körperlicher Misshandlung Verletzungsfolgen berichtet; 4 bis 6 % der Fälle waren so schwer, dass eine medizinische Behandlung erfolgte [56] . Am häufigsten wurden Hämatome und Kratzer genannt, darüber hinaus spielten schwerere Verletzungen wie Platzwunden, Knochenbrüche, Verbrennungen/ Verbrühungen, Schütteltraumen und innere Blutungen eine Rolle [56] . Da gewaltbedingte Verletzungen und Todesfälle bei Kindern im medizinischen Sektor, aber auch im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe oft nicht (frühzeitig) erkannt werden, sind Informationen und Fortbildungen zur Diagnostik und Bewertung von Anzeichen für Kindesmisshandlung unabdingbar [65, 66] .
2.2.2 Somatische und psychosomatische Folgebeschwerden
Somatische und psychosomatische Folgen von Gewalt sind in ihren konkreten multifaktoriellen Wirkungszusammenhängen empirisch schwer erfassbar. Über Wechselwirkungen und kumulative Prozesse, z.B. bedingt durch verschiedene Gewaltformen, Folgeprobleme von Gewalt und andere Einflussfaktoren, liegt bislang noch wenig systematisches Wissen vor. Verfügbare Studien belegen jedoch signifikante statistische Zusammenhänge zwischen Gewalterfahrungen und körperlichen Symptomatiken. Gewalterfahrungen bedeuten demnach einen hohen psychosozialen Belastungsfaktor, der eng mit dem erlittenen Gewaltausmaß assoziiert ist, über die Beendigung der Gewaltsituation hinaus bestehen bleibt und zudem psychosomatische Beschwerden (mit)verursachen kann.
Internationale Forschungsergebnisse verweisen auf Verbindungen zwischen Gewalterfahrungen in der Kindheit und im Erwachsenenleben mit verschiedenen Schmerzsyndromen, gastrointestinalen Symptomen, Herz-Kreislaufbeschwerden, gynäkologischen und zerebralen Beschwerden sowie Hauterkrankungen [3, 7, 9, 12, 13, 14, 21, 24, 54, 55, 60, 67, 68, 69, 70, 71, 72] . Die Wahrscheinlichkeit eines gynäkologischen Leidens war einer großen repräsentativen US-Erhebung zufolge bei misshandelten Frauen erheblich höher als in der Kontrollgruppe [72] . Gynäkologische Probleme bildeten den am deutlichsten und ausgeprägtesten Unterschied in der somatischen Gesundheit zwischen misshandelten und nicht misshandelten Frauen [18] .
Eine sekundäranalytische Auswertung der deutschen Repräsentativstudie zu Gewalt gegen Frauen [5] belegt einen hoch signifikanten Zusammenhang zwischen der Betroffenheit durch Gewalt im Lebensverlauf und der gesundheitlichen Situation der Befragten. Frauen, die seit dem 16. Lebensjahr körperlichen Übergriffen, sexueller oder psychischer Gewalt ausgesetzt waren, bewerteten den eigenen Gesundheitszustand im Vergleich zu Nicht-Betroffenen durchweg negativer. Sie äußerten zudem deutlich mehr körperliche und psychische Beschwerden (z.B. Kopf- und Bauchschmerzen, Magen-/Darmprobleme, Zittern, Nervosität, Schwindel, Atemprobleme, Blutdruckschwankungen, Unterleibsschmerzen und andere gynäkologische Beschwerden). Eine bedeutsame Zunahme der gesundheitlichen Belastungen wurde vor dem Hintergrund kumulativer Gewalterfahrungen im Lebensverlauf (z.B. Missbrauch in der Kindheit, spätere Partnergewalt) sichtbar. Vergleichbare, ursächlich mit Gewalterfahrungen in Verbindung stehende somatische Beschwerden und Schmerzsyndrome wurden in einer Patientinnenbefragung des Berliner S.I.G.N.A.L.-Begleitprojektes (Kapitel 6.1) beobachtet [29, 61] . Darüber hinaus wurden in Patientinnenbefragungen signifikante Korrelationen zwischen körperlicher Gewalt und funktionellen Herzbeschwerden sowie Asthma aufgezeigt (vgl. [73] ).
In Tabelle 1, die auf den Daten der bundesdeutschen Prävalenzstudie beruht, wird sichtbar, dass alle Formen von Gewalt mit deutlich erhöhten gesundheitlichen und psychischen Belastungen der Frauen assoziiert sind.
Tabelle 1
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Körperliche Gewalt seit 16. Lebensjahr erlebt? | ||
ja | 46,4% | 63,1% |
nein | 24,3% | 35,9% |
Sexuelle Gewalt seit 16. Lebensjahr erlebt? | ||
ja | 54,7% | 71,8% |
nein | 29,4% | 42,3% |
Körperliche oder sexuelle Gewalt durch (Ex-)Partner? | ||
ja | 48,2% | 65,2% |
nein | 28,0% | 40,2% |
Sexuelle Belästigung erlebt? | ||
ja | 40,7% | 58,0% |
nein | 20,8% | 28,7% |
Psychische Gewalt erlebt? | ||
ja | 45,8% | 64,8% |
nein | 22,9% | 32,3% |
2.2.3 Psychische Folgeprobleme
In der internationalen Forschung sind zahlreiche psychische Beschwerden und Symptomatiken beschrieben, die mit Gewalterfahrungen in der Kindheit und im Erwachsenenleben assoziiert sind. Dazu gehören bei Gewalt gegen Frauen insbesondere Depressionen, Stresssymptome, Angststörungen, Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS), Essstörungen und Suizidalität [1, 3, 7, 8, 9, 12, 18, 55, 57, 59, 60, 68, 72, 74, 75, 76, 77, 78] . Bei Gewalt gegenüber Kindern wurden darüber hinaus Beeinträchtigungen in der kognitiven und emotionalen Entwicklung festgestellt [34, 41, 47, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85] .
Bereits in den 1970er-Jahren wurde der Begriff des »Vergewaltigungstraumasyndroms« [86] geprägt, das Reaktionen wie Schlaflosigkeit, Übelkeit, Schreckhaftigkeit und Albträume sowie Zustände von Empfindungslosigkeit und Erstarrung infolge sexualisierter Gewalt beschreibt. Auch hier gilt es, zwischen kurz- und längerfristigen, zum Teil verzögert auftretenden Stress- und Belastungssymptomen zu differenzieren. Das breite Spektrum der möglichen psychischen und psychosozialen Folgen von Gewalt reflektieren in Übereinstimmung mit anderen europäischen Untersuchungen [11, 26] die Ergebnisse der deutschen Gewaltprävalenzstudie [3] . Im Zusammenhang mit der erlebten psychischen, physischen und sexuellen Gewalt wurden von den Betroffenen als unmittelbare Folgen verschiedener Gewaltformen Niedergeschlagenheit/Depressionen (36 bis 46 %), Schlafstörungen/Alpträume (27 bis 33 %), dauerndes Grübeln (50 bis 69 %), vermindertes Selbstwertgefühl (36 bis 55 %), erhöhte Ängste (18 bis 24 %), Probleme im Umgang mit Männern bzw. Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen (13 bis 34 %) sowie Antriebslosigkeit/Konzentrationsschwäche (11 bis 26 %) benannt. Hinweise auf Essstörungen fanden sich bei 7 bis 9 % der betroffenen Frauen, Selbstmordgedanken führten 6 bis 9 % an.
Signifikante Zusammenhänge waren darüber hinaus zwischen aktuellen psychischen Beschwerden und unterschiedlichen Formen von Gewalt in der Kindheit und im Erwachsenenleben festzustellen. Besonders auffällig war eine deutlich erhöhte Betroffenheit durch Stress- und Belastungssymptome (Nervosität, Anspannung und Reizbarkeit), Gedächtnisstörungen und Konzentrationsschwierigkeiten, Schwäche, Müdigkeit und Schlafprobleme sowie Antriebslosigkeit, Depressionen, Angstanfälle/Panikattacken, Selbstmordgedanken und Selbstwertprobleme [5] . Gesundheitliche Beeinträchtigungen und psychische Beschwerden können auf akute Gewaltsituationen, aber ebenso auf frühere Gewalterfahrungen zurückgehen. In der Studie zeigten sich hohe psychische Belastungswerte bei Betroffenen, die sowohl in Kindheit und Erwachsenenalter neben körperlicher Gewalt zusätzlich von sexueller und/ oder psychischer Gewalt betroffen waren [5] . Diese Ergebnisse verdeutlichen die Relevanz kumulativer Gewalterfahrungen unterschiedlicher Intensität und bestätigen Zusammenhänge zwischen der Schwere bzw. Häufigkeit der erlebten Gewalt und dem Ausmaß psychischer Beschwerden. In Übereinstimmung mit weiteren Befunden nationaler und internationaler Studien zu den psychischen Folgen von Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung zeigt sich eine enge Verbindung von Gewalterfahrungen in der Kindheit (und im Erwachsenenleben) mit Störungen des Sozialverhaltens, depressiven Erkrankungen, posttraumatischen Belastungsstörungen und allgemein hoher psychiatrischer Auffälligkeit (vgl. im Überblick: [56, 85] ). Dies unterstreicht die Bedeutung zeitnaher Interventionen, um sekundären Traumatisierungen entgegenzuwirken und neben der Behandlung der körperlichen Gesundheitsbeschwerden eine individuelle Bearbeitung der psychischen Auswirkungen zu ermöglichen.
Weitere Untersuchungen sollten darauf ausgerichtet sein, die Verbindungen zwischen diesen unterschiedlichen psychischen, somatischen und psychosomatischen (Folge-)Beschwerden und verschiedenen Ausprägungen von Gewalt sowie ihre Wechselwirkungen mit anderen gesundheitsbelastenden und -fördernden Bedingungen genauer zu erfassen. Auf dieser Basis könnten weitergehende Anhaltspunkte für Prävention sowie medizinische (und psychotherapeutische) Diagnostik und Behandlung abgeleitet werden.
2.2.4 Gesundheitsgefährdende Überlebens- und Bewältigungsstrategien
Gesundheitsgefährdende Überlebens- und Bewältigungsstrategien nach Gewalterfahrungen umfassen u.a. die Einnahme von Alkohol, Drogen und psychotropen Medikamenten [1, 3, 18, 29, 175]. Als die Gesundheit beeinträchtigende Verhaltensweisen sind zudem hoher Tabakkonsum, eingeschränkte körperliche und außerhäusliche Aktivität, soziale Isolation, selbstverletzendes Verhalten (z.B. Hautritzen) sowie häufige Partnerwechsel in Verbindung mit ungeschütztem Geschlechtsverkehr bekannt (ebd.). Nach den Analysen der deutschen Gewaltprävalenzstudie [3] konsumierten Betroffene von Gewalt signifikant häufiger und mehr Tabak und Alkohol, wobei vor allem der erhöhte Tabakkonsum auffällt (vgl. Tabelle 2). Gewaltbetroffene Frauen rauchten im Vergleich zu Nicht-Betroffenen zwei- bis dreimal häufiger mindestens zehn Zigaretten täglich. In der Studie wurde darüber hinaus der Konsum von Alkohol, Drogen oder psychotropen Medikamenten von vielen betroffenen Frauen als ein Versuch benannt, die psychischen Belastungen zu bewältigen.
Tabelle 2
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Körperliche Gewalt seit 16. Lebensjahr erlebt? | ||
ja | 8,9% | 25,0% |
nein | 6,0% | 10,8% |
Sexuelle Gewalt seit 16. Lebensjahr erlebt? | ||
ja | 9,5% | 27,5% |
nein | 6,7% | 14,3% |
Körperliche oder sexuelle Gewalt durch (Ex-)Partner? | ||
ja | 9,2% | 29,3% |
nein | 6,7% | 11,8% |
Sexuelle Belästigung erlebt? | ||
ja | 7,8% | 19,1% |
nein | 6,0% | 11,7% |
Psychische Gewalt erlebt? | ||
ja | 8,1% | 22,1% |
nein | 6,3% | 11,6% |
Gewaltbetroffene Frauen nahmen darüber hinaus deutlich seltener außerhäusliche sportliche Aktivitäten wahr als Nicht-Betroffene. Sie waren, wenn sie Gewalt in der Kindheit und/oder im Erwachsenenleben erlebt hatten, stärker sozial isoliert und benannten häufiger Defizite und Probleme in ihren sozialen Beziehungen [5] , wobei letzteres sowohl eine Ursache als auch eine Folge von (fortgesetzter) Gewalt sein kann. So werden Opfer von häuslicher Gewalt häufig durch gewalttätige Partner in ihren Außenkontakten kontrolliert und von diesen isoliert. Die sekundäranalytischen Auswertungen der Studie zeigen zudem, dass soziale Isolation stark assoziiert ist mit einem schlechteren Gesundheitszustand der Befragten.
2.2.5 Auswirkungen auf die reproduktive Gesundheit
Schwangerschaft und Mutterschaft bedeuten nicht nur für die Frau einen bedeutsamen Lebenseinschnitt. Sie stellen auch die Paarbeziehung vor neue Herausforderungen und machen diverse Anpassungsleistungen notwendig. Dass es sich hierbei für Frauen um eine besonders gefährdete und vulnerable Lebens- bzw. Umbruchphase handelt, zeigt die Häufigkeit mit der Gewalt in Paarbeziehungen erstmals im Kontext von Schwangerschaft und Geburt des ersten Kindes auftritt [3, 87] . Nach einer Sonderauswertung der bundesdeutschen Gewaltprävalenzstudie [3] berichteten 23 % der Frauen, die hierzu Angaben in Bezug auf Gewalt in der letzten gewaltbelasteten Paarbeziehung gemacht haben (N=784), die Gewalt sei erstmals im Kontext von Schwangerschaft und/oder Geburt des/der Kinder aufgetreten. Auch wenn es sich hier wegen der hohen Ausfallsquoten und Selektivitäten in der Beantwortung der Frage nicht um einen verallgemeinerbaren Befund handelt, deuten die Ergebnisse auf eine erhebliche Größenordnung des Zusammenhangs von Schwangerschaft/Geburt der Kinder und dem Auftreten von Gewalt in Paarbeziehungen hin.
Psychische Belastungen zurückliegender und aktueller Gewalterfahrungen können ebenso wie akute gewaltbedingte Verletzungsfolgen bedeutsame Komplikationen im Schwangerschafts- und Geburtsverlauf verursachen. In der bundesdeutschen Gewaltprävalenzstudie gaben gewaltbetroffene Frauen signifikant häufiger als nicht betroffene Frauen Unterleibs bzw. gynäkologische Beschwerden an. Komplikationen bei Schwangerschaft und Geburt wurden von ihnen durchschnittlich um etwa 50 % und Unterleibsoperationen um etwa 20 % häufiger genannt.
Tabelle 3
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Unterleibsoperationen | |
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Körperliche Gewalt seit 16. Lebensjahr erlebt? | ||
ja | 27,0% | 28,5% |
nein | 19,0% | 23,8% |
Sexuelle Gewalt seit 16. Lebensjahr erlebt? | ||
ja | 31,4% | 33,1% |
nein | 20,7% | 24,5% |
Körperliche oder sexuelle Gewalt durch (Ex-)Partner? | ||
ja | 29,8% | 30,9% |
nein | 20,9% | 25,3% |
Sexuelle Belästigung erlebt? | ||
ja | 25,1% | 26,9% |
nein | 17,5% | 23,6% |
Psychische Gewalt erlebt? | ||
ja | 26,7% | 27,2% |
nein | 18,6% | 24,3% |
Aus Patientinnenbefragungen im Gesundheitssektor geht hervor, dass Fehl- und Frühgeburten, Schwangerschaftsabbrüche und Zyklusstörungen von gewaltbetroffenen Frauen vergleichsweise häufiger und teilweise auch als direkte Gewaltfolge angegeben wurden [29, 61, 73] . Durch Gewalt verursachte Schwangerschaftskomplikationen sind auch durch internationale Forschungsergebnisse belegt [1, 88] .
Gewaltbetroffene Frauen nehmen präventive Maßnahmen wie Schwangerschaftsvorsorgeuntersuchungen anteilsmäßig in geringerem Umfang und zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch. Dies kann mit negativen Auswirkungen für das un-/neugeborene Kind, mit Früh- und Fehlgeburten, sowie einem geringeren Geburtsgewicht korrelieren. Des Weiteren ist ein Zusammenhang zwischen häuslicher Gewalt und postnatalen Depressionen sowie Schwangerschaftsdepressionen und Posttraumatischen Belastungsstörungen belegt [89] .
2.3 Besonders vulnerable Personengruppen und risikoreiche Lebenssituationen
Mit Blick auf erhöhte Gewaltbetroffenheiten sind
Frauen und Kinder im Kontext häuslicher Gewalt,
Frauen und Kinder in Bezug auf sexualisierte Gewalt,
sowie Jungen und männliche Jugendliche
mit Blick auf
Peer-Group
-Gewalt und Gewalt im
öffentlichen Raum als besonders vulnerable Bevölkerungsgruppen
einzustufen. Häusliche Gewalt
gegenüber Frauen kommt in allen sozialen Schichten
vor und auch die häufig vermutete soziale Auffälligkeit
der Täter bzw. der Familien in denen Gewalt
ausgeübt wird, ist nur selten zu beobachten.
Dennoch gibt es komplexe Problemkonstellationen,
besondere Lebenssituationen und Umbruchphasen
im Lebenslauf, welche die Vulnerabilität
für Gewalterfahrungen potenziell erhöhen und die
Beendigung von (fortgesetzter) Gewalt erschweren
können. Hierzu zählen z.B. Schwangerschaft und
Mutterschaft, Behinderung, Krankheit, hohes Alter,
ungesicherter Aufenthalts- oder Minoritätenstatus,
Integration in traditionell patriarchalisch strukturierte
Familienverbände, sozioökonomische Mangellagen,
die mit benachteiligenden Lebens- und
Arbeitsverhältnissen zusammenhängen, sowie die
Einbindung in Institutionen, die mit spezifischen
Abhängigkeiten einhergehen (z.B. Haftanstalt,
Bundeswehr/Militär, Pflege- und Betreuungseinrichtungen).
Das mögliche Spektrum und Ausmaß
der gesundheitlichen Auswirkungen von Gewalt
sind neben der Schwere der Übergriffe wesentlich
davon beeinflusst, ob:
► | Gewalt systematisch und/oder kumulativ über einen längeren Zeitraum hinweg ausgeübt wird; |
---|---|
► | Gewaltbetroffene und Gewaltausübende in einer engen sozialen und/oder emotionalen Beziehung bzw. in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander stehen (z.B. Familien- und Paarbeziehungen). Eine Beendigung der Gewaltsituation ist unter diesen Voraussetzungen deutlich erschwert. Zudem können Versuche der Gegenwehr und Flucht, z.B. aufgrund von psychischen und/oder körperlichen Einschränkungen bei Behinderung und Pflegebedürftigkeit oder situativen Gegebenheiten (z.B. finanzielle Abhängigkeit, Verlust der Aufenthaltsbewilligung), stark limitiert sein. |
Eine vertiefende Darstellung dieser weiter zu differenzierenden vulnerablen Betroffenengruppen in ihren spezifischen Lebenssituationen kann im Rahmen des vorliegenden Themenheftes nicht geleistet werden. An dieser Stelle soll daher exemplarisch die besondere Vulnerabilität von Frauen mit Behinderungen und von Frauen mit Migrationshintergrund aufgegriffen werden, um die oben beschriebenen Aspekte zu verdeutlichen.
