Kapitel 3.3 Arbeitslosigkeit [Gesundheit in Deutschland, 2015]
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INFOBOX 3.3.1
ARBEITSLOSIGKEIT
Die Bundesagentur für Arbeit definiert Arbeitslose im Sinne des SGB III als Arbeitssuchende bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, die nicht oder mit weniger als 15 Stunden wöchentlich in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, sofort eine Arbeit aufnehmen könnten und sich persönlich arbeitslos gemeldet haben. Erwerbslose nach ILO-Definition (ILO = International Labour Organization der UNO) sind nicht erwerbstätige Frauen und Männer im Alter zwischen 15 bis 74 Jahren, die in den letzten vier Wochen vor der Befragung aktiv nach einer bezahlten Tätigkeit von mind. 1 Stunde wöchentlich gesucht haben und eine solche innerhalb von zwei Wochen aufnehmen könnten. In den Gesundheitssurveys des Robert Koch-Instituts werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer danach gefragt, ob sie derzeit arbeitslos sind. Das subjektive Messkonzept berücksichtigt, dass auch nicht als arbeitslos gemeldete Personen (sogenannte »stille Reserve«) auf der Suche nach einer Teilzeit- oder Vollzeitstelle sein können.
3.3
ARBEITSLOSIGKEIT
Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist nach der Wiedervereinigung nahezu ununterbrochen von Jahr zur Jahr angestiegen und erreichte fast 4,4 Mio. im Jahr 1997. Nach einem dann einsetzenden Abwärtstrend begann im Jahr 2003 eine erneute Phase steigender Arbeitslosenzahlen, die ihren Höchststand mit beinahe 4,9 Mio. Arbeitslosen im Jahr 2005 erreichte, danach sind die Zahlen bis heute beinahe kontinuierlich gesunken. Im Durchschnitt des Jahres 2014 waren 2,9 Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos gemeldet. Das entspricht einer Arbeitslosenquote von 6,7% bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen. Im europäischen Vergleich ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland gering. Für internationale Vergleiche zum Ausmaß der Arbeitslosigkeit wird üblicherweise die ILO-Erwerbslosenquote verwendet (siehe Infobox 3.3.1). Für Deutschland lag diese Quote 2014 bei 5,0% und damit deutlich unter dem Mittel der Länder der Europäischen Union (EU28) von 10,2% [1]. Die höchsten Erwerbslosenquoten wurden in Griechenland mit 26,5% und Spanien mit 24,5% registriert, die niedrigsten Quoten hatten Deutschland mit 5,0% und Österreich mit 5,6%. Dies ist eine positive Entwicklung, da die deutsche Quote noch im Jahr 2008 oberhalb des Durchschnittswertes der EU gelegen hatte.
Zusammenhänge zwischen Arbeitslosigkeit und Gesundheitsproblemen dokumentieren zahlreiche empirische Studien [2 bis 4]. Arbeitslose Frauen und Männer haben ein höheres Risiko, psychische und körperliche Erkrankungen zu entwickeln, und sie haben eine geringere Lebenserwartung als der Bevölkerungsdurchschnitt. Arbeitslosigkeit ist damit eine Lebenslage, in der die Betroffenen in besonderem Maße psychosozialen Belastungen ausgesetzt sind. Internationale und deutsche Studien zeigen, dass bereits ein drohender Arbeitsplatzverlust psychosozial belasten und gesundheitsschädigende Wirkungen entfalten kann [4, 5].
Arbeitslosigkeit kann sowohl die Ursache als auch die Folge von Gesundheitsproblemen sein [6, 7]. So haben Arbeitslose mit chronischen Erkrankungen geringere Chancen, eine bezahlte Tätigkeit zu finden, und Beschäftigte mit Erkrankungen werden häufiger arbeitslos als Gesunde [8]. In der sozialepidemiologischen Forschung werden diese beiden Wirkungsrichtungen auch als Kausationshypothese (»Arbeitslosigkeit macht krank«) und als Selektionsthese (»Krankheit führt zu Arbeitslosigkeit«) diskutiert. Aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht sind beide Zusammenhänge gleichermaßen bedeutend, allerdings leiten sich aus ihnen jeweils spezifische Präventions- und Interventionsbedarfe ab.
Die folgenden Abschnitte beschreiben den Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Gesundheit. Der Schwerpunkt liegt auf der Erwerbsbeteiligung von chronisch Kranken, auf der Häufigkeit von Arbeitsunfähigkeitstagen und Tagen mit Gesundheitsproblemen von Arbeitslosen sowie auf dem Gesundheitsverhalten von Arbeitslosen. Dazu wird auf Daten der gesetzlichen Krankenkassen sowie der GEDA-Studien des Robert Koch-Instituts zurückgegriffen.
Literatur
1 | Statistisches Amt der Europäischen Gemeinschaften (2015) Eurostat Online Datenbank. Eurostat, Brüssel |
2 | Hollederer A (2011) Unemployment and health in the German population: results from a 2005 microcensus. J Public Health 19(3):257 to 268 |
3 | Lange C, Lampert T (2005) Die Gesundheit arbeitsloser Frauen und Männer. Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 48(11):1.256 bis 1.264 |
4 |
Kroll LE, Lampert T (2012) Arbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung und
Gesundheit. GBE kompakt 3(1). Robert Koch-Institut (Hrsg), Berlin. www.rki.de/gbe-kompakt (Stand: 15.04.2015) |
5 | Ferrie JE, Shipley MJ, Newman K et al. (2005) Self-reported job insecurity and health in the Whitehall II study: potential explanations of the relationship. Soc Sci Med 60(7):1,593 to 1,602 |
6 | Robert Koch-Institut (Hrsg) (2003) Arbeitslosigkeit und Gesundheit. Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Heft 13. RKI, Berlin |
7 | Weber A, Hörmann G, Heipertz W (2007) Arbeitslosigkeit und Gesundheit aus sozialmedizinischer Sicht. Dtsch Arztebl Int 104(43):2.957 bis 2.962 |
8 | Virtanen M, Kivimaki M, Vahtera J et al. (2006) Sickness absence as a risk factor for job termination, unemployment, and disability pension among temporary and permanent employees. Occup Environ Med.. 63(3):212 to 217 |
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Gesundheitsberichterstattung des Bundes 08.12.2019