2.3.1 Gewalt im Kontext von Migration und Flucht
Frauen und Männer mit Migrationshintergrund repräsentieren eine sehr heterogene Personengruppe. Sie umfasst unabhängig von der Staatsangehörigkeit ausländische Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen sowohl der ersten als auch der Folgegenerationen, Spätaussiedler und Spätaussiedlerinnen und andere Eingebürgerte, Kinder aus binationalen Beziehungen, Asylbewerber und Asylbewerberinnen, (Kriegs-)Flüchtlinge, Ausländer/-innen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Menschen mit Migrationshintergrund unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihres Aufenthaltsstatus und z.B. daraus resultierender rechtlicher Ansprüche auf gesundheitliche Versorgung [90, 91] , sondern auch im Hinblick auf Aspekte der Lebenssituation und sozialen Lage.
Während Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen Migration und Gesundheit aus nationalen und internationalen Studien vorliegen (vgl. [90, 92, 93, 94] , wurde die Verbindung von (häuslicher) Gewalt, Migration und Gesundheit bislang nur in wenigen Studien aufgegriffen und systematisch untersucht. Bisherige Studien verweisen auf einen Zusammenhang zwischen Migrationshintergrund und Gesundheit einerseits (vgl. auch [5, 90, 92, 94] sowie zwischen Migrationshintergrund und Gewalt andererseits [5, 11, 95, 96] . Nach den Ergebnissen der deutschen Prävalenzstudie waren Frauen mit türkischem Migrationshintergrund im Vergleich zu osteuropäischen Migrantinnen und deutschen Frauen (ohne Migrationshintergrund) in höherem Maße schwerer körperlicher und/oder sexueller Gewalt mit Verletzungsfolgen in der Partnerschaft ausgesetzt [3, 5] . Im öffentlichen Raum erfuhren beide Migrantinnengruppen deutlich häufiger als Nicht- Migrantinnen psychische Gewalt und Diskriminierung [5] . Eine nichtrepräsentative Befragung von Asylbewerberinnen 4 in der genannten Studie von Schröttle und Müller [3] kam darüber hinaus zu dem Ergebnis, dass diese im Vergleich zu anderen Befragungsgruppen am massivsten von Gewalt in unterschiedlichen Lebensbereichen betroffen waren. Die Gewaltbetroffenheit konzentrierte sich bei diesen nicht auf Ehe und Partnerschaft, sondern schloss darüber hinausgehend vielfältige psychische, körperliche und sexualisierte Übergriffe durch unbekannte Personen im öffentlichen Raum, durch Mitbewohner und -bewohnerinnen in Wohn- und Übergangsheimen sowie durch Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und Betreuungspersonen in Ämtern, Schulen, Behörden und Hilfseinrichtungen ein [3] . Bei Asylbewerbern und Asylbewerberinnen ist zudem insgesamt häufiger von vorhergehenden gewaltbelasteten Erfahrungen und Traumatisierungen im Kontext von Krieg, Verfolgung und Flucht in den Herkunftsländern auszugehen, so dass die Prävalenz Posttraumatischer Belastungsstörung entsprechend hoch ist [97, 98] . Da in Deutschland nur wenige adäquate Hilfemöglichkeiten bestehen, um die in extremen Abhängigkeitssituationen lebenden asylsuchenden Frauen, Männer und Kinder vor weiterer bzw. erneuter Gewalt und Retraumatisierung zu schützen, ist die Situation der Betroffenen als besonders problematisch einzuschätzen. Eine weitere durch körperliche und sexuelle Gewalt besonders gefährdete Gruppe stellen Migrantinnen dar, die als Prostituierte arbeiten und keinen legalen Aufenthaltstitel in Deutschland haben [99, 100] .
Häusliche Gewalt ist jedoch kein migrationsspezifisches oder auf bestimmte ethnische und religiöse Gruppen einzugrenzendes Problem. Die vielfach unterstellte und teilweise auch reale Legitimierung von Gewalt gegen Frauen in bestimmten Kultur- und Religionszusammenhängen (z.B. bei islamischgläubigen Bevölkerungsgruppen) kann die höhere Gewaltbetroffenheit von Migrantinnen nur unzureichend erklären. Es ist vielmehr anzunehmen, dass kumulative Belastungen durch Minoritätenstatus, ungesicherten Aufenthaltsstatus, mangelnde Integration, finanzielle Probleme, Arbeitslosigkeit, beengte Wohnverhältnisse, hohe Wohndichte, Statusverlust/ Statusinkonsistenz der Männer sowie fehlende soziale Netze Gewalt begünstigende Risikofaktoren darstellen [96, 99, 101, 102, 103, 104] . Die im deutschen Aufenthaltsgesetz verankerte Kopplung des Aufenthaltsstatus weiblicher Migrantinnen an das Bleiberecht der Ehemänner 5 kann gewaltbelastende Abhängigkeitsverhältnisse und potenziellen Machtmissbrauch prinzipiell begünstigen [105, 106] . Bestehende finanzielle/materielle Abhängigkeiten erschweren die Herauslösung aus gewaltbelasteten Beziehungen zusätzlich (vgl. [99, 107, 108] ). Dies gilt vor allem für illegal eingereiste bzw. eingeschleuste Migrantinnen und Frauen ohne eigenständigen Aufenthaltsstatus. Im Kontext von Zwangsprostitution und auch Zwangsverheiratung sind sie als besonders gewaltgefährdete Gruppe anzunehmen.
Die mögliche Potenzierung von Gewalterfahrungen und gesundheitlichen Belastungen vor bzw. während des Migrationsprozesses durch zusätzliche strukturelle gesellschaftliche Benachteiligungen, Gewaltübergriffe im häuslichen Umfeld und im öffentlichen Raum des Einwanderungslandes wurde bislang kaum differenziert untersucht. Besonderer Berücksichtigung bedarf in diesem Kontext die Gruppe der alternden Migrantinnen der so genannten ersten Einwanderungsgeneration, die in erhöhtem Maße gesundheitlichen und psychischen Belastungen ausgesetzt sind [5] . Mangelnde Sensibilität für potenzielle Gewalt- wie auch Diskriminierungserfahrungen im Lebenslauf von (hochaltrigen) Migrantinnen, z.B. im gesamten Bereich der medizinischen, psychiatrischen und psychosozialen Versorgung oder in Altenpflegeeinrichtungen kann unter Umständen zu Retraumatisierungen und diversen gesundheitlichen und psychischen Folgebeschwerden beitragen. Im Hinblick auf eine bedarfsgerechte Unterstützung und Gesundheitsversorgung der Betroffenen gilt es diesen Aspekten in Forschung und Praxis künftig mehr Bedeutung beizumessen. Einer Sonderauswertung der deutschen Gewaltprävalenzstudie zufolge ist die zum Teil schlechtere gesundheitliche Situation türkischer Migrantinnen nicht vorwiegend auf deren erhöhte Gewaltbetroffenheit zurückzuführen, sondern vor allem im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Diskriminierungen, schwierigen sozialen Lagen sowie mangelhafter beruflicher und sozialer Einbindung zu sehen. Die Gewaltbetroffenheit, die unabhängig vom ethnischen Hintergrund der Befragten einen deutlich negativen Einfluss auf die gesundheitliche Situation von Frauen haben kann, stellt hier lediglich einen zusätzlichen Belastungsfaktor unter einer Vielzahl problematischer Lebensbedingungen dar [5] .
2.3.2 Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen 6
Gewalt im Kontext von Behinderung war lange ein tabuisiertes Thema, das in seiner individuellen und gesamtgesellschaftlichen Relevanz erst in jüngster Zeit öffentlich wahrgenommen wird (vgl. auch Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauenanallgemein auf eine erhöhte Gewaltbetroffenheit von Menschen mit Behinderungen, insbesondere im Bereich der psychischen Diskriminierung und psychischen Gewalt sowie der sexuellen Gewalt [111, 112, 113, 114, 115, 116] . Der Alltag von Frauen und Männern mit Behinderungen ist nicht selten von diskriminierenden und stigmatisierenden Erfahrungen geprägt. Eine aktuelle britische Studie der Women¿s Aid Federation of England verweist auf die besonders hoch belastete und von extremen Abhängigkeiten geprägte Situation vieler Frauen mit Behinderungen, die besonders gravierende Formen und Ausprägungen psychischer, physischer und sexueller Gewalt im häuslichen und Pflegekontext begünstigen und eine Hilfesuche und Beendigung der Situation in hohem Maße erschweren. Die umfangreiche Studie, in der sowohl gewaltbetroffene Frauen als auch unterschiedliche Berufsgruppen der psychosozialen Unterstützungssysteme befragt wurden, enthält zahlreiche Empfehlungen zur Gewaltprävention und zur Verbesserung der Unterstützung gewaltbetroffener Frauen mit Behinderungen [176] . In einer deutschen Studie zur Lebenssituation von Frauen mit Behinderung [112] gaben zwei Drittel der Frauen mit Körper- und Sinnesbehinderungen an, diskriminierende Erfahrungen gemacht zu haben. Diese implizieren eine besondere Form psychischer Gewalt, deren mögliche Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit bislang noch nicht systematisch in die Gewalt- und Gesundheitsforschung einbezogen wurden. Nach den Ergebnissen der bundesdeutschen Gewaltprävalenzstudie [3] wiesen Frauen mit chronischen Erkrankungen und körperlichen Behinderungen gegenüber Nicht-Betroffenen eine deutlich erhöhte Gewaltbelastung auf: 50 % hatten körperliche Übergriffe seit dem 16. Lebensjahr erlebt, 21 % sexuelle Gewalt und 56 % psychische Gewalt in unterschiedlichen Lebensbereichen (unveröffentlichte Sonderauswertungen, 2007). Wenngleich die geringen Fallzahlen einen statistisch signifikanten Nachweis der Unterschiede nicht erlauben und in der Studie zudem relevante Gruppen von Frauen mit Behinderungen aufgrund der Methodik und Zugänge nicht erreicht werden konnten, geben die Ergebnisse dennoch erste Hinweise darauf, dass auch in Deutschland die Gewaltbetroffenheit von Frauen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen in Bezug auf alle erlebten Gewaltfor, [109] ). Menschen mit Behinderungen bilden keine einheitliche Gruppe, sondern leben in sehr unterschiedlichen Situationen und sind in unterschiedlichem Maße in ihrem täglichen Leben aufgrund von Behinderungen und chronischen Erkrankungen eingeschränkt. Viele Betroffene sind besonders gefährdet, Gewalt zu erfahren, da ihr Leben, abhängig von den vorliegenden Beeinträchtigungen und funktionellen Einschränkungen, in diversen Bereichen fremdbestimmt ist. Dies gilt vor allem bei institutioneller Unterbringung und intensiver Abhängigkeit von Pflegeleistungen. Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen findet vielfach verdeckt im familiären Nahbereich, in Einrichtungen der Behindertenhilfe [110] sowie im Rahmen der Pflege alter Menschen statt. Die bestehenden Abhängigkeitsverhältnisse gegenüber potenziellen Tätern und Täterinnen sind hier in der Regel sehr eng.
Repräsentative Studien, die Gewaltprävalenzen und Gesundheitsfolgen von Gewalt bei Frauen, Männern und Kindern mit verschiedenen Behinderungen erfassen, liegen auf nationaler Ebene nicht und auf internationaler Ebene nur vereinzelt vor. Sie sind aufgrund ihres unterschiedlichen methodischen Vorgehens kaum miteinander vergleichbar 7 . Die Studien verweisen allgemein auf eine erhöhte Gewaltbetroffenheit von Menschen mit Behinderungen, insbesondere im Bereich der psychischen Diskriminierung und psychischen Gewalt sowie der sexuellen Gewalt [111, 112, 113, 114, 115, 116] . Der Alltag von Frauen und Männern mit Behinderungen ist nicht selten von diskriminierenden und stigmatisierenden Erfahrungen geprägt. Eine aktuelle britische Studie der Women¿s Aid Federation of England verweist auf die besonders hoch belastete und von extremen Abhängigkeiten geprägte Situation vieler Frauen mit Behinderungen, die besonders gravierende Formen und Ausprägungen psychischer, physischer und sexueller Gewalt im häuslichen und Pflegekontext begünstigen und eine Hilfesuche und Beendigung der Situation in hohem Maße erschweren. Die umfangreiche Studie, in der sowohl gewaltbetroffene Frauen als auch unterschiedliche Berufsgruppen der psychosozialen Unterstützungssysteme befragt wurden, enthält zahlreiche Empfehlungen zur Gewaltprävention und zur Verbesserung der Unterstützung gewaltbetroffener Frauen mit Behinderungen [176] . In einer deutschen Studie zur Lebenssituation von Frauen mit Behinderung [112] gaben zwei Drittel der Frauen mit Körper- und Sinnesbehinderungen an, diskriminierende Erfahrungen gemacht zu haben. Diese implizieren eine besondere Form psychischer Gewalt, deren mögliche Auswirkungen auf die körperliche und psychische Gesundheit bislang noch nicht systematisch in die Gewalt- und Gesundheitsforschung einbezogen wurden. Nach den Ergebnissen der bundesdeutschen Gewaltprävalenzstudie [3] wiesen Frauen mit chronischen Erkrankungen und körperlichen Behinderungen gegenüber Nicht-Betroffenen eine deutlich erhöhte Gewaltbelastung auf: 50 % hatten körperliche Übergriffe seit dem 16. Lebensjahr erlebt, 21 % sexuelle Gewalt und 56 % psychische Gewalt in unterschiedlichen Lebensbereichen (unveröffentlichte Sonderauswertungen, 2007). Wenngleich die geringen Fallzahlen einen statistisch signifikanten Nachweis der Unterschiede nicht erlauben und in der Studie zudem relevante Gruppen von Frauen mit Behinderungen aufgrund der Methodik und Zugänge nicht erreicht werden konnten, geben die Ergebnisse dennoch erste Hinweise darauf, dass auch in Deutschland die Gewaltbetroffenheit von Frauen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen in Bezug auf alle erlebten Gewaltformen höher zu sein scheint als in anderen Bevölkerungsgruppen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass körperliche und psychische Behinderungen und Krankheiten auch eine Folge früherer Gewalterfahrungen (z.B. in der Kindheit) sein können [112] .
Obwohl bislang, auch wegen der hohen Dunkelfelder, keine umfassenden Statistiken über sexuelle Gewalt gegenüber Frauen, Männern und Kindern mit Behinderungen vorliegen, ist aufgrund der Forschungslage von einem hohen Ausmaß an sexualisierter Gewalt, vor allem in Institutionen, auszugehen [112, 113, 117] . Ausmaße und Folgen von sexualisierter Gewalt gegenüber Menschen mit geistigen Behinderungen 8 wurden in den letzten Jahren verstärkt fokussiert. Ein vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördertes Forschungsprojekt (2001 bis 2004) zum Umgang mit sexueller Selbstbestimmung und sexueller Gewalt in Wohneinrichtungen für junge Menschen mit geistiger Behinderung hat gezeigt, dass mangelnder Selbstwert und eingeschränkte Selbstbehauptungsfähigkeiten das Risiko erhöhen, Opfer sexualisierter Gewalt zu werden. So scheitert eine Abwehr von sexualisierten Übergriffen der Bewohner und Bewohnerinnen häufig im Ansatz daran, dass sie Grenzüberschreitungen und Übergriffe nicht als solche wahrzunehmen vermochten [177] . Den Ergebnissen einer bundesweiten Befragung [118] zufolge, waren 50 % der befragten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in verschiedenen Institutionen der Behindertenhilfe Fälle sexualisierter Gewalt innerhalb der eigenen Einrichtungen bekannt. Mädchen und Frauen mit geistigen Behinderungen wurden laut dieser Studie drei- bis viermal so häufig sexuell missbraucht wie Jungen und Männer mit entsprechenden Behinderungen. Aus anderen Studien liegen zudem Hinweise vor, dass Mädchen und Frauen mit geistigen Behinderungen in der Tendenz schwerere Formen von sexualisierter Gewalt (z.B. Vergewaltigung) erlebten als geistig behinderte Jungen und Männer [117] . Potenzielle Täter kommen vor allem bei sexualisierter Gewalt vielfach aus dem unmittelbaren Umfeld von Familienangehörigen, Assistenz- und Fachkräften in betreuenden Einrichtungen, aber auch aus den Reihen von Mitbewohnern [112, 117] . Die Aufdeckung und Beendigung von Gewaltübergriffen kann unter diesen Umständen deutlich erschwert sein.
Auf (sexualisierte) Gewalt scheinen Menschen mit Behinderungen mit ähnlichen gesundheitlichen Folgen wie nicht behinderte Menschen zu reagieren [117] . Beobachtet wurden traumatische Stressreaktionen [112] , Depressionen, Angststörungen, psychische Erkrankungen und Verhaltensauffälligkeiten [120, 121] . Indikatoren für Gewalterfahrungen bei Betroffenen mit (Lern-)Behinderungen können Auto- und Fremdaggressionen, Essstörungen sowie unspezifische Verhaltensauffälligkeiten sein [113] . Anhaltspunkte für geschlechtsspezifische Unterschiede liegen bei Frauen und Männern mit Lern- bzw. geistigen Behinderungen vor: Während autoaggressive Verhaltensweisen häufiger bei Frauen auftreten, äußern Männer tendenziell stärker Aggressionen in extrovertierter Form [116] . Beim Vorliegen einer Behinderung werden solche Symptome von professioneller Seite nicht selten als behinderungsspezifisch (fehl)interpretiert, so dass der Gewalthintergrund unentdeckt bleibt [4] . Erschwerend kommt hinzu, dass Frauen und Männer mit umfänglichen kognitiven, sozialen, emotionalen Einschränkungen oft nur unzureichend über mögliche, z.B. im Rahmen der Pflege grenzwertige, sexualisierte Gewaltübergriffe aufgeklärt sind. Mangelndes Wissen über Sexualität sowie fehlende bewusste Erfahrungen im Umgang mit dem eigenen Körper und der eigenen Sexualität stellen zentrale Barrieren dar, um erfahrene Gewalt als solche explizit wahrnehmen und benennen zu können. Zudem wird die Glaubwürdigkeit der Betroffenen, aufgrund der Behinderung häufig in Zweifel gezogen [116, 117] . Bislang liegen jedoch kaum Studien vor, die die gesundheitlichen Folgen, insbesondere die psychischen Folgen unterschiedlicher Formen von Gewalt und Diskriminierung bei Frauen, Männern und Kindern mit Behinderungen systematisch erfassen [120] . Eine bundesweite Studie, die auf eine differenzierte Erhebung von Gewaltprävalenzen, gesundheitlichen Gewaltfolgen sowie Interventions- und Unterstützungsbedarfe bei behinderten Frauen fokussiert, ist für die kommenden Jahre von Seiten des BMFSFJ geplant (vgl. [109] ).
3 Gesundheitsökonomische und gesellschaftliche Folgekosten von Gewalt
Nationale und internationale Studien weisen darauf hin, dass Gewalt neben den individuellen und sozialen Folgen erhebliche gesamtgesellschaftliche Kosten verursacht [122, 123] im Überblick [29, 106] . Diese Folgekosten betreffen u.a. den sozialen Bereich (z.B. Kinder- und Jugendhilfe, Unterstützungseinrichtungen für Gewaltbetroffene), die Justiz (z.B. Strafverfolgung), den gesamten Bereich der Erwerbsarbeit (z.B. Arbeitsunfähigkeit, Frühberentung [124] , sowie schwerpunktmäßig das System der Gesundheitsversorgung 9 . Im medizinischen Sektor (z.B. Notfallambulanzen, allgemeinmedizinische und fachärztliche Praxen, Krankenhäuser) fallen vorwiegend Kosten für die medizinische Erstversorgung bei akuten Verletzungen, für die Behandlung psychosomatischer Beschwerden, sexuell übertragbarer Krankheiten sowie für die psychologische Beratung und therapeutische Behandlung (Psychotherapie/ Psychiatrie) an. Darüber hinaus sind Ausgaben für Medikamente, wiederholte ambulante und stationäre Rehabilitationsmaßnahmen sowie für langfristige Versorgungserfordernisse (z.B. aufgrund von Schwangerschaftskomplikationen und Geburtsschäden) zu berücksichtigen (vgl. zur Bestimmung und Systematisierung der Kosten von Gewalt im Gesundheitswesen auch das Manual der WHO [125] , sowie [29, 106] ).
Länder wie Finnland und die Schweiz beziffern die jährlichen nationalen Folgekosten im Gesundheitswesen, die auf Gewalt gegen Frauen zurückgehen, auf 50 bis über 260 Millionen Euro [106, 122, 126] . Werden weitere Kostenstellen, z.B. für Polizei, Gericht, Strafvollzug, Sozialhilfe, Opferhilfe, Unterbringung in Zufluchtseinrichtungen sowie für Arbeitsausfälle und Leistungsbeeinträchtigungen berücksichtigt, ergeben sich weitaus höhere gesamtgesellschaftliche Folgekosten, die auf nationaler Ebene Milliardenbeträge aufweisen (vgl. [29, 106] ). In einer Kostenstudie zu den Folgen von häuslicher Gewalt für England und Wales wurde eine jährliche Summe von 34 Milliarden Euro angegeben, von denen knapp zwei Milliarden Euro allein auf den Gesundheitssektor entfallen [29, 123] . Werden die in den Studien ermittelten Kosten in Relation zur jeweiligen Landesbevölkerung gesetzt, fallen, bezogen auf Gewalt gegen Frauen, jährliche Kosten zwischen neun und 555 Euro pro Einwohner und Einwohnerin an [29, 106] . Zu internationalen Studien zu den ökonomischen Kosten von Gewalt siehe im Überblick Tabelle 4.
Tabelle 4
Land/Studie | Summe in € pro Jahr 3 | Kostenart/Bereiche | |
---|---|---|---|
England/
Wales
(Walby 2004 4 ) |
Häusliche Gewalt
(körperl., sex., psych.) zwischen aktuellen Partnern, Frauen wie Männer |
33,1 Mrd. €
|
|
USA
|
|
|
|
Andalusien/Spanien
(Institute for Women of Andalusia 2003 6 ) |
Gerwalt gegen Frauen | 2,4 Mrd. € |
direkte und indirekte Kosten: Gesundheitssektor,
Opferhilfe und Zufluchtseinrichtungen, Polizei, Gericht, Strafvollzug, Verlust von Produktivität, Lohn, individuelle emotionale Belastungen |
Finnland
(Piispa, Heiskanen 2001 7 ) |
Gewalt gegen Frauen,
insbes. durch den (Ex-)Partner |
50 Mio. €
inkl. 6,80 Mio. € 0,77 Mio. € exkl. 3,50 Mio. € 61 bis 112 Mio. € |
direkte Kosten: Polizei, Gericht, Strafvollzug,
Gesundheitsversorgung, Sozialhilfe, Opferhilfe und Zufluchtseinrichtungen direkte Kosten: Gesundheitssektor gesamt
► stationare Versorgung ► Medikation |
Schweiz
(Godenzi, Yodanis 1998 8 ) |
Gewalt gegen Frauen
(körperl., sex., psych.) durch (Ex-)Partner |
260 Mio. € |
direkte Kosten: Polizei, Gericht, Strafvollzug,
Gesundheitsversorgung, Sozialhilfe, Opferhilfe und Zufluchtseinrichtungen |
Niederlande
(Korf et al. 1997 9 ) |
Gewalt gegen Frauen
(angedrohte oder ausgeübte körperl. (u. psych.) Gewalt durch den (Ex-)Partner |
151 Mio. € |
direkte und indirekte Kosten: medizinische und
psychosoziale Versorgung, polizeiliche und gerichtliche Strafverfolgung, Verlust von Arbeitsproduktivität, Aufwand für Frühverrentung etc. |
1 | Brzank P (2005) Häusliche Gewalt gegen Frauen: gesundheitliche Versorgung. Das S.I.G.N.A.L.- Interventionsprogramm. Materialien zur Implementierung von Interventionsprogrammen. Berlin www.signal-intervention.de |
---|---|
2 | GiG-net - Forschungsnetz Gewalt im Geschlechterverhältnis (Hrsg) (2008) Gewalt im Geschlechterverhältnis. Erkenntnisse und Konsequenzen für Politik, Wissenschaft und Soziale Praxis. Verlag Barbara Budrich, Opladen |
3 | aufgrund der Währungsumrechnung handelt es sich um ungefähre Beträge |
4 | Walby S (2004) The Cost of Domestic Violence. Funded by Department of Trade and Industry, Women and Equality Unit. London. www.gov.uk |
5 | NCIPC NCIPC - National Center for Injury Prevention and Control (2003) Costs of Intmate Partner Violence Against Women in the Untied States. Atlanta (GA). Centers for Disease Control and Prevention. |
6 | Institute for Women of Andalusia (2003) The economic and social cost of domestic violence in Andalusia. Andalusia www.juntadeandalucia.es |
7 | Heiskanen M, Piispa M (2001) The price of violence. The cost of men's violence against women in Finland. Statistics Finland and Council for Equality, Helsinki |
8 | Godenzi A, Yodanis C (1998) Erster Bericht zu den ökonomischen Kosten der Gewalt gegen Frauen, Universität Freiburg, Schweiz |
9 | Korf DJ, Meulenbeek H, Mot E et al. (1997) Economic Costs of Domestic Violence Against Women. Utrecht, Netherlands: Dutch Foundation of Women's Shelters. |
Für Deutschland existieren bislang noch keine vergleichbaren nationalen Daten zu den Folgekosten von Gewalt. Ausgehend von vergleichbaren Gewaltausmaßen [26] muss auch in Deutschland mit erheblichen ökonomischen Dimensionen der Gewaltproblematik gerechnet werden. Wenn in Übereinstimmung mit der finnischen Studie davon ausgegangen wird, dass ein erheblicher Teil der Gesamtkosten auf den Gesundheitssektor entfallen, dann stellt die Bekämpfung und Prävention von Gewalt auch einen nicht zu unterschätzenden ökonomischen Faktor für das Gesundheitswesen dar. Eine frühzeitige Unterstützung von Betroffenen und der Ausbau von Maßnahmen zur Prävention von Gewalt sind insofern eine humanitäre und soziale, zugleich aber auch ökonomische Notwendigkeit. Sie können langfristig dazu beitragen, die erheblichen individuellen und gesamtgesellschaftlichen Folgen und Folgekosten von Gewalt zu verringern.
4 Versorgungsbedarf und Anforderungen an Berufsgruppen im Gesundheitswesen
In den folgenden Abschnitten werden der Versorgungsbedarf, die Rolle der beteiligten Berufsgruppen im Gesundheitswesen sowie Interventionsmaßnahmen und Beispiele guter Praxis thematisiert. Der Fokus liegt auf häuslicher und sexualisierter Gewalt. Dabei fließen wesentliche Ergebnisse ein, die auf eine Expertise zum Versorgungsbedarf und zu Anforderungen an Professionelle des Gesundheitswesens 10 zurückgehen [4] , sowie auf der wissenschaftlichen Begleitung des S.I.G.N.A.L.-Interventionsprogramms [131] und auf internationalen Studien basieren, die im Europäischen Netzwerk CAHRV 11 zusammengetragen und bearbeitet wurden.
4.1 Die Schlüsselposition des Gesundheitswesens bei Prävention und Intervention von Gewalt
Nach erfolgreicher Etablierung spezialisierter
Schutz- und Hilfeprojekte für gewaltbetroffene
Mädchen und Frauen hat sich die öffentliche
Diskussion in der Bundesrepublik vorrangig der
Frage gewidmet, wie die Aufgaben der sozialen
Dienste, des Kinderschutzes, der Polizei und der
Justiz im Kontext »Gewalt« besser und effektiver
wahrzunehmen sind. Mit dem ersten Aktionsplan
zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen hat die
Bundesregierung im Jahr 1999 ein Gesamtkonzept
verabschiedet, dessen Umsetzung bis zum
Jahr 2004 unter anderem die Unterstützung von
Interventionsprojekten gegen häusliche Gewalt
beinhaltete. Es wurden Modelle der Kooperation
zwischen Institutionen und in den Kommunen
entwickelt sowie Ansätze zur früheren und effektiveren
Intervention mit dem Ziel der Gewaltverringerung
erfolgreich erprobt (vgl.
[132,
133]
). Die Integration
von gesundheitsbezogenen Fragen und
die Aktivierung des Gesundheitswesens erfolgten
in Deutschland erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung.
Im Ausland etablierte Programme zur
Sensibilisierung von Ärzten und Ärztinnen sowie
Pflegekräften für Gewalt als Gesundheitsrisiko belegen
eindrücklich die hohe Erreichbarkeit der betroffenen
Frauen durch das Gesundheitssystem,
die zudem die Chancen einer Vermittlung an spezialisierte Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen
erhöht. Da lediglich ein Bruchteil sexueller
Übergriffe sowie häuslicher Gewalt polizeilich
zur Anzeige gebracht und amtlich bekannt wird,
ist die Wahrscheinlichkeit, dass Gewaltfolgen im
Rahmen routinemäßiger ärztlicher Untersuchungen
wahrgenommen werden, um ein Vielfaches
größer
[3]
, denn:
► | Einrichtungen der gesundheitlichen Versorgung werden von allen Bevölkerungsgruppen unabhängig von sozialer Lage, Geschlecht und Alter aufgesucht; |
---|---|
► | der medizinische Auftrag schließt die Klärung von Ursachen und Einflussfaktoren für Verletzungen, Beschwerden und Erkrankungen ein, was die Berücksichtigung sozialer Faktoren als Ursachen gesundheitlicher Beschwerden beinhaltet; |
► | Fachkräfte in der Gesundheitsversorgung unterliegen grundsätzlich der Schweigepflicht 12 und genießen ein hohes Maß an Vertrauen in der Bevölkerung. Sie werden von Patientinnen häufig als Ansprechpartner/innen in unterschiedlichen Problemsituationen hinzugezogen [3, 134, 173] . |
Ergebnisse verschiedener nationaler und internationaler Studien verdeutlichen die Schlüsselposition des Gesundheitswesens beim Erkennen von Gewaltfolgen und bei der Weitervermittlung z.B. zu spezialisierten Unterstützungseinrichtungen. Die institutionellen Voraussetzungen und das Interesse langwierige, kostenintensive Behandlungen zu vermeiden, prädestinieren das Gesundheitswesen für die Wahrnehmung präventiver Aufgaben und die kompetente Intervention zur Bewältigung von Gewaltauswirkungen im Rahmen der medizinischen Behandlung [4] . Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegekräfte und Angehörige anderer Gesundheitsfachberufe sind oft die ersten, die mit den Folgen häuslicher Gewalt konfrontiert werden und bleiben vielfach auch die einzigen Ansprechpartner für gewaltbetroffene Frauen. Sowohl die deutsche repräsentative Studie zu Gewalt an Frauen wie auch die im Rahmen der S.I.G.N.A.L. Begleitforschung durchgeführte Patientinnenumfrage ergaben, dass sich Frauen bei ihrer Suche nach Hilfe im professionellen System am ehesten an eine Einrichtung im Gesundheitswesen wenden. Ärzte und Ärztinnen wurden als erste Ansprechpersonen benannt, Frauenberatungs- und Zufluchtseinrichtungen standen an zweiter und die Polizei an dritter Stelle [3] . Die S.I.G.N.A.L. Patientinnenbefragung zeigte ebenfalls, dass 67 % der Befragten im Fall von Gewalt Ärztinnen und Ärzte als erste Ansprechpersonen betrachteten [29, 131] .
Mit dem Beschluss des zweiten Aktionsplans zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen im Jahr 2007 reagierte die Bundesregierung in Deutschland auf die drängenden Fragestellungen und Herausforderungen, die aus den Ergebnissen der vorliegenden wissenschaftlichen Studien und aus Erfahrungen der Praxis resultieren. Demnach ist die optimale medizinische Versorgung der betroffenen Frauen und die Erleichterung des Zugangs zu den Angeboten des Gesundheitssystems ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung. Insbesondere der Schlüsselrolle der ärztlichen Berufsgruppe wird mit dem Aktionsplan bezogen auf die Inanspruchnahme institutioneller Hilfen in und nach Gewaltsituationen Rechnung getragen. Wurde durch den ersten Aktionsplan die wissenschaftliche Begleitung des Interventionsprogramms im Bereich des Krankenhauses (S.I.G.N.A.L.) gefördert, soll nun die komplexe Bedeutung der Ärzteschaft zur Verbesserung der Situation gewaltbetroffener Frauen in einem neuem Projekt aufgegriffen werden, welches den Bereich der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte betrifft.
4.2 Grundlegende Anforderungen an Fachkräfte im Gesundheitswesen im Umgang mit Gewalt
Eine grundsätzliche Anforderung an alle Einrichtungen und Berufsgruppen des Gesundheitswesens besteht darin Anzeichen für Gewalt, unabhängig von der Herkunft und der Lebensweise der Betroffenen, ernst zu nehmen und Unterstützung anzubieten, die der individuellen Lebensrealität entspricht. Es gilt Barrieren abzubauen, die gewaltbetroffene Frauen in oft schwierigen Lebenslagen hindern, Hilfe zu suchen und in Anspruch zu nehmen (siehe auch Kapitel 4.3 und [4] ). Unabhängig von der Hilfeform muss die von Gewalt betroffene Frau in ihrer existentiellen Krise, mit ihren individuellen Bedürfnissen im Mittelpunkt der Hilfeleistung stehen. Der professionelle Kontakt sollte durch eine geschlechter- und kultursensible Haltung geprägt sein, die neben den Belastungen auch die vorhandenen Gesundheitsressourcen berücksichtigt.
Zunehmend setzt sich der Anspruch durch, dass die gesundheitliche Versorgung auf unterschiedliche Lebensphasen und Lebenslagen ausgerichtet sein muss, um vorhandene Rahmenbedingungen (z.B. Alter, soziale Benachteiligung), die ein erhöhtes Gewaltrisiko mit sich bringen können, nicht zu übersehen. Hier sind insbesondere Frauen und Mädchen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen sowie weitere vulnerable Bevölkerungsgruppen (z.B. pflegebedürftige Frauen im hohen Alter, werdende Mütter) zu berücksichtigen. Körperliche und geistige Beeinträchtigungen bedeuten je nach Schweregrad mehr oder weniger Abhängigkeit von Unterstützung innerhalb der Familie, von ambulanten Betreuungskräften oder von Einrichtungen. Mit dem Grad der Abhängigkeit und dem Angewiesensein auf Hilfe durch Dritte erhöht sich die Vulnerabilität für Gewalt und gleichzeitig die Zugangsschwelle zu Unterstützung z.B. in der Gesundheitsversorgung. Experten und Expertinnen in Beratungsstellen gelangen zu der Einschätzung, dass Gewaltauswirkungen bei behinderten Frauen und Mädchen in der Mehrzahl der Fälle nicht erkannt und wahrgenommen werden. Der Fokus von Behandelnden richtet sich vielfach nahezu ausschließlich auf behinderungsspezifische Defizite. So wird z.B. auffälliges Verhalten häufig als Ausdruck der Behinderung gedeutet. Aufgrund von eingeschränkten sprachlichen Ausdrucksund Artikulationsmöglichkeiten, Ängsten oder aber aufgrund der Anwesenheit weiterer Personen, wie z.B. potenzieller Täter und Täterinnen im Kreis der Betreuungskräfte oder der Familie, ist es Betroffenen häufig nicht möglich Gewalterfahrungen selbst anzusprechen. Im Widerspruch zu einem anzunehmenden hohen Ausmaß sexualisierter Gewalterfahrungen bei Frauen mit »geistigen Behinderungen«, ist die psychosoziale und medizinische Versorgung dieser Bevölkerungsgruppe als äußerst unzureichend zu bewerten [29, 113] . Ambulante Versorgungsangebote (z.B. gynäkologische Praxen) sind in der Regel nicht auf Mädchen und Frauen mit einer körperlichen und/oder geistigen Behinderung eingestellt [4] . Barrieren bestehen sowohl in der Erreichbarkeit, im Zugang als auch in der Ausstattung der Praxen. Hinzu kommen vielfach mangelnde Erfahrung und fehlende Fachkompetenz im Umgang mit behinderten Frauen seitens der behandelnden Ärzte und Ärztinnen. Die Bundesregierung reagiert mit dem zweiten Aktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auf dieses Defizit. Zum Schutz von Frauen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen vor gewaltsamen Übergriffen werden Projekte gefördert, mit dem Ziel, betroffene Frauen zu stärken, Pflegepersonal und Betreuungskräfte zu sensibilisieren und eine entsprechende Selbsthilfeorganisation als politische Interessenvertretung behinderter Frauen zu unterstützen. Auch internationale Studien und Praxisleitlinien zum Umgang mit den Folgen von Gewalt im Gesundheitssystem formulieren das Erfordernis, differenziert auf die unterschiedlichen und insbesondere auf benachteiligte Lebenslagen von Frauen einzugehen. Entsprechend betont z.B. das » "Ressource Manual « des britischen Gesundheitsministeriums die besondere Verantwortung der Gesundheitsversorgung für vulnerable Bevölkerungsgruppen und ihr erhöhtes Risiko, Opfer sexuellen oder körperlichen Missbrauchs zu werden. Dies gilt in Deutschland neben Frauen mit Behinderungen u.a. für bestimmte Gruppen von Migrantinnen sowie für wohnungslose Frauen und Prostituierte. Sie sind einerseits in erhöhtem Maße dem Risiko ausgesetzt Gewalt zu erfahren und andererseits in vielen Bereichen unzureichend medizinisch betreut [135] . Frauen, die ethnischen Minderheiten angehören oder Frauen, die in relativer Armut leben, nehmen Angebote der Gesundheitsversorgung insgesamt seltener und zögerlicher in Anspruch und sind weniger bereit Gewalterfahrungen mitzuteilen [136] . Im ärztlichen Kontakt mit Migrantinnen kommen erschwerend kulturelle Verständigungs- und Kommunikationsschwierigkeiten hinzu. Vielen Behandelnden fehlt es an interkulturellen Kompetenzen [137] . Die Zahl der qualifizierten Dolmetscher und Dolmetscherinnen im Gesundheitswesen, die zur Unterstützung des Behandlungsprozesses hinzugezogen werden können, ist in Deutschland insgesamt als unzureichend einzuschätzen.
4.3 Barrieren seitens der Behandelnden und der Betroffenen
Barrieren seitens der Fachkräfte im Gesundheitswesen
Als größtes Hindernis werden von den im Gesundheitswesen arbeitenden Professionen die unzureichende Qualifikation im Erkennen von Gewaltfolgen und im adäquaten Umgang mit der Problematik identifiziert [4, 131] . Die Mehrzahl der praktizierenden Ärzte, Ärztinnen und Pflegekräfte fühlt sich nicht ausreichend vorbereitet und kompetent, die Folgen körperlicher, sexualisierter und häuslicher Gewalt zu diagnostizieren. Vielen Behandelnden fehlt es zudem an Informationen über kommunale und regionale Hilfeangebote, wie z.B. Frauenhäuser, Frauenberatungsstellen, psychosoziale Beratungsstellen, Interventionsstellen und andere Einrichtungen für spezifische Zielgruppen wie Migrantinnen, behinderte Frauen und Mädchen (vgl. [4, 131, 138, 139] ). Befürchtungen vor möglichen Überforderungen erklären sich u.a. aus den engen Zeitvorgaben für den einzelnen Patientinnenkontakt, die nicht mehr einzuhalten sind, wenn eine Frau Gewalterfahrungen anspricht (»Opening Pandora's box«, [140] ) 13 . Des Weiteren sind stereotype Bilder von der »geschlagenen Frau« nach wie vor weit verbreitetet und können eine differenzierte Wahrnehmung beieinschränken. Grundsätzlich bemängeln Professionelle ihrerseits das Fehlen institutioneller Vorgaben und Richtlinien, die Handlungssicherheit im Umgang mit Gewaltbetroffenen vermitteln können [141] .
Barrieren seitens der Betroffenen
Es gibt verschiedene Barrieren, die die Betroffenen daran hindern aus eigener Initiative über Gewalterfahrungen mit Behandelnden im Gesundheitswesen zu sprechen. Frauen schweigen oft aus Angst und Scham sowie aus dem Gefühl heraus, für die erlittene Gewalt mitverantwortlich zu sein. Insgesamt führt andauernde Gewalt zu einer erheblichen Schwächung des Selbstwertgefühls und Selbstvertrauens. Betroffene sind darüber hinaus vielfach besorgt, dass die Polizei und andere Institutionen ohne ihr Einverständnis informiert werden könnten. Frauen berichten über Ängste vor erneuten Gewalttaten des Mannes (z.B. in Form von Racheakten), wenn die Gewalt »öffentlich« bzw. amtlich wird. Als potenzielle Barrieren werden auch strukturelle Gegebenheiten innerhalb des Gesundheitswesens, z.B. lange Wartezeiten und ein sehr rigider Zeitrahmen für die Behandlung, empfunden [4, 131] .
4.4 Über-, Unter- und Fehlversorgung als Folge des Nicht-Erkennens von Gewalt als Ursache gesundheitlicher Folgen
Die Versorgungssituation gewaltbetroffener Frauen ist oftmals von Medikalisierung, Ausblendung und Verdrängung der Problematik geprägt. Die Nichtberücksichtigung der Ursachen von Beschwerden von Seiten der Gesundheitsfachberufe kann eine erhöhte Inanspruchnahme gesundheitlicher Versorgungsleistungen zur Folge haben. Betroffene Frauen suchen z.B. häufiger gesundheitliche Versorgungseinrichtungen auf, weisen höhere Operationsraten und stationäre Aufenthalte auf und nehmen verstärkt psychosomatische Behandlungsangebote in Anspruch [1, 135, 142] .
Überdiagnostik und Überversorgung
In der gynäkologischen Versorgung werden mögliche Zusammenhänge zwischen Unterleibsbeschwerden und Gewalterfahrungen vielfach nicht in Betracht gezogen, so dass eine adäquate Behandlung nicht selten unterbleibt [142] . Dieses Defizit betrifft auch Patientinnen mit sexuellen Gewalterlebnissen in der Kindheit, bei denen körperliche Reaktionen und Symptome seltener vor dem Hintergrund traumatisierender Gewalterfahrungen wahrgenommen und dementsprechend nicht in die Behandlung einbezogen werden [131, 142, 143] . Gesundheitsfachkräfte in Rehabilitationseinrichtungen und psychosomatischen Kliniken gehen davon aus, dass bei einem großen Anteil von Patientinnen mit wiederholten Unterleibsoperationen (sog. »gynäkologischen Operationskarrieren«) Gewalterfahrungen vorliegen [135] .
Chronifizierungen
Das Nichterkennen von Gewalt als Ursache von Beschwerden und eine ausbleibende oder inadäquate Behandlung kann eine Chronifizierung der Symptome zur Folge haben sowie dauerhafte Behinderung und Beeinträchtigung (z.B. durch nicht versorgte Knochenbrüche und Verletzungen) bedingen [29, 131] .
Fehldiagnosen/Fehlbehandlung
Die Nichtberücksichtigung möglicher Gewaltbetroffenheit in der Behandlung physischer und psychischer Verletzungen kann in der Praxis zu Fehldiagnosen und folglich zur Fehlmedikation führen, die unter Umständen gravierende gesundheitsschädigende Auswirkungen für die Betroffenen hat. Dies gilt im Besonderen für die Verordnung psychotroper Medikamente (z.B. Beruhigungs- und Schlafmittel, Psychopharmaka, Stimulanzien) an Patientinnen, die über Angstund Panikattacken, Schlafstörungen, Nervosität, depressive Zustände, Antriebslosigkeit etc. berichten, ohne dass die zugrunde liegenden Ursachen hinreichend bekannt sind [145] . Beobachtet wurde, dass eine geschlechtsspezifische Verschreibungspraxis von psychotropen Medikamenten dazu beitragen kann, dass Frauen zerstörende Lebensverhältnisse (z.B. in einer Misshandlungsbeziehung) weiter ertragen [134, 143] . Symptome können infolge der Medikation abgeschwächt oder verschleiert werden, so dass eine ursachenadäquate Behandlung nicht möglich ist. Erfolgt eine Verschreibung von Psychopharmaka, ohne ausreichende ärztliche Kontrolle und Begleitung, droht eine physische und/oder psychische Substanzabhängigkeit der betroffenen Frauen [146] .
Die französische und die deutsche Repräsentativerhebung zu Gewalt gegen Frauen stellten unabhängig voneinander fest, dass Frauen, die in den letzen zwölf Monaten sowohl körperliche als auch sexuelle Gewalt erlebt hatten, signifikant häufiger Beruhigungsmittel oder hypnotisch wirkende Mittel konsumierten als Frauen ohne Gewalterfahrung [3, 147] . Dies deutet auch auf eine erhöhte Suchtgefährdung hin.
Dennoch kann eine sorgfältige und ursachenadäquate Verordnung von psychotropen Medikamenten für gewaltbetroffene Frauen entlastend wirken (z.B. bei Depressionen) und vor allem zur kurzfristigen Behandlung indiziert sein. Jegliche Medikation sollte jedoch in Absprache mit der Patientin, unter Berücksichtigung der aktuellen Lebenssituation und unter engmaschiger Kontrolle und Begleitung erfolgen [29, 145] .
4.5 Die Rolle von Gesundheitsfachkräften im Umgang mit Gewaltopfern (Erkennen von Gewalt - » red flags «)
Innerhalb einer nicht auf Gewalt spezialisierten Einrichtung, wie z.B. in einem Krankenhaus oder einer niedergelassenen Praxis, definiert sich die Rolle der Behandelnden primär durch den Auftrag der entsprechenden Institution und der Profession. Demnach wäre der Anspruch der Gesundheitsfachkräfte die problematische Lebenssituation gewaltbetroffener Patientinnen »lösen« oder die Situation häuslicher Gewalt »klären« zu wollen nicht nur unrealistisch, sondern auch angesichts fehlender Fachkompetenz eine nicht leistbare Überforderung [29, 146] . Dennoch ist die Tatsache, die erste Anlaufstelle für Gewaltbetroffene zu sein von zentraler Bedeutung. Mit welcher (Wert-) Haltung und Einstellung die Professionellen im Gesundheitswesen gewaltbetroffenen Frauen begegnen, ist nicht nur für deren aktuelles Befinden entscheidend, sondern zentrale Voraussetzung, ob weitergehende Hilfe akzeptiert und somit ein Prozess initiiert wird, der längerfristig zu Veränderung und Stabilisierung beitragen kann [29, 146] .
Die wichtigsten Aufgaben von Fachkräften im
Gesundheitswesen sind:
► | wahrzunehmen, dass häusliche Gewalt vorliegen könnte; |
---|---|
► | einen geschützten Raum anzubieten, in dem sich die Frau sicher und aufgehoben fühlen und Vertrauen entwickeln kann; |
► | Frauen mit Verständnis zu begegnen und mit geeigneten Interventionen zu ihrer Stabilisierung beizutragen; |
► | so weit wie möglich, Wissen über Rechte zu vermitteln und Frauen auf Angebote spezialisierter Stellen hinzuweisen. |
Gesundheitseinrichtungen, wie z.B. Kliniken, niedergelassene Praxen und Gesundheitszentren können eine wichtige Schnittstelle zwischen gewaltbetroffenen Frauen und spezifischen Hilfeeinrichtungen darstellen. Voraussetzung ist ein aktives Zuhören und Fragen nach Gewalterfahrung(en) im Behandlungskontext, dass ein sensibles Vorgehen sowie Kenntnisse über regionale Hilfestrukturen erfordert. Des Weiteren ist eine gerichtsverwertbare Dokumentation von akuten und zurückliegenden Verletzungen bzw. Verletzungsspuren und weiteren Beschwerden eine wichtige Voraussetzung für betroffene Frauen, um rechtliche Schritte einleiten zu können. Die Dokumentation ist nicht allein für den Fall einer strafrechtlichen Verfolgung bedeutsam, sondern auch für viele andere rechtsförmige Vorgänge, wie z.B. Trennungs- oder Scheidungsverfahren, Besuchs-, Umgangs- und Sorgerechtsregelungen, aufenthaltsrechtliche Verfahren sowie für Schutzanordnungen [4] .
Erkennen von häuslicher Gewalt - » Red Flags «
Wesentlich für die adäquate Behandlung gewaltbetroffener Frauen ist das Erkennen und Wahrnehmen von Indikatoren, die auf mögliche Gewalterfahrungen als Ursache von Beschwerden und Krankheitssymptomen verweisen.
Wie die Darstellung der potenziellen Gewaltauswirkungen
zu Beginn des Themenheftes zeigt,
sind die kurz-, mittel- und langfristigen gesundheitlichen
Folgen und Beschwerden vielfältig. Sie
sind abhängig von situativen Bedingungen, von
den Formen der Gewaltausübung, von der Gewaltintensität
sowie von individuellen Bewertungs-,
Wahrnehmungs- und Verarbeitungsprozessen.
Auf der Basis von Erfahrungen im Gesundheitsbereich
wurden wichtige Indikatoren, so genannte
»
Red Flags
«, als Warnzeichen für häusliche Gewalt
formuliert. Das gleichzeitige Auftreten mehrerer
dieser Indikatoren erfordert verstärkte Aufmerksamkeit
und weist auf eine hohe Wahrscheinlichkeit
von Gewalterfahrungen hin. Als so genannte
»
Red Flags
« gelten (vgl.
[4]
, aus dem englischen
übersetzt nach
[29,
148]
):
► | chronische Beschwerden, die keine offensichtliche physische Ursachen haben; |
---|---|
► | Verletzungen, die nicht mit der Erklärung, wie sie entstanden sind, übereinstimmen; |
► | verschiedene Verletzungen in unterschiedlichen Heilungsstadien; |
► | ein Partner, der übermäßig aufmerksam ist, kontrolliert und sich weigert von der Seite der Frau zu weichen; |
► | physische Verletzungen während der Schwangerschaft; |
► | später Beginn der Schwangerschaftsvorsorge; |
► | häufige Fehlgeburten; |
► | häufige Suizidversuche und -gedanken; |
► | Verzögerungen zwischen Zeitpunkt der Verletzung und Aufsuchen der Behandlung; |
► | chronische reizbare Darmstörungen; |
► | chronische Beckenschmerzen. |
Darüber hinaus kann auch das Auftreten der weiter oben beschriebenen Symptomatiken ein Anzeichen von aktueller oder zurückliegender Gewaltbetroffenheit sein und sollte bei Diagnostik und Behandlung entsprechend berücksichtigt werden.
5 Präventions- und Interventionsmöglichkeiten des Gesundheitswesens
In den letzten Jahren konnten in Deutschland Projekte und Interventionsprogramme zur Bekämpfung und Prävention von Gewalt und deren negativen Folgen initiiert werden. Maßgeblich dazu beigetragen hat der erste nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen. Damit wurde ein Gesamtkonzept auf den Weg gebracht, das die Förderung der Primärprävention und interinstitutionellen Kooperation im Blick hat und eine Vernetzung von Maßnahmen über alle staatlichen und institutionellen Ebenen hinweg vorsieht. Diese Entwicklung wird mit dem Aktionsplan II aufgegriffen und weitergeführt. Besonderer Handlungsbedarf wird zunehmend auch im Bereich der medizinischen Versorgung gesehen.
Verschiedene Maßnahmen zur Optimierung der gesundheitlichen Versorgung gewaltbetroffener Frauen wurden in den vergangenen Jahren bereits entwickelt. Sie sind bislang aber nur teilweise und punktuell in die Praxis umgesetzt worden (vgl. z.B. [4, 131, 149, 150] ) 14 .
5.1 Beseitigung von Kommunikationsbarrieren im Rahmen der Anamnese
Erfahrungsberichte und Untersuchungen zeigen, dass viele betroffene Frauen nicht von sich aus über erlittene Gewalt sprechen bzw. dazu tendieren, diese zu verheimlichen. Sie geben oft falsche Erklärungen für die Ursachen ihrer Verletzungen oder Krankheitssymptome an, wobei Angst und Scham wesentliche Faktoren sind. Sie befürchten, dass Behandelnde Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit haben könnten, und es fällt ihnen schwer, Vertrauen aufzubauen. Ängste vor Eskalationen bei Offenlegung der Gewalt oder im Falle einer Trennung stellen für die Betroffenen zentrale Hindernisse dar, die Problematik selber anzusprechen. Diese Angst ist nicht unbegründet, da die meisten Tötungsdelikte im Rahmen von häuslicher Gewalt im Trennungsprozess oder kurz danach zu verzeichnen sind [29, 146] . Ein weiterer Grund, warum betroffene Frauen schweigen, liegt häufig in der Schwierigkeit, die erlittene Gewalt in Worte zu fassen. Da Erinnerungen zudem eine Retraumatisierung zur Folge haben können, werden sie vielfach verdrängt [29, 145] .
Auf Seiten der Behandelnden im Gesundheitswesen sind direkte Fragen nach Gewalt eher selten, sei es aus der Hoffnung heraus, dass die betroffene Frau Vertrauen fasst und die Problematik selber anspricht oder aus der Befürchtung heraus, über die medizinische Versorgung hinaus ohnehin nicht weiterhelfen zu können. Erfahrungsberichte und internationale Untersuchungen verdeutlichen übereinstimmend, dass betroffene Frauen in der Regel den Wunsch hegen, unmittelbar auf die Gewaltfrage angesprochen zu werden (vgl. [131, 134, 151, 152] ). Sie empfinden es als eine Entlastung, wenn die Ursache ihrer Verletzungen und Beschwerden und damit die erlittene Gewalt als solche benannt wird, unabhängig davon, ob es sich um sichtbare Verletzungen (z.B. Frakturen und Hämatome) oder um verborgene Symptome (z.B. Angstattacken, chronische Schmerzen, Schlaflosigkeit) handelt. In der Begleitforschung zum S.I.G.N.A.L.-Interventionsprojekt befürworteten 80 % der befragten Frauen eine Routinebefragung über Gewalt im Kontext medizinischer Behandlung, wobei die Zustimmung bei gewaltbetroffenen Frauen sogar bei 86 % lag [29, 131] . In der Frauenklinik Maternité, Stadtspital Zürich, hat sich die Einführung des routinemäßigen Fragens im Rahmen der Anamnese als geeignet erwiesen, die Problematik häuslicher Gewalt zu enttabuisieren und betroffenen Frauen adäquate Unterstützung anzubieten [29, 146] . Ob es sich empfiehlt, Patientinnen grundsätzlich nach Gewalt zu fragen oder nur angesichts bestimmter Beschwerden und Symptome, wird von Experten und Expertinnen unterschiedlich eingeschätzt. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass Gesundheitsfachkräfte gut informiert sind und sensibel vorgehen. In internationalen Studien wurde festgestellt, dass routinemäßige Befragungen (sog. Screenings ) Fortbildungsangebote und Trainingsmaterialien erfordern, um Kompetenzbarrieren und persönliche Widerstände seitens der Behandelnden zu überwinden (vgl. [18, 21, 153, 154, 155] ).
Andere Kommunikationsbarrieren entstehen auch dadurch, dass Betroffene in manchen Fällen nicht alleine zur ärztlichen Untersuchung kommen können oder dürfen. Sie werden begleitet und unterliegen entsprechend der Kontrolle der/ des Begleitenden. Bei Migrantinnen mit eingeschränkten oder fehlenden Deutschkenntnissen werden Familienangehörige oftmals als Übersetzer und Übersetzerinnen eingesetzt. Dies ist bei Gewaltbetroffenen höchst problematisch. Nichtdeutschsprachige Patientinnen sollten unbedingt die Möglichkeit haben, sich mit Hilfe einer professionellen Sprachmittlerin geschützt mitteilen zu können [4, 173] . Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass aus kulturellen und religiösen Gründen das Sprechen über sexuelle Gewalt bei Migrantinnen mitunter noch stärker tabuisiert ist als bei deutschen Frauen [3] .
Wenn Frauen mit Behinderungen von Gewalt betroffen sind, sind Täter häufig Personen zu denen ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht und die ihre Hilflosigkeit und/oder Einschränkungen, z.B. in der Selbstbestimmung, ausnutzen. Auch hier gilt, dass Frauen nicht im Beisein der Begleitperson nach Gewalterfahrungen gefragt werden sollten. Frauen mit körperlichen Einschränkungen (z.B. in der Hörleistung) sollten sich in einem geschützten Rahmen mit einer gebärdendolmetschenden Person verständigen können [29, 173] . Zu Recht wird von Interessenvertreterinnen kritisiert, dass gehörlose Frauen und Mädchen oftmals nicht über die Möglichkeiten der für sie kostenlosen Bereitstellung von Gebärdensprachdolmetscher/ innen informiert seien bzw. Gesundheitseinrichtungen dieses Angebot nur selten aus eigener Initiative organisieren und hinzuziehen würden 15 . Gerade der Umgang mit gewaltbetroffenen Frauen mit geistigen Behinderungen und Lernbehinderungen stellt besondere Anforderungen an Gesundheitsexperten und -expertinnen, die jedoch in der Regel kaum über behinderungsspezifische Behandlungserfahrungen und Fachkenntnisse verfügen.
5.2 Bereitstellung und Verbreitung von qualifiziertem Informationsmaterial
Für Fachkräfte im Gesundheitswesen ist die Kenntnis kommunaler und regionaler Hilfeangebote, Netzwerke und Einrichtungen für spezifische Zielgruppen zentrale Voraussetzung in der Realisierung eines unterstützenden Umgangs mit gewaltbetroffenen Frauen. Frauen, die über kein soziales Unterstützungsnetz verfügen und z.B. durch den gewalttätigen Partner sozial isoliert werden, haben kaum Zugang zu relevanten Informationen über ihre Rechte und über Hilfsmöglichkeiten. Dies gilt ebenso für behinderte Frauen, die z.B. in betreuten Wohngemeinschaften leben. Umso wichtiger ist es, dass Einrichtungen im Gesundheitswesen Wissen verfügbar machen und Informationen über grundlegende Rechte und Angebote bereitstellen, die Betroffene darin unterstützen können erforderliche Schritte aus dem Gewaltkreislauf heraus zu unternehmen. Diese Informationen können in Form von »Notfallkarten« mit wichtigen Adressen, kurzen Informationsbroschüren oder Merkblättern in den Wartezimmern niedergelassener Praxen, in Krankenhäusern, in Geburtshäusern, in zentralen Anlaufstellen im Stadtteil (z.B. Frauen- und Müttertreffpunkte) etc. ausgelegt werden (die Notfallkarten vorzugsweise auch in Waschräumen, Toiletten und Umkleidekabinen). Betroffenen Frauen wird so ermöglicht, zu einem selbst gewählten Zeitpunkt Kontakt zu spezialisierten Beratungseinrichtungen aufzunehmen. Auch ausgehängte Plakate können signalisieren, dass Kenntnis und Erfahrung im Umgang mit der Gewaltproblematik besteht [4, 131] . Viele Beratungs- und Hilfsangebote verfügen mittlerweile über mehrsprachige Informationsmaterialien, so dass auch Migrantinnen berücksichtigt werden. Dies ist aber nur dann sinnvoll, wenn die Einrichtungen Beratungsangebote in den jeweiligen Sprachen vorhalten. Letztlich können auch mit ausgelegten Informationsmaterialien lediglich bestimmte Zielgruppen erreicht werden. Für Betroffene mit mangelnder Schulbildung oder mit Lernschwächen sowie für behinderte Frauen mit Sinnesbeeinträchtigungen (z.B. Sehschwächen) sind schriftliche Informationsmedien nur bedingt geeignet. Zu berücksichtigen bleibt zudem, dass Migrantinnen und Frauen mit Behinderungen oftmals einen eingeschränkten Zugang zur gesundheitlichen Versorgung haben und deshalb zusätzlich über andere Wege außerhalb des Gesundheitswesens angesprochen werden müssen.
5.3 Aus-, Fort- und Weiterbildung aller Berufsgruppen des Gesundheitswesens
Prävention von und Intervention gegen Gewalt sollten als eine interdisziplinäre Aufgabe begriffen werden, an der alle Berufsgruppen des Gesundheitswesens beteiligt sind. In Aus-, Fort- und Weiterbildung ist die Bedeutung der Gesundheitsversorgung für die Intervention und Prävention bei Gewalt zu vermitteln und die verschiedenen Professionen sind für die Thematik zu sensibilisieren. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe »Häusliche Gewalt« hat hierzu Standards und Empfehlungen für die Aus- und Fortbildung erarbeitet, in denen wichtige inhaltliche und methodische Hinweise, Empfehlungen für Organisation und Rahmenbedingungen sowie berufsspezifische Aspekte formuliert werden [29, 156] .
In allen Fortbildungskonzepten sollten Einheiten zur Sensibilisierung für die Situation von Migrantinnen, behinderten Frauen und Mädchen sowie anderen Minderheiten und vulnerablen Bevölkerungsgruppen integriert und die spezifischen Anforderungen an Beratung und Intervention vermittelt werden. Empfohlen wird, die Fortbildungen von einem interdisziplinären Team durchführen zu lassen, wobei eine Trainerin aus der jeweiligen Berufsgruppe und eine aus einer Frauenunterstützungseinrichtung rekrutiert werden sollten.
Auf dem 110. Deutschen Ärztetag appellierten die Delegierten an die Ärzteschaft, insbesondere an die betroffenen Fachgruppen (z.B. Pädiatrie, Allgemeinmedizin und hausärztliche Versorgung, Öffentlicher Gesundheitsdienst, Chirurgie und Gynäkologie), im Rahmen ihrer Betreuung von Familien, Kindern und Notfallopfern auf Zeichen häuslicher Gewaltanwendung zu achten und betroffene Personen und Familien adäquat kurativ und präventiv zu betreuen. Entsprechend sollte das Thema »häusliche Gewalt« regelmäßig in der medizinischen Ausbildung behandelt, als Fortbildungsmodul in die 80-Stunden-Blöcke zur psychosomatischen Grundversorgung aufgenommen und in praxisrelevanten Veranstaltungen angeboten werden (Entschließungen des 110. Ärztetages 2007).
An den auf das S.I.G.N.A.L.-Interventionsprojekt basierenden » Train-the-Trainer «-Seminaren 16 zu Gewalt gegen Frauen und Gesundheit beteiligen sich aus dem Gesundheitssektor vor allem Pflegekräfte, Therapeutinnen und Therapeuten, Hebammen, Physiotherapeutinnen und -therapeuten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus Gesundheitszentren, aber auch Ärztinnen und Ärzte. Die » Train-the-Trainer «-Seminare zielen auf die Fortbildung von Fachkräften zum Thema Prävention und Intervention in der Gesundheitsversorgung gegen häusliche Gewalt. Die Teilnehmenden werden in den Seminaren dazu qualifiziert, Schulungen für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Krankenhäusern durchzuführen und sich an der Einführung von Interventionsprogrammen gegen häusliche Gewalt in der ambulanten und stationären Versorgung zu beteiligen.
Im Ausland kommt zunehmend den Pflegekräften eine bedeutende Rolle in der Intervention und auch Dokumentation zu. Hierfür werden sie in Aus- und Weiterbildung geschult. Das Konzept » forensic nursing « hat sich in Deutschland allerdings noch nicht durchgesetzt.
5.4 Leitlinien für die Behandlung von und den Umgang mit Gewaltopfern
In verschiedenen Bundesländern wurden von interdisziplinären Arbeitsgruppen Leitfäden und Empfehlungen für den adäquaten Umgang mit gewaltbetroffenen Frauen für Ärztinnen und Ärzte erstellt und verbreitet 17 . Sie thematisieren das Ausmaß von Gewalt, gesundheitliche Folgen, das Erkennen von (z.B. körperlichen, seelischen, psychosomatischen) Indikatoren für Gewalt, sensible Gesprächsführung, gerichtsverwertbare Dokumentation der Verletzungen sowie die Rolle der Behandelnden in der Weitervermittlung an spezifische Unterstützungseinrichtungen. Darüber hinaus werden Empfehlungen für sensible und respektvolle Behandlungsschritte gegeben, um negative Gefühle und Ängste betroffener Frauen nicht zu verstärken. Grundkenntnisse über Posttraumatische Belastungsstörungen werden vermittelt und Materialien für die Dokumentation psychischer Folgen bereitgestellt.
Für die Dokumentation der Verletzungen bei häuslicher und sexualisierter Gewalt werden Anleitungen und Dokumentationsbögen angeboten und rechtsmedizinische Aspekte erörtert. Des Weiteren sind die rechtlichen Rahmenbedingungen wie z.B. Schweige- und Meldepflicht, Gewaltschutz- und Polizeigesetz, sowie Opferentschädigungsgesetz aufgeführt. Alle Leitfäden enthalten Kontaktadressen, entweder von regionalen Unterstützungseinrichtungen oder aber von landesweiten Dachverbänden der Frauenunterstützungseinrichtungen.
Bislang liegen kaum Erfahrungswerte vor, inwiefern die Leitfäden in der Praxis erfolgreich angewendet werden. Da Unsicherheiten im Umgang mit der Gewaltproblematik im Gesundheitswesen noch weit verbreitet sind, schätzen Experten und Expertinnen im Hinblick auf die Implementierung schriftlicher Leitlinien den Bedarf begleitender Schulungen unterschiedlich ein. In jedem Fall ist davon auszugehen, dass Leitlinien zur Aufklärung, Wissensvermittlung und Handlungssicherheit beitragen können.
Ein einstimmiger Beschluss der 16. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder 2006 war dementsprechend die Aufforderung, eine Untersuchung in Auftrag zu geben, die die unterschiedlichen Maßnahmen und Methoden für eine adäquate gesundheitliche Versorgung der von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen und Kinder vergleicht 18 . In die Evaluation einbezogen werden sollen Materialien und Methoden zur Sensibilisierung und Fortbildung der Beschäftigten des Gesundheitswesens im Hinblick auf Qualität sowie Akzeptanz bei den Zielgruppen, sowie Erfahrungen mit Strategien einer berufs- und institutionsübergreifenden örtlichen Zusammenarbeit zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung in diesem Bereich.
Weitere sinnvolle Maßnahmen und Umsetzungsmöglichkeiten,
die in der Expertise für die
Enquêtekommission »Zukunft einer frauengerechten
Gesundheitsversorgung in Nordrhein-
Westfalen«
[4]
identifiziert und dort auch detailliert
beschrieben wurden, sind:
► | Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung; |
---|---|
► | Aufbau von Kooperationsnetzen und Verbundprojekten; |
► | Entwicklung und Festlegung von Qualitätsstandards; |
► | Übernehmen von Ergebnissen und Erfahrungen guter Praxis ( Good Practice Modelle); |
► | Stärkung der Rechte von Patient/innen. |
6 Beispiele guter Praxis für Prävention und Intervention
In Deutschland wurden in den letzten Jahren verstärkt Initiativen und Projekte zur Einbindung des Gesundheitswesens in Intervention und Prävention bei häuslicher und sexualisierter Gewalt auf regionaler Ebene erprobt und » Good-Practice - Konzepte« aus dem Ausland übernommen. Im Rahmen dieses Themenheftes können lediglich einige exemplarische Beispiele guter Praxis aufgegriffen werden.
6.1 Das S.I.G.N.A.L.-Interventionsprogramm
Als erstes Projekt in Deutschland, das häusliche
Gewalt gegen Frauen innerhalb eines Krankenhauses
fokussierte, wurde im Jahr 1999 das S.I.G.N.A.L.-Interventionsprogramm (
www.signal-intervention.de/inhalt/trainer.pdf
) am Berliner Universitätsklinikum
Benjamin Franklin (CBF)
19
in der
Ersten Hilfe/Notaufnahme implementiert. Das S.I.G.N.A.L-Projekt wurde als Kooperationsmodell
konzipiert, an dem klinikinterne Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen und externe Fachkräfte aus
Frauenberatungs- und Frauenzufluchtseinrichtungen
beteiligt waren
20
.
Inhaltlich orientierte sich das Projekt an internationalen
Interventionsprojekten. Die zentralen
Handlungsschritte und -ziele des Interventionsprogramms
werden durch das S.I.G.N.A.L.-Akronym
beschrieben.
S | Sprechen Sie die Patientin an, signalisieren Sie ihre Bereitschaft. Frauen öffnen sich, wenn sie spüren, dass ihre Situation verstanden wird. |
---|---|
I | Interview mit konkreten einfachen Fragen. Hören Sie zu, ohne zu urteilen. Den meisten Frauen fällt es schwer, über Gewalterlebnisse zu sprechen. |
G | Gründliche Untersuchung alter und neuer Verletzungen. Verletzungen in unterschiedlichen Heilungsstadien können Hinweise auf häusliche Gewalt sein. |
N | Notieren und dokumentieren Sie alle Befunde und Angaben, so dass sie gerichtsverwertbar sind. |
A | Abklären des aktuellen Schutzbedürfnisses. Schutz und Sicherheit für die Patientin sind Grundlage und Ziel jeder Intervention. |
L | Leitfaden mit Notrufnummern und Unterstützungsangeboten anbieten. Frauen werden zu einem für sie richtigen Zeitpunkt von ihnen Gebrauch machen. |
Für die Umsetzung des Programms und die Integration in den Alltag der medizinischen und pflegerischen Versorgung wurden Fortbildungskonzepte für pflegerische und ärztliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen entwickelt und durchgeführt sowie gerichtsverwertbare Dokumentationsbögen und Informationsmaterialien für betroffene Patientinnen bereitgestellt. Neben internen Kooperationsstrukturen zur Sicherstellung einer adäquaten Unterstützung und Versorgung gewaltbetroffener Patientinnen bei stationärer Aufnahme wurden externe Kontakte mit Unterstützungs- und Hilfeeinrichtungen aufgebaut sowie kontinuierliche in- und externe Öffentlichkeitsarbeit geleistet. In der dreijährigen Modellphase erfolgte eine begleitende Evaluation zur Überprüfung und Weiterentwicklung des Projektes.
Die Beschäftigten des Klinikums betrachten S.I.G.N.A.L. als notwendiges und sinnvolles Programm, um die Versorgung gewaltbetroffener Patientinnen zu verbessern. Im Rahmen des Projekts konnten entsprechende Versorgungsstandards und Handlungskompetenzen entwickelt und vermittelt werden. Anfängliche Befürchtungen seitens des Personals, das S.I.G.N.A.L.-Projekt könnte mit zusätzlichen zeitlichen und inhaltlichen Belastungen verbunden sein, wurden im Verlauf des Projekts weitgehend zerstreut. Dabei erwiesen sich klare Regelungen von Verantwortlichkeiten sowie die Formulierung von Handlungsmöglichkeiten und -grenzen vor allem für die Pflegekräfte als bedeutsame Richtlinien [29] .
Erkenntnisse aus der nationalen und internationalen Evaluationsforschung 21
Nationale und internationale Evaluationsergebnisse zeigen, dass Initiativen und Projekte, die auf eine Praxisveränderung in Institutionen des Gesundheitsbereichs zielen, die Unterstützung seitens der Führungsebene benötigen. Eine klare Verbindlichkeit der verantwortlichen Führungspersonen - Krankenhausvorstand und professionelle Verbände - verleihen den notwendigen Veränderungen die essentielle Glaubwürdigkeit. Projekte und Initiativen ohne Unterstützung seitens der Leitungsebene stützen sich hauptsächlich auf das Engagement einzelner Professioneller. Eine nachhaltige Implementierung ist unter diesen Umständen kaum möglich [131, 158, 159] .
Als ein effizienter Ansatz für institutionelle Interventions- und Präventionsmaßnahmen bei Gewaltbetroffenen in Krankenhäusern hat sich die Gründung einer interdisziplinären, abteilungsübergreifenden Steuerungsgruppe bewährt, an der externe Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus der Anti-Gewalt-Arbeit beteiligt sind, um eine organisatorische Politik hinsichtlich neuer Interventionspraktiken bei Opfern von Gewalt zu entwickeln. Externe Experten und Expertinnen können nicht nur das fachliche Wissen zur Gewaltthematik, das Wissen um Unterstützungsbedarfe betroffener Frauen, sondern auch Kenntnisse regionaler Unterstützungsmöglichkeiten einbringen. Die klinikinternen Fachberufe verfügen ihrerseits über die pflegerischen und ärztlichen Fachkompetenzen sowie über die internen Kenntnisse der institutionellen Arbeitsabläufe [131, 158] .
6.2 Medizinisches Kompetenzzentrum für Gewaltopfer in Hamburg
In Hamburg wird seit 1998 eine klinisch-rechtsmedizinische Untersuchung von verletzten Gewaltopfern im Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf ( www.uke.uni-hamburg.de/institute/rechtsmedizin/ ) als niedrigschwelliges Angebot durchgeführt. Alle Opfer von Gewalt werden auf eigenen Wunsch, unabhängig von einer Anzeige bei der Polizei, kostenlos untersucht. Im Rahmen der Sofort-Hilfe werden Verletzungen dokumentiert, Spuren gesichert und rechtsmedizinische, gerichtsverwertbare Gutachten erstellt. Der Aspekt der Psychotraumatisierung konnte durch ein am Institut für Rechtsmedizin bestehendes Angebot psychologischer Krisenintervention aufgefangen werden [29, 160] . Des Weiteren wird schnelle professionelle Hilfe für Kinder, die Zeugen und/oder selbst Opfer von Gewalt wurden, angeboten. Die Hamburger Initiative hat das Ziel, den Versorgungsbedarf bei Gewaltopfern zu erkennen, das Angebot des rechtlichen Opferschutzes zu optimieren und die Rechtsmedizin als integrierendes und vernetzendes Element im existierenden regionalen Hilfesystem zu etablieren.
Ein ähnlich differenziertes Modell existiert seit 1987 am Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern. In den letzten Jahren hat die klinische Rechtsmedizin in Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern weitere Praxismodelle zur Versorgung von Gewaltbetroffenen etabliert und der multizentrische Austausch zu Praxis- und Forschungsfragen wurde intensiviert. Sowohl die Deutsche als auch die Schweizerische Gesellschaften für Rechtsmedizin haben Arbeitskreise zur klinischen Rechtsmedizin konstituiert. Diese verfolgen das Ziel, die Qualitätsentwicklung der eigenen Praxis, die systematische Kooperation innerhalb des Gesundheitswesens und mit weiteren Organisationen vor Ort wie auch die Forschung zu Gewaltfolgen nach abgestimmten Kriterien überregional voranzubringen. In Betracht gezogen wird die Erarbeitung von formell verbindlichen Richtlinien 22 .
6.3 Das Netzwerk »Gesine«
Das Netzwerk »Gesine« (vgl. [29, 161] ) hat zur Verbesserung der Interventionen gegen Gewalt an Frauen und Kindern praxisorientierte Umsetzungsstrategien entwickelt und unterschiedliche Akteure des Gesundheitswesens und der psychosozialen Versorgung gemeinsam mit Expertinnen und Experten aus spezifischen Unterstützungseinrichtungen in ein Kooperationsmodell eingebunden ( www.gesine-intervention.de ). Ziel ist es, praxisnahe und effektive Wege für eine gewaltsensible Gesundheitsversorgung im Ennepe-Ruhr-Kreis (NRW) anzubieten. Angesprochen sind z.B. Ärztinnen und Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen, Kliniken, Pflegeberufe, Therapeutinnen und Therapeuten, Beratungseinrichtungen, Hebammen und medizinische Assistenzberufe. Zentrale Handlungsleitlinien des Netzwerkes sind die Niederschwelligkeit der Angebote als oberstes Prinzip und die Verlässlichkeit, dass die vereinbarten Standards eingehalten werden. Das Engagement für einen nach wie vor tabuisierten Themenbereich bedarf zusätzlich einer »win-win-Situation« für alle Beteiligten. Der Zugewinn an Sicherheit im Umgang mit dem Thema Gewalt, die Generierung plausibler Erklärungsansätze für Symptome und schwer zu interpretierende Verhaltensweisen sowie die Verlässlichkeit einer effektiven Weitervermittlungspraxis bieten hierfür die Basis. Durch die Anbindung des Netzwerkes an die bestehende kommunale Infrastruktur und die Mitarbeit am sog. »Runden Tisch zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen« im Ennepe-Ruhr-Kreis besteht die Möglichkeit, relevante Berufsgruppen, wie z.B. Justiz, Polizei und Sozialverwaltungen, über die Angebote zu informieren. Eine Eingliederung weiterer Partner/innen in das derzeit etwa 50 Beteiligte umfassende Netzwerk ist im Konzept möglich und vorgesehen, doch angesichts der knappen personellen Ressourcen für die Koordination und für die spezifische Beratung betroffener Frauen derzeit nicht umsetzbar. Rückmeldungen seitens der Netzwerkpartner/innen und der gewaltbetroffenen Frauen finden in konzeptioneller Hinsicht Berücksichtigung und sollen somit zur Optimierung der Netzwerkpraxis beitragen [29, 161] .
6.4 Kooperation zwischen Hebammen und gynäkologischen Fachärztinnen und Fachärzten
Da das Gesundheitswesen kein einheitliches, hierarchisch gegliedertes System ist, sondern aus zahlreichen unabhängigen Akteuren besteht, bietet es sich an, Kooperationsformen zu entwickeln, die auf ein bestimmtes Handlungsfeld oder einen bestimmten Gesundheitsbereich zielen.
Für dieses Vorgehen stellt die Zusammenarbeit von Gynäkologinnen/Gynäkologen und Hebammen, die gegenwärtig an vielen Orten verstärkt erprobt wird, ein hervorragendes Beispiel dar. Hebammen bringen in diese Kooperation die Vorteile eines vertrauensbildenden Settings, Möglichkeiten einer Förderung der Eigenverantwortlichkeit von Frauen sowie einer intensiven Familienbegleitung durch regelmäßige Hausbesuche ein. Die Rahmenbedingungen und Potenziale der Hebammentätigkeit, akute Gewalterlebnisse oder -gefährdungen schwangerer Frauen wahrzunehmen und anzusprechen sind als besonders gut einzuschätzen [163] . Hebammen können sexualisiert traumatisierte Frauen während der Schwangerschaft und Geburt umfassend begleiten und dazu beitragen, die Entwicklung angstinduzierter, pathologischer Störungen zu verhindern bzw. abzumildern [164] . Erfahrungen mit der Kooperation zwischen Gynäkologen und Gynäkologinnen sowie Hebammen in der gemeinsamen Betreuung und Begleitung von Schwangeren zeigen, dass z.B. traumatisierten Frauen durch die berufsspezifischen Rollenverteilungen ein hohes Maß an Sicherheit und Stabilität gewährt werden kann. Durch professionelle Kompetenz und psychosoziale Begleitung können Zusammenhänge zwischen sexueller Gewalt und möglicherweise auftretenden gesundheitlichen Problemen (z.B. Schwangerschaftskomplikationen) frühzeitig erkannt und thematisiert bzw. medizinisch behandelt werden. Dies kann unter Umständen den Einsatz von Medikamenten oder eine stationäre Behandlung ersetzen [4] .
Dieser für Deutschland neue Ansatz der integrierten medizinischen und psychosozialen Betreuung von Schwangeren stützt sich auf Konzepte aus dem Ausland und ist medizinisch abgesichert durch Forschungsergebnisse der Evidence-based medicine (EBM) [165] .
Die 2001 gegründete interdisziplinäre Arbeitsgruppe »Sexualisierte Gewalt gegen Frauen und die Auswirkungen auf Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett« TARA 23 besteht aus Fachfrauen unterschiedlicher Berufsgruppen wie Hebammen, Frauenärztinnen, Psychologinnen und (Sozial-) Pädagoginnen. Angesprochen werden zudem Kinderkrankenschwestern, Kinderärztinnen und Stillberaterinnen. Die Arbeitsgruppe arbeitet seit 2006 an Empfehlungen zur Begleitung gewaltbetroffener Frauen in Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Stillzeit. Es wird angeregt, das Thema Gewalt gegen Frauen in die Curricula der Hebammenausbildung aufzunehmen.
7 Fazit - Forschungs- und Handlungsfelder für die gesundheitliche Versorgung von Gewaltopfern
Die im vorliegenden Themenheft dokumentierte Gewaltbetroffenheit vorrangig von Frauen, aber auch von Männern und Kindern, unterstreicht die Relevanz des Gesundheitssektors als einen niedrigschwelligen Präventions- und Interventionsbereich. Nachdem die Gewaltthematik, und hier speziell häusliche Gewalt, in den zurückliegenden Jahren verstärkt in das Bewusstsein der Öffentlichkeit und der Fachöffentlichkeit, insbesondere in den psychosozialen Beratungsstellen, der Strafverfolgung wie auch der Justiz gerückt ist, beginnt nun zunehmend auch die Wahrnehmung und Sensibilisierung für die Thematik innerhalb der Gesundheitsversorgung. Dabei kommt der Ärzteschaft in Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen eine Schlüsselrolle zu. Auf einem gemeinsamen Fachsymposium der Bundesärztekammer und des Bundesministeriums für Gesundheit »Gesundheitliche Folgen häuslicher Gewalt gegen Frauen« (2007) wurden bestehende Aktivitäten erörtert und neue Impulse im Umgang mit der Thematik für Akteure im Gesundheitswesen entwickelt. Komplexe Problemsituationen, wie häusliche Gewalt, erfordern vielschichtige Interventionen und verlangen nach integrierten Hilfen, innerhalb derer die Gesundheitsversorgung einen zentralen Stellenwert einnimmt. Anregungen positiver Ansätze, z.B. in der Erprobung neuer Präventions- und Interventionsmodelle in einzelnen Bundesländern, sind verstärkt aufzugreifen, um bestehende Defizite in der systematischen Implementierung gesundheitsbezogener Hilfen zu beseitigen und um die in Bezug auf die Gewaltproblematik auf verschiedenen Ebenen des Gesundheitssystems bestehende Unter- und Fehlversorgung zu verringern.
Forschungsbedarf
Im Vergleich zur Relevanz der Gewaltproblematik sind die vorhandenen Forschungs- und Datenlücken in Deutschland als beträchtlich einzuschätzen. Bislang wurden lediglich ausgewählte Zusammenhänge zwischen Gewalt und Gesundheit untersucht. Gesundheitsfolgen und Komorbiditäten (z.B. posttraumatische Belastungsstörung und Demenz) in spezifischen Zielgruppen (z.B. ältere Frauen mit sexualisierten Gewalterfahrungen) und daraus abzuleitender Versorgungsbedarf wurden bislang weitgehend vernachlässigt. Vergleichbar wenig erforscht ist die mögliche Potenzierung gesundheitlicher Folgen von Gewalt, die Rolle biografisch bedingter Risikofaktoren für Gewalterfahrungen und gesundheitliche Folgebeschwerden sowie die Frage nach geschlechtsspezifischen Unterschieden im Kontext sexueller und/oder häuslicher Gewalt. Hinzu kommt, dass die in der Tradition der Frauengesundheitsforschung stehende Untersuchung der gesundheitlichen Folgen von Gewalt bislang vorwiegend Frauen und Mädchen als Gewaltopfer in den Blick nimmt. Demgegenüber werden Jungen und Männer, z.B. als Betroffene von sexuellem Missbrauch und häuslicher wie außerhäuslicher Gewalt, erst seit wenigen Jahren überhaupt als eine relevante Opfergruppe wahrgenommen und als Zielgruppe gendersensibler Gesundheitsforschung und -versorgung definiert [36] . Für die (Weiter-)Entwicklung frauen- und männergerechter Versorgungskonzepte gilt es diese » black box « zum Problemkomplex Gewalt sowohl über gesundgeschlechtsspezifische als auch über gendersensible Forschungsprojekte weiter zu erhellen. Eine zentrale Grundlage hierfür sind einheitliche Datenerfassungssysteme, die konsistente Informationen bereitstellen.
Darüber hinaus sind die gesundheitlichen Folgen von Gewalt bei besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppen (z.B. Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlinge, Obdachlose, Menschen mit Behinderungen, Prostituierte) noch weitgehend unerforscht. Hier spielt neben physischer und sexualisierter Gewalt auch die psychische Gewalt in Form von gesellschaftlichen und im sozialen Nahraum erfahrenen Diskriminierungen und Einschränkungen eine besondere Rolle. Versorgungskonzepte, die kultursensibel und kompetent Unterstützung für diese Zielgruppen auch im Bereich der Gesundheitsversorgung bereitstellen, sind bislang in Deutschland kaum entwickelt.
Schließlich fehlt es weiterhin an Instrumenten einer kontinuierlichen Wirksamkeitsanalyse von Interventionen und Präventionsmaßnahmen in der Praxis, die es ermöglichen festzustellen, ob die Maßnahmen tatsächlich zielgerichtet und erfolgreich implementiert werden können und wo gegebenenfalls Modifizierungen und Weiterentwicklungen sinnvoll sind.
(Häusliche) Gewalt im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung
Informationen zum Versorgungsbedarf von Gewaltbetroffenen, die Entwicklung von gesundheitsbezogenen Interventionen, ihre Implementierung und Evaluation sind unmittelbar mit der Weiterentwicklung und Optimierung der aktuell unzulänglichen Datenlage verknüpft. Verfügbare Routinedaten (z.B. Klinikentlassungsberichte, Mortalitäts- und Kriminalstatistiken) geben lediglich Auskunft zu ausgewählten Einzelaspekten, während Begleitumstände und Rahmenbedingungen von Gewaltübergriffen (z.B. detaillierte Informationen über Gewaltereignisse, Verletzungsarten etc.) in der Regel nur schwer zu generieren sind [166] . Für eine qualifizierte Gesundheitsberichterstattung, die bundesweite Aussagen zur Prävalenz häuslicher Gewalt erlaubt, differenzierte Aussagen zu gesundheitlichen Folgen von Gewalt ermöglicht sowie Zusammenhänge zu sozialer Lage und Lebensbedingungen aufzeigen kann, sind repräsentative, valide und kontinuierlich erhobene Daten in Ergänzung zur amtlichen Statistik, zu Prozessdaten, Beobachtungspraxen ( Sentinels ) und klinischen Studien erforderlich. Auf europäischer Ebene wird gegenwärtig in Anlehnung an die WHO und die international Classification of External Causes of Injuries (ICECI) ein so genanntes Verletzungssurveillancesystem erarbeitet; im Rahmen der europäischen und internationalen Gewaltprävalenzforschung wird zudem ein standardisiertes Modul zur Erfassung von (häuslicher) Gewalt gegen Frauen entwickelt und diskutiert. Ein solches Modul in Ergänzung zu einem » Minimum Data Set for injury surveillance « (MDS-Is, siehe www.rivm.nl/whofic/ICECIeng.htm ) könnte - in Abstimmung mit aktuellen internationalen Standardisierungs- und Modulentwicklungen zur Erfassung von Gewalt und deren Folgen im Rahmen der Gesundheitsund der Gewaltprävalenzforschung - auch für die deutsche Berichterstattung ein zentrales Instrument darstellen, um Daten über Gewaltausmaße, -kontexte und Gesundheitsfolgen systematisch und langfristig zu erfassen [21, 23, 167, 168] .
Eine konsistente Datenbasis ist eine zentrale Voraussetzung, potenzielle Risikogruppen und gesundheitliche Folgen von Gewalt in der Gesundheitsversorgung erkennen und behandeln zu können. Die Aufnahme von Gewaltviktimisierungen in den Bundesgesundheitssurveys, die Durchführung von Langzeitstudien, die Implementierung von Sentinels, Surveillance- und Dokumentationssystemen für gewaltbedingte Verletzungen sowie die Verankerung von Routinebefragungen durch Fachkräfte innerhalb der Gesundheitsversorgung stellen Möglichkeiten zur Verbesserung der Datenlage dar [166] .
Präventionspotenziale in der gesundheitlichen Versorgung von Gewaltopfern
Der Weltgesundheitsbericht zu Gewalt und Gesundheit [1] verdeutlicht ebenso wie die im Jahr 2005 durchgeführte » Multi-Country Study on Women's Health and Domestic Violence against Women « der WHO [21] , dass der Gesundheitssektor vielfältige Anknüpfungspunkte zur Verankerung präventiver Interventionen in der gesundheitlichen Versorgung von Gewaltbetroffenen bietet (vgl. [166] ). Wie bereits ausgeführt werden auch in Deutschland mittlerweile zahlreiche Modellprojekte mit institutionsspezifischen Handlungskonzepten in verschiedenen Bundesländern erprobt. Nachdem erste Modellprojekte sich auf den Bereich der Krankenhäuser bezogen (siehe S.I.G.N.A.L.), wird nun im Rahmen des zweiten Aktionsplanes der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen seit 2008 ein weiteres wissenschaftlich begleitetes Projekt zur Einbindung der niedergelassenen Ärzteschaft in die Intervention (MIGG - Medizinische Intervention gegen Gewalt) durch das BMFSFJ gefördert. Ein Teil des Projektes wird von der Rechtsmedizin in Düsseldorf geleitet und somit auch der Stellenwert der Rechtsmedizin verdeutlicht, das zweite Teilprojekt ist ein Kooperationsprojekt von Gesine und S.I.G.N.A.L.
Ein weiteres Projekt »SELBST - Selbstbewusstsein für behinderte Mädchen und Frauen (§ 44 SGB IX)«, das auch die Erfordernisse an die Rehabilitationsleistung der Übung zur Stärkung des Selbstbewusstseins im Rehabilitationssport (Ergänzungsleistung zur medizinischen Rehabilitation) im Fokus hat, ist im Aktionsplan II der Bundesregierung genannt. Die Übungen zur Stärkung des Selbstbewusstseins sollen Schutz auch im Sinne von Prävention leisten, indem sie den Mädchen und Frauen die Möglichkeit geben, ihr Recht auf (sexuelle) Selbstbestimmung wahrzunehmen und einzuüben.
Aus der Präventionsperspektive ist bislang eine deutliche Dominanz von Maßnahmen und Angeboten festzustellen, die auf Frauen mit bereits vorliegenden Gewalterfahrungen fokussieren. Sie sind damit im Wesentlichen auf Sekundärprävention im Sinne der Bereitstellung von Unterstützungsangeboten und der Reduzierung gesundheitlicher Folgewirkungen von Gewalt beschränkt. Nach Einschätzung einer WHO Expert/innengruppe [169] ist es nun in Erweiterung bisheriger Perspektiven sinnvoll, zusätzlich die Möglichkeiten und Chancen einer vorsorgenden Verhinderung von häuslicher und sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu prüfen, welche in den zurückliegenden Jahren deutlich vernachlässigt wurde. Diese Situation hat die WHO im Jahr 2007 veranlasst, eine Expertengruppe zu bilden, die in den kommenden Jahren vorrangig Fragen primärer Prävention bearbeiten wird. Im Zentrum steht die häufig nur oberflächlich diskutierte Frage nach den Ursachen von Gewalt gegen Frauen und Mädchen, die Frage nach möglichen (z.B. verhaltensbezogenen) Belastungsfaktoren auf der Täterseite, die das Risiko für häusliche und sexuelle Gewalt erhöhen, sowie die Identifizierung möglicher Schutzfaktoren [169] . Ziel ist es, potenzielle Belastungsfaktoren bereits in einem sehr frühen Stadium zu identifizieren, um auf diesem Wege Gewalt gegen Frauen und Mädchen im Vorfeld zu vermeiden und die Opferzahlen insgesamt zu reduzieren. Zu verstärken sind nach den Vorschlägen der Expertengruppe z.B. die Täterprävention, um männliche Täterschaft zu verhindern, sowie die Erhöhung der Sicherheit von Frauen und Mädchen im öffentlichen Raum durch strukturelle Maßnahmen [169] ; vgl. auch 21] . Für diese Art primärpräventiver Maßnahmen außerhalb des medizinischen Sektors, die sich sowohl eher unspezifisch an die Gesamtbevölkerung als auch an definierte Zielgruppen richten können, hat sich in den Gesundheitswissenschaften die Terminologie der »primordialen Prävention« [170] etabliert. Anknüpfend an die WHO-Rahmenkonzeption zur Primärprävention häuslicher und sexueller Gewalt [169] sind primordiale Maßnahmen darauf ausgerichtet potenziellen Risikofaktoren, wie z.B. Alkohol- und Drogenmissbrauch, die Gewaltverhalten Vorschub leisten können, vorzubeugen und gewaltbegünstigende strukturelle Bedingungen der Lebens(um) welt (z.B. soziale Isolation, Ausgrenzung) zu modifizieren. Die Stärkung von emotionalen und sozialen Kompetenzen (z.B. Konfliktlösungsstrategien) bereits bei Kindern und Jugendlichen und damit die Erweiterung gesundheitlicher Ressourcen und gesundheitsfördernder (Coping-)Faktoren sind in diesem Zusammenhang von besonderer Priorität und somit wichtiger Bestandteil von Prävention, z.B. in Kindergärten und Schulen sowie in Freizeiteinrichtungen und Sportvereinen. Primordialpräventiver Bedarf besteht jedoch auch im Erwachsenenalter. Zielgruppengerecht aufbereitete Information und Aufklärung, z.B. auf der Gemeindeebene in Stadtteileinrichtungen und als Teil der Öffentlichkeitsarbeit unter anderem von Fachgesellschaften und Berufsverbänden, spielen eine große Rolle, um für die Gewaltproblematik zu sensibilisieren bzw. Gewalt als ein zentrales Gesundheitsrisiko von Frauen und Mädchen in das öffentliche Bewusstsein zu rücken [143] .
Der in Deutschland etablierten Differenzierung nach primärer, sekundärer und tertiärer Prävention folgend, richtet sich auf der Interventionsebene der Primärprävention der Fokus darauf, bestehende Gewaltverhältnisse aufzudecken, Opfer von Gewalt in der Suche nach weitergehenden geeigneten Hilfemöglichkeiten zu unterstützen und durch die Dokumentation von Verletzungen Schutzmaßnahmen vor weiterer Gewalt einzuleiten bzw. Gewalt zu beenden. Darüber hinaus gilt es die beteiligten und mittelbar betroffenen Kinder und Jugendlichen in primärpräventiven Interventionen als eigenständige Zielgruppe von Prävention im Kontext häuslicher Gewalt zu berücksichtigen. Die Aufdeckung häuslicher Gewalt spielt daher im Hinblick auf den vorbeugenden Gesundheitsschutz der Kinder und Jugendlichen eine zentrale Rolle.
Der Bereich der Sekundärprävention umfasst die Behandlung von gewaltinduzierten Verletzungen und Beschwerden, die der Stabilisierung des Gesundheitszustandes insgesamt dienen und langfristige Traumatisierungsfolgen möglichst verhindern sollen. Tertiärpräventive Maßnahmen, die geeignet sind die Traumaverarbeitung und Traumabewältigung zu unterstützen, fallen vorwiegend in den Zuständigkeitsbereich ambulant und stationär tätiger Psychotherapeutinnen und -therapeuten. Schutz vor erneuter Gewalterfahrung, z.B. während ambulanter/stationärer Therapie oder auf geschlechtergemischten Stationen in Alten- und Pflegeheimen, ist ebenfalls der Tertiärprävention zuzurechnen. Selbstbestimmung und Wahlmöglichkeiten im Hinblick auf das Geschlecht des Behandelnden/Pflegenden sowie bezüglich der Behandlungsmethode sind mit Blick auf eine mögliche Retraumatisierung und Trauma-Reaktivierung sowie angesichts potenziell gewaltbegünstigender Rahmenbedingungen, vor allem in stationären Einrichtungsformen, ein deutlich zu stärkender Bereich tertiärer Prävention [4] .
Die Verschiedenartigkeit potenziell gewaltbetroffener und -gefährdeter Zielgruppen können im vorliegenden Themenheft der Gesundheitsberichterstattung nur angedeutet und exemplarisch dargestellt werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass präventive Interventionen - unabhängig von der Interventionsstufe und dem Interventionsziel - für Spezifika der Zielgruppen (z.B. hinsichtlich Alter, Geschlecht, sozialer Herkunft, Bildungsstand, Lebenssituation, sexueller Orientierung, kulturellem Hintergrund) und für vulnerable Lebenslagen sensibilisiert sein müssen (vgl. auch [171] ). Nur so können präventive Angebotsstrukturen mit einem expliziten Zielgruppen- und Kontextbezug gesichert und Fehl- und Unterversorgung von gewaltbetroffenen Frauen, Männern und Kindern im Gesundheitswesen langfristig weiter abgebaut werden. Unabdingbare Voraussetzung sind eine sektorenübergreifende Kooperation, eine Bündelung von Ressourcen und Aktivitäten sowie entsprechende Kenntnisse und Informationen bei allen Fachkräften, die in helfenden Berufen tätig sind.
Integration der Gewaltthematik in Aus-, Fort- und Weiterbildung
Das Erfordernis die Gewaltproblematik im Bewusstsein von Fachkräften im Gesundheitswesen zu verankern, resultiert, wie die Ausführungen des Themenheftes gezeigt haben, aus den vielfältigen fachlichen Kontexten, die Professionelle in Gesundheitsfachberufen mit Gewaltbetroffenen konfrontieren. Um sowohl ärztliche als auch nichtärztliche Heil- und Hilfsberufe zu befähigen, ihre Schlüsselrolle in der Vorbeugung von Gewaltübergriffen und in der Behandlung von Gewaltfolgen wahrzunehmen, ist es erforderlich, das Themengebiet in den relevanten Ausbildungs- und Studiencurricula sowie in der Approbationsordnung für Ärzte und Ärztinnen strukturell zu verankern. Neben Medizinern und Medizinerinnen verschiedener Fachrichtungen (z.B. Allgemeinmedizin, Psychiatrie, Gynäkologie) und psychologischen Psychotherapeutinnen und -therapeuten, betrifft dies auch Arzthelferinnen und -helfer, die in haus und fachärztlichen Praxen in der Regel den ersten informellen Kontakt zu Betroffenen haben. Des Weiteren sind Rettungssanitäter und -sanitäterinnen angesprochen, die in Notfallsituationen (im Rettungs-/Notarztwagen) auf akut betroffene Gewaltopfer stoßen, Pflegekräfte, die Patientinnen und Patienten in sehr intimen Pflegesituationen, z.B. in ambulanten Pflegediensten oder in stationären Einrichtungen der Altenpflege, in Institutionen der Akutversorgung und in Einrichtungen der Rehabilitation gegenüberstehen sowie Hebammen in ihrer Funktion als Begleiterin von Familien/Frauen über einen längeren Zeitraum (vgl. [172] ).
Gewalt zu diagnostizieren, geschlechtsspezifischen Versorgungsbedarf zu erkennen, forensisch wichtige Verletzungen juristisch verwertbar zu dokumentieren und Informationen über Hilfsund Unterstützungsangebote zu geben, erfordert umfangreiche fachliche Expertise, die auf einheitlichen Standards und Leitlinien basiert. Für alle Berufsgruppen gilt, dass fachspezifisches, medizinisch- pflegerisches Wissen über Gewaltsymptomatiken und Gesundheitsfolgen, Behandlungsund Beratungskonzepte allein nicht ausreichend ist. Darüber hinaus bedarf es des Erwerbs persönlicher, selbstreflexiver und kommunikativer Kompetenzen im Umgang mit der Gewaltthematik in unterschiedlichen Behandlungssettings und Versorgungseinrichtungen [146] . Sie sind im Rahmen der zu entwickelnden bzw. zu ergänzenden Curricula für Aus-, Fort- und Weiterbildung von Gesundheitsfachberufen zu berücksichtigen [29] . Ziel sollte sein, einheitliche, qualitätsgesicherte Ausbildungsstandards zum Umgang mit Gewaltbetroffenen für die verschiedenen im Gesundheitswesen tätigen Berufsgruppen sicherzustellen, die zudem den Transfer fachwissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis gewährleisten und dem Erfordernis interdisziplinärer Kooperation und Netzwerke Nachdruck verleihen.
Kooperation und Vernetzung als Ressource und Synergien förderndes Qualitätsmerkmal
Während in Bereichen außerhalb des Gesundheitswesens in den letzten Jahren zahlreiche Kooperationen und Netzwerke, z.B. zwischen Polizei und Justiz, Beratungseinrichtungen, Jugendhilfe etc. entstanden sind [132, 133] , fehlt es vielfach an einer systematischen Beteiligung des Gesundheitssektors an regionalen Kooperationen sowie an interdisziplinären Kooperationen innerhalb der Gesundheitsversorgung. Eine mit den unterschiedlichen Unterstützungseinrichtungen für Betroffene von sexueller und häuslicher Gewalt (z.B. Frauenberatungsstellen, Frauenhäusern und -notrufen, sozialen Diensten etc.) abgestimmte Vorgehensweise innerhalb des Gesundheitssektors (z.B. Kliniken) könnte die Versorgungssituation von Gewaltopfern wesentlich effektiver und effizienter gestalten sowie Präventionspotenziale deutlich besser ausschöpfen. In der Vergangenheit haben sich lokal organisierte Netzwerke unter interprofessioneller Beteiligung möglichst vieler Berufsgruppen und Einrichtungen (z.B. Ärztinnen und Ärzte, Hebammen, Gesundheits- und Jugendämter) als besonders gewinnbringend erwiesen, um z.B. Gewalt begünstigende Belastungsfaktoren in Familien präventiv zu vermindern. Die seit einiger Zeit auch von politischer Seite intensivierten Auseinandersetzungen mit dem Thema Misshandlung oder/und Vernachlässigung von Kindern und die in der Folge etablierten familien- und kindzentrierten »Frühwarnsysteme « (z.B. Familienhebammen, Vorsorgeuntersuchungen) stellen zentrale Anknüpfungspunkte für eine Vernetzung dar.
Eine geschlechterangemessene, gewaltsensible Gesundheitsversorgung bedarf, um nachhaltige Erfolge erzielen zu können, der Bereitstellung und Gewährleistung ausreichender finanzieller und personeller Ressourcen, die eine strukturelle Verankerung und Implementierung von Modellprojekten und Präventionsansätzen in die ärztliche, pflegerische, therapeutische und geburtshilfliche Regelversorgung ermöglichen [29] . Angesichts ökonomischer Engpässe in vielen Kommunen und finanzieller Einsparungen im Sozial- und Gesundheitswesen ist davon auszugehen, dass die (auch aus einer ethischen Verpflichtung heraus) erforderliche Weiterentwicklung und Optimierung der gesundheitlichen Versorgung bei Gewalt nur im Rahmen eines interdisziplinären und kooperativen Handlungsansatzes gelingen kann. Die interne und Institutionen übergreifende Vernetzung mit anderen Berufsgruppen, Hilfeeinrichtungen und verantwortlichen Behörden kann wesentlich zur Überwindung der bekannten Schnittstellenproblematik im Gesundheitssektor beitragen. Sie ermöglicht neben einer Bündelung von Fachkompetenzen die interprofessionelle, Ressourcen sparende Nutzung bereits vorhandener Instrumente und Materialien (vgl. [132] ).
Evaluation und Qualitätssicherung von Maßnahmen und Projekten
Evaluationsstudien, die eine Bewertung von Implementierungsprozessen ermöglichen und institutionenspezifische Handlungskonzepte zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Gewaltopfern auf ihre Wirksamkeit überprüfen, stehen bislang noch weitgehend aus [29] . Lediglich aus der Begleitforschung des S.I.G.N.A.L.-Projektes liegen entsprechend fundierte Ergebnisse vor, die die Wirksamkeit der Projektmaßnahmen bestätigen. Angesichts mangelnder Evaluation von Interventionsprogrammen bleibt eine Vielzahl von Fragen offen, z.B.: Wie sind die Wirkungen eines routinemäßigen Gewaltscreenings im Rahmen der Anamnese einzuschätzen? Welche Potenziale zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung liegen in der Umsetzung vorhandener Leitlinien sowie in der systematischen Anwendung von Handlungsleitfäden? [166] . Auch über die Zweckmäßigkeit und die Verbreitungswege der verfügbaren Materialien zum Umgang mit Patientinnen und Patienten, die von (häuslicher) Gewalt betroffen sind, ist kaum etwas bekannt. Beispielsweise wäre zu prüfen, ob diese Materialien ohne begleitende Fortbildungsmaßnahme in der Praxis zum Einsatz kommen bzw. ob und inwieweit die Materialien bereits Eingang in Ausbildungscurricula von Gesundheitsfachberufen gefunden haben [29] .
Die Vielzahl der noch offenen Fragen sowie die aufgezeigten Versorgungs- und Präventionsbedarfe verdeutlichen die Relevanz weiterer quantitativer und qualitativer wissenschaftlicher Analysen der Problematik sexueller, psychischer und physischer Gewalt an Frauen und Mädchen, Männern und Jungen.
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9 Glossar
Akkulturation | Prozess der Anpassung von Immigranten und Immigrantinnen an die Kultur des Einwanderungslandes |
---|---|
Anamnese | Krankengeschichte; im Arzt-Patienten-Gespräch ermittelte Vorgeschichte in Bezug auf vorliegende Symptome und Beschwerden |
Behandlungssetting | der äußere Rahmen, in den eine Behandlung eingebettet ist (z.B. ambulante, stationäre, teilstationäre Behandlung) sowie die Methoden und Techniken, die innerhalb der Behandlung zur Anwendung kommen |
Best-Practice -Ansätze | in der Praxis erfolgreich erprobte und wissenschaftlich evaluierte, innovative Lösungen oder Verfahrensweisen; Best-Practice -Ansätze entsprechen definierten Bewertungskriterien, die sie als vorbildlich und nachahmenswert für eine flächendeckenden Verbreitung bzw. Übertragung auf andere Einrichtungen und Orte qualifizieren. |
Bullying | in Abgrenzung zum Begriff des Mobbing: Körperliche Gewalt oder/und Gewaltandrohung unter Kindern und Jugendlichen |
Copingfaktoren | Mittel zur Bewältigung einer schwierigen Lebenssituation; hier: körperliche, psychische und soziale Fähigkeiten einer Person zur Bewältigung von Krankheit bzw. zum Umgang mit beeinträchtigter Gesundheit (z.B. bei körperlichen Leiden oder nach traumatisierenden Erfahrungen) |
Dunkelfeldstudien | Untersuchungen zu unbekannt (im Dunkel) gebliebenen Straftaten; Dunkelfeldstudien zu Gewalt befassen sich mit Gewalthandlungen, die anhand von offiziellen Statistiken wie den polizeilichen Kriminalstatistiken der Bundeskriminalämter nicht erfasst werden, weil sie nicht zur Anzeige gelangt sind (angezeigte Fälle = sog. Hellfeld). Zumeist werden für Dunkelfeldstudien repräsentative Bevölkerungsbefragungen durchgeführt, die spezielle Methoden anwenden, um eine Gewaltbetroffenheit der Befragten, insbesondere auch in sensiblen Bereichen, etwa der sexuellen Gewalt und/oder der Gewalt in Familien- und Paarbeziehungen, bestmöglich erfassen zu können. |
Evidence-based medicine (EBM) | evidenzbasierte Medizin; Methode zur Verbesserung von Behandlung und Pflege mittels Abwägung von Nutzen und Risiken auf der Basis statistisch nachgewiesener Wirksamkeit; zentrale Aufgabe der EBM: Entwicklung von Leitlinien für die fachgerechte Bewertung und Behandlung von Gesundheitsstörungen |
Forensik | im Dienste der Rechtspflege stehende Wissenschaften zur Identifizierung und Analyse krimineller Handlungen (Beispiel: forensische Medizin = Rechtsmedizin) |
Gendersensibilität | Geschlechtersensibilität; die systematische Wahrnehmung und Berücksichtigung unterschiedlicher Lebenssituationen und -bedingungen von Frauen und Männern (im Gesundheitswesen: z.B. Blick für geschlechterspezifisch unterschiedliche Krankheitsbilder oder Gespür für unterschiedliche Ansprüche an die ärztlich-medizinische Versorgung) |
Gewaltprävalenzstudien | Studien zur Häufigkeit des Vorkommens interpersoneller Gewalt; Grundlage für die Formulierung von Anforderungen an Intervention, Unterstützung und Prävention |
Gewaltschutzgesetz | »Gesetz zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen sowie zur Erleichterung der Überlassung der Ehewohnung bei Trennung« (GewSchG); inkraftgetreten am 1. Januar 2002 |
Gewaltscreening | aktive Suche zur Identifikation von Gewaltgeschädigten; hier: routinemäßige Fragen nach körperlichen und/oder sexuellen Gewaltübergriffen im ambulanten und stationären Bereich |
Good Practice | lokale Maßnahmen und Interventionen (z.B. im Bereich Prävention), die bestimmten Qualitätskriterien entsprechen und deren Wirksamkeit belegt ist; als gelungene Modelle für die Übertragung auf vergleichbare Kontexte bzw. Fragestellungen geeignete Maßnahmen |
Häusliche Gewalt | gewalttätige Übergriffe innerhalb einer partnerschaftlichen Beziehung oder zwischen erwachsenen Personen, die in einem Angehörigenverhältnis zueinander stehen und/oder in einem Haushalt zusammen leben (z.B. Gewalt gegenüber Ehepartnern, zu pflegenden Angehörigen etc.); auch unabhängig vom Ort des Geschehens |
»komorbiden Störungen« | hier: psychische und/oder körperliche Begleiterkrankungen infolge von Gewalterfahrungen, die neben einer anderen primären Störung entstehen können (z.B. Medikamenten-, Alkohol- oder Drogenmissbrauch bzw. -sucht in Zusammenhang mit einer Posttraumatischen Belastungsstörung) |
Migrantinnen und Migranten/ | Migrantinnen und Migranten bezeichnen Individuen oder Bevölkerungsgruppen, die selbst oder deren Eltern/Großeltern einen geographisch definierten Raum (bzw. ein Land), in dem sie zuvor ansässig waren, dauerhaft oder für einen längeren Zeitraum verlassen, um ihren Lebensmittelpunkt in ein anderes Land/eine andere Region zu verlegen. Sie umfassen sehr heterogene Gruppen, z.B. ausländische Studierende, Arbeitsmigrant/innen, Saisonarbeiter/innen, Flüchtlinge und Spätaussiedler. Migrantinnen und Migranten sind unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit Personen mit einem Migrationshintergrund, d.h. z.B. auch solche der 2. und 3. Einwanderungsgeneration, die in Deutschland geboren wurden und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, deren Eltern/Elternteile oder Großeltern aber in einem anderen Land geboren und aufgewachsen sind. |
Migrationshintergrund | Einwanderer; Personen oder Bevölkerungsgruppen, die selbst oder deren Eltern/Großeltern einen geographisch definierten Raum (bzw. ein Land), in dem sie zuvor ansässig waren, dauerhaft oder für einen längeren Zeitraum verlassen, um ihren Lebensmittelpunkt in ein anderes Land/eine andere Region zu verlegen; (z.B. ausländische Studierende, Saisonarbeiter, Flüchtlinge, Spätaussiedler) |
Minoritätenstatus | Gesellschaftliche Stellung von Personen aus Bevölkerungsgsgruppen, die sich im Vergleich zur Bevölkerungsmehrheit eines Landes in einer zahlenmäßigen Minderheit befinden und sich aufgrund von ethnischer Herkunft, sozialen und kulturellen Unterschieden von der Bevölkerungsmehrheit abheben |
Mobbing | subtil angewandte psychische Gewaltform: systematische verbale Äußerungen und/oder Verhaltensweisen, die von andauernder Schikane im Alltag bis hin zum gezielten Psychoterror reichen können und explizit gegen eine bestimmte Person gerichtet sind |
Peer-Group | Gruppe von Gleichaltrigen bzw. Gruppe von Gleichgestellten; hier: Bezugsgruppe von Kindern und Jugendlichen im Rahmen des Sozialisationsprozesses außerhalb des Elternhauses |
Posttraumatische
Belastungsstörung |
auch: Psychotraumatisches Belastungssyndrom (PTBS); psychische und/oder psychosomatische Symptome (z.B. Alpträume, Depressionen, Suchtverhalten, Schreckhaftigkeit, Schlafstörungen) infolge einer traumatischen Erfahrung |
Prävalenz | Häufigkeit; Bestand an Erkrankten in der Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. innerhalb eines bestimmten Zeitraums; hier: Gewaltprävalenz als Prozentsatz derer, die in einem bestimmten Referenzzeitraum (1 Jahr, 5 Jahre, Erwachsenenalter, Kindheit, Lebenszeit) Gewaltbetroffene waren |
primordiale Prävention | Gesundheitsförderung, durch Verringerung gesundheitlicher Risikofaktoren |
psychotrope Medikamente | Medikamente, die auf die Psyche einwirken |
Repräsentativität | Qualitätskriterium für die Bewertung statistischer Forschungsergebnisse; Eine Studie ist repräsentativ, wenn die Ergebnisse verallgemeinerbar sind und auf einer Untersuchungsgruppe beruhen, die in ihrer Struktur und Zusammensetzung die Bevölkerung oder die Gruppe, zu der Aussagen getroffen werden sollen, widerspiegelt |
Retraumatisierung | Wiedererinnern eines bereits erlebten Traumas oder die erneute Konfrontation mit einer traumatischen Erfahrung (z.B. im Kontext von Begutachtungen, Gerichtsprozessen, polizeilichen Befragungen) |
Sentinel | epidemiologische Erhebung, bei der (auf freiwilliger Basis) von ärztlichen Beobachtungspraxen oder Beobachtungsgesundheitsämtern bestimmte Krankheitsfälle oder andere relevante Daten regelmäßig an eine Auswertungsstelle gemeldet werden; im Kontext Gesundheit und Gewalt: ein Informationsinstrument, um kontinuierlich oder in einem bestimmten zeitlichen Rhythmus relevante Daten zur gesundheitlichen Versorgung von Gewaltopfern zu ermitteln |
Setting | Lebensbereich, in dem Menschen den größten Teil ihrer Zeit verbringen (z.B. Arbeitsplatz, Schule, Wohnort etc.) |
Stalking | Nachstellen; Beabsichtigtes und anhaltendes Verfolgen, Belästigen, Terrorisieren einer Person über einen längeren Zeitraum |
Surveillance | Überwachung; hier: kontinuierliche Erfassung von Erkrankungen und Todesfällen durch systematische und kontrollierte Datenerhebungen und Datenauswertungen |
Trauma-Reaktivierung | erneutes Auftreten psychischer oder psychosomatischer Symptome aufgrund einer früheren traumatischen Erfahrung (z.B. Vergewaltigung im Jugendlichenalter) nach längerer Zeit der Symptomfreiheit; betroffen sind häufig ältere, kriegstraumatisierte Frauen sowie Flüchtlinge und Einwanderer aus Kriegsregionen |
Trauma | Verletzung; einmaliges oder langandauerndes, außergewöhnliches und extrem belastendes Ereignis, das für Betroffene mit Gefühlen von Bedrohung, Angst und Hilflosigkeit assoziiert ist und sowohl körperliche als auch seelische Verletzungen verursachen kann |
Validität | Gütekriterium; Statistisch erhobene Daten sind valide, wenn sie dem Kriterium der Zuverlässigkeit und Richtigkeit entsprechen |
»Vergewaltigungstraumasyndrom« | Begriff aus den 1970er-Jahren mit Bezug auf die traumatischen Auswirkungen einer Vergewaltigung; Seit den 1980er-Jahren wird auch im Kontext der Beschreibung der Folgen von sexueller Gewalt der Begriff Posttraumatisches Belastungssyndrom verwendet. |
Verletzungssurveillancesystem | System zur Verbesserung der Informations- und Datenlage zu Gewalt gegen Frauen und Männer in Europa (z.B. hinsichtlich Alter, Geschlecht, Ort des Geschehens, Art der Verletzung) mittels systematischer und kontinuierlicher Datenerhebungen |
Viktimisierung | Prozess, durch den Menschen aufgrund von Gewalterfahrungen in eine Opferrolle geraten |
Vulnerable Personengruppen | aufgrund ihrer körperlichen und/oder seelischen Konstitution (z.B. Behinderung, psychische Störung, Schwangerschaft, hohes Alter) oder/und aufgrund ihrer besonderen sozialen Situation (z.B. obdachlose Frauen) verletzlichere (vulnerable) Personenkreise |
10 Links und weiterführende Informationen
Arbeitshilfen und Praxisleitfäden zum Umgang mit häuslicher Gewalt im Gesundheitswesen
Bundesmodellprojekt zur medizinischen Intervention gegen Gewalt (MIGG) mit weiteren Links www.MIGG-Frauen.de (im Aufbau)
GESINE -Intervention bei Häuslicher Gewalt. Informationen und Sicherheitshinweise für Patientinnen, Informationen und Arbeitshilfen für medizinische Berufe (Materialien, Forschungsergebnisse, Fachtagsdokumentationen) www.gesine-intervention.de
S.I.G.N.A.L-Interventionsprojekt. Handbuch für
die Praxis
www.bmfsfj.de/bmfsfj/generator/Redaktion-BMFSFJ/Abteilung4/Pdf-Anlagen/signal-handbuch,property=pdf,bereich=,sprache=de,rwb=true.pdf
Informationen für Ärztinnen und Ärzte. »Wenn
Patientinnen von Gewalt betroffen sind«
www.big-interventionszentrale.de/veroeffentlichungen/broschueren/pdfs/patientinnen.pdf
Dokumentationsbogen bei häuslicher Gewalt -
körperlicher Misshandlung. Hintergrundinformationen
und Handreichung für die ärztliche
Praxis
www.frauennotrufe-hessen.de/formulare/index.htm
Leitfaden »Häusliche Gewalt«. Hinweise zu Diagnostik,
Dokumentation und Fallmanagement.
Herausgegeben von der Ärztekammer Hamburg
in Kooperation mit der HIGAG, dem UKE, der Techniker Krankenkasse und der
Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg
www.aerztekammer-hamburg.de/diekammer/ausschuesse/leitfaden_haeuslichegewalt06.pdf
Informationen und Arbeitshilfen für Ärztinnen
und Ärzte zu häusliche Gewalt. Herausgegeben
vom Arbeitskreis Häusliche Gewalt. Bezug:
Niedersächsisches Ministerium für Soziales,
Frauen, Familie und Gesundheit.
Email:
ursula.jess@ms.niedersachsen.de
www.aekn.de/web_aekn/home.nsf/ContentView/60.832.249.640.854C2C1.256FB70.035FBCD/$File/Broschuere_2004.pdf
Befunderhebung, Spurensicherung und Versorgung bei Verdacht auf sexualisierte Gewalt www.frauennotruf-frankfurt.de/AErztliche-Dokumentation.40.0.html
Arbeits- und Planungshilfe »Häusliche Gewalt
und Gesundheit«. Hrsg. vom Landesinstitut für
den öffentlichen Gesundheitsdienst NRW (lögd) 2005
www.loegd.nrw.de/1pdf_dokumente/2_gesundheitspolitik_gesundheitsmanagement/gendergesundheit/planungshilfe-c11-haeusliche-gewalt-12 bis 8.pdf
Praxisrelevante Arbeitsmaterialien und Leitfäden
sowie Dokumentationsbogen für Professionelle
des Gesundheitswesens(u.a. »Diagnose:
Gewalt« - Leitfaden für den Umgang mit Patientinnen,
die von Häuslicher Gewalt betroffen
sind) mit
Med-Doc-Card
(Karte im Kitteltaschenformat,
enthält wesentliche Punkte zur
Dokumentation gut handhabbar zusammengefasst),
Frauengesundheit NRW
www.frauengesundheit-nrw.de/ges_them/gewalt.htm
Mehr als das Herz gebrochen - Plakat für Arztpraxen
und medizinische Einrichtungen als
»Türöffner« für das Patientinnengespräch und
Patientinneninformation zu den gesundheitlichen
Folgen von Gewalt
www.gesine-net.info/images/pdf/gesine-plakatera.pdf
www.gesine-net.info/images/pdf/mehr-alsdas-herzera.pdf
Gewalt macht Frauen krank! - eine mehrsprachige
Notfallkarte für Patientinnen
www.gesine-net.info/images/pdf/mini-folder-1era.pdf
»Männliche Gewalt macht Frauen krank« und Kurzleitfaden Januar 2008. RIGG- Rheinland- Pfälzisches Interventionsprojekt gegen Gewalt in engen sozialen Beziehungen, www.rigg-rlp.de/downloads.html
Anit Violence Awareness
. Eine Seite mit umfassenden
Informationen zu Gewalt gegen Frauen für
Betroffene und Multiplikatoren in zahlreichen
Sprachen.
www.gewaltschutz.info/
Frauengesundheit NRW. Ausführliche Informationsseite
mit Materialien und Informationen zu
Gewalt gegen Frauen und Kinder (Forschungsergebnisse,
Politische Dokumente und Grundlagen,
modellhafte Projekte im Gesundheitswesen;
Informationsmaterial für Ärzte/Ärztinnen
und Professionelle im Gesundheitswesen,
handlungsorientierte Praxisleitfäden, Fortbildung,
Vernetzung, Aktivitäten und Projekte)
www.frauengesundheit-nrw.de/ges_them/material_gew.htm
Weitere Informationen zu rechtsmedizinischen
Aspekten, zum Umgang mit Kindesmisshandlung/-
vernachlässigung, zu Unterstützungseinrichtungen
zu Gewalt gegen Frauen
und Gewalt gegen Kinder, Aktionsplänen der
Bundesregierung sowie zu nationalen/internationalen
Publikationen/Resolutionen (u.a. der WHO und der EU) im Internet unter:
www.rki.de/DE/Content/GBE/Gesundheitsberichterstattung/Themenhefte/gewalt__links.html
Fußnoten
1 Diese wurden zum einen in bevölkerungsbasierten repräsentativen Gewaltprävalenzstudien erfasst, zum anderen im Rahmen von Studien in Institutionen der gesundheitlichen Versorgung (vgl. im Überblick: [1, 11, 18] ).
2 Vgl. zu einem Überblick bisheriger europäischer Gewaltprävalenzstudien und ihrer Methodik, sowie zur Vergleichbarkeit der Daten im Überblick: [11, 26]
3 In der Studie wird direkt nach dem Erleben und Ausüben von »Gewalt« gefragt und nicht nach konkreten (objektivierbaren) Handlungen. Damit wurde ausschließlich die subjektive Komponente von Gewalt erfasst. Handlungen, die in der Familie und im sozialen Nahraum häufig subjektiv nicht als »Gewalt« eingestuft werden, sind nicht berücksichtigt, was insgesamt zu einer Untererfassung dieser Gewalthandlungen beigetragen haben dürfte. Vgl. zu den methodischen Standards der Gewaltprävalenzforschung: [23]
4 In der Teilpopulationen-Befragung von Schröttle und Müller ( [3] ) umfasst der hier übernommene Begriff von »Asylbewerber/innen« im Gegensatz zu der rechtlichen Definition alle Frauen, »(...) die Asyl beantragt haben, als Asylberechtigte anerkannt worden sind oder über eine (vorläufige) Aufenthaltsbefugnis bzw. Bleiberecht verfügen«. Dies schließt auch Flüchtlingsfrauen mit ein, »(...) die den Schutz von Sonderregelungen genießen, weil ihnen (u.a. nach Ablehnung des Asylantrages) eine Rückkehr in ihr Land, z.B. aufgrund von Bürgerkrieg, religiöser Verfolgung oder lebensbedrohlicher Diskriminierung nicht zugemutet werden kann« ( [3] Teilpopulationen - Erhebung bei Flüchtlingsfrauen S. 4).
5 Nach dem deutschen Aufenthaltsgesetz (AufentG § 31, Abs. 2) droht Frauen, die nicht seit über zwei Jahren mit ihrem Ehemann rechtmäßig in Deutschland leben, bei Trennung die Abschiebung. Ausnahmen erlaubt das Aufenthaltsgesetz nur in Fällen von besonderer Härte. Nach der geltenden Regelung kann körperliche, sexuelle oder psychische Gewalt in der Ehe eine besondere Härte begründen. Dies bleibt aber grundsätzlich eine Frage der Einzelfallbetrachtung und hat sich nach Aussagen von Frauenhäusern und Beratungsstellen in der Rechtspraxis noch nicht generell durchgesetzt (Stand: Herbst/Winter 2007).
6 Es existieren verschiedene Definitionen von Behinderung. Nach § 2 des Sozialgesetzbuches IX (1) sind Menschen behindert, »wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist« [174] . Die Definition der Weltgesundheitsorganisation von Behinderung unterscheidet drei Begrifflichkeiten. Demnach kann ein dauerhafter gesundheitlicher Schaden ursächlich infolge einer Erkrankung, einer angeborenen Schädigung oder eines Unfalls entstehen. Dieser Schaden führt zu einer funktionalen Beeinträchtigung der Fähigkeiten und Aktivitäten des Betroffenen. Die soziale Beeinträchtigung ( handicap ) ist Folge des Schadens und äußert sich in persönlichen, familiären und gesellschaftlichen Konsequenzen. Die Kausalität der Behinderung wird heute von der Schädigung (engl. impairment ) über die Einschränkung der Fähigkeiten (engl. disability ) zur Beeinträchtigung (engl. handicap ) interpretiert (vgl. zur Definition von Behinderung auch RKI, GBE-Glossar, Stichworte »Behinderung« und ICIDH).
7 Ein Vergleich der Studien ist problematisch, da sich die Fragestellungen, die Gewaltdefinitionen, die Stichproben sowie die untersuchten Zeiträume der Gewalterfahrungen und nicht zuletzt die Einschlusskriterien von Menschen mit Behinderungen unterscheiden.
8 Vom Begriff der geistigen Behinderungen wird in letzter Zeit zunehmend abgewichen, da er von Behinderteninitiativen sowie von Teilen der Forschung und Politik als (zu) wenig differenziert, an Defiziten orientiert und zum Teil als diskriminierend eingestuft wird (vgl. 119; vgl. auch 115, 118], Mensch zuerst - Netzwerk People First Deutschland e.V., www.people1.de/ ). Da die alternativ empfohlenen bzw. neuerdings verwendeten Begriffe "Lernbehinderung" und »Lernschwierigkeiten« in der bisherigen Forschung anders gefasst und definiert wurden, bedient sich die vorliegende Expertise dennoch der in älteren Studien verwendeten Begrifflichkeit der geistigen Behinderung, um die Inhalte der referierten Studienergebnisse nicht zu verzerren.
9 Siehe dazu im Überblick die von Hagemann- White [106] für den Council of Europe erstellte Stocktaking Study , den von der WHO vorgelegten Bericht von Waters [127] sowie [29]
10 Unter dem Begriff »Professionelle des Gesundheitswesens « bzw. »Gesundheitsfachkräfte« werden hier und im Folgenden alle Berufsgruppen des Gesundheitssektors erfasst.
11 Die Coordination Action on Human Rights Violations (CAHRV) ist ein EU-Forschungsnetzwerk, in dem sich über 100 Forscherinnen und Forscher hinsichtlich nationaler und internationaler Forschungsergebnisse zu interpersonaler Gewalt, Intervention und Prävention vernetzt haben, siehe auch www.cahrv.uni-osnabrueck.de .
12 Die ärztliche Schweigepflicht ist Grundlage eines vertrauensvollen Arzt-Patientenverhältnisses. Auch die Mitarbeiter der Ärztinnen und Ärzte unterliegen dieser Verpflichtung zum Schweigen. Die Entbindung von Schweigepflicht kann aber durch die Patientin oder durch den Patienten erfolgen. Das Brechen der Schweigepflicht ist nur unter den Voraussetzungen des § 34 StGB (rechtfertigender Notstand) erlaubt.
13 Dieser Ausdruck beschreibt die Angst, dass durch Fragen nach Gewalterfahrung evtl. eine »Lawine« in Gang gesetzt wird, auf die Behandelnde nicht vorbereitet sind und mit denen sie ggf. nicht umgehen können [144] .
14 Siehe auch handlungsorientierte Leitfäden und Linkliste im Anhang
15 Weitere Informationen zu behinderten Frauen z.B. Interessensvertretung »Weibernetz e.V.«, www.weibernetz.de
16 www.signal-intervention.de/inhalt/trainer.pdf
17 Siehe handlungsorientierte Leitfäden im Anhang, vgl. auch [157]
18 16. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, -minister, -senatorinnen und -senatoren der Länder - Hauptkonferenz am 18./19. Mai 2006 in Hamburg, Top 6.5: Evaluierung der Gewaltprävention im Gesundheitswesen
19 Charité Campus Benjamin Franklin
20 Ausführlich ist das S.I.G.N.A.L.-Projekt in dem Handbuch und der Begleitforschung dargestellt [131] . Die wissenschaftliche Begleitung wurde für drei Jahre vom BMFSFJ gefördert.
21 In dem im Rahmen des EU-Projektes » Coordination Action on Human Rights Violations « CAHRV erstellten Bericht » Agencies and evaluation of good practice: domestic violence, rape and sexual assult « [158] wurden internationale Evaluationsergebnisse zusammengetragen und weitere Empfehlungen für den Gesundheitssektor formuliert. Siehe: www.cahrv.uni-osnabrueck.de
22 Zwischenergebnis einer pan-europäischen Bestandsaufnahme der klinisch-rechtsmedizinischen Praxis, (vgl. [162] )
23 TARA ist im Arbeitskreis Frauengesundheit (AKF e.V.) und Bund Dt. Hebammen (BDH e.V.) angesiedelt. Nähere Informationen können folgender Internetadresse entnommen werden: www.geburtskanal.de/TARA/
Tabellen mit Werten aus den Abbildungen 1 und 2
Land/Region |
schon physische
Gewalt erfahren |
schon sexuelle
Gewalt erfahren |
schon sexuelle oder
physische Gewalt (oder beides) erfahren |
---|---|---|---|
Peru, Provinz | 61% | 47% | 69% |
Äthiopien, Provinz | 49% | 59% | 71% |
Peru, Stadt | 49% | 23% | 51% |
Vereinigte Republik Tansania, Provinz | 47% | 31% | 56% |
Bangladesh, Provinz | 42% | 50% | 62% |
Samoa | 41% | 20% | 46% |
Bangladesh, Stadt | 40% | 37% | 53% |
Thailand, Provinz | 34% | 29% | 47% |
Brasilien, Provinz | 34% | 14% | 37% |
Vereinigte Republik Tansania, Stadt | 33% | 23% | 41% |
Namibia, Stadt | 31% | 16% | 36% |
Brasilien, Stadt | 27% | 10% | 29% |
Thailand, Stadt | 23% | 30% | 41% |
Serbien und Montenegro, Stadt | 23% | 6% | 24% |
Japan, Stadt | 13% | 6% | 15% |
Gewaltart | Anteil |
---|---|
Körperliche Gewalt | 37% |
Sexuelle Gewalt | 13% |
Sexuelle Belästigung | 58% |
Psychische Gewalt | 42% |
Körperliche/sexuelle Gewalt
durch aktuelle/frühere Partner |
25% |
Nachstellungen/ Stalking | 20% |
Fallbasis sind in den ersten vier Kategorien alle befragten Frauen (N = 10.264); bei den Angaben zu Gewalt in Paarbeziehungen dagegen nur Frauen, die aktuell oder früher in einer Paarbeziehung gelebt haben (N = 9.746); bei den Angaben zu Nachstellungen/Stalking alle Frauen, die den schriftlichen Zusatzfragebogen ausgefüllt haben (N = 9.640). Alle Prävalenzdaten wurden auf der Basis eines gewichteten Datensatzes ermittelt. |