Hypercholesterinämie Kapitel 2.6.3 [Gesundheit in Deutschland, 2006]
[Bluthochdruck Kapitel 2.6.2] [Was leistet das Gesundheitswesen für Prävention und Gesundheitsförderung? Kapitel 3] [Abstrakt] [Inhaltsverzeichnis] [Literaturverzeichnis]
2.6.3 Hypercholesterinämie
Bei jedem dritten Erwachsenen ist der Cholesterinspiegel zu hoch. Aussagekräftige Daten zu den Cholesterinspiegeln der Deutschen lieferten Anfang der 1990er Jahre der Nationale Gesundheitssurvey 1990/91 und der Gesundheitssurvey Ost 1991/92 [132] . Danach lag der Gesamtcholesterinspiegel bei insgesamt 74 Prozent der 25- bis 69-Jährigen bei = 200 mg/100 ml. Werte ab 250 mg/100 ml (Hypercholesterinämie) fanden sich bei 35,6 Prozent der Frauen und 31,4 Prozent der Männer, Werte ab 300 mg/100 ml dagegen bei 10,5 Prozent der Frauen und 7,4 Prozent der Männer.
Bei beiden Geschlechtern zeigte sich, dass der Gesamtcholesterinwert mit dem Alter steigt. Eine nähere Differenzierung im Blick auf Krankheiten oder medizinische Behandlungen erfolgte nicht. Allerdings dürften weniger als fünf Prozent der Studienteilnehmer cholesterinsenkende Medikamente eingenommen haben [134] .
Neuere Daten stammen aus dem Bundes-Gesundheitssurvey 1998 (siehe Tabelle 2.6.4) [135] . So weisen bereits im Alter von 30 bis 39 Jahren 15,2 Prozent der Frauen und 25,1 Prozent der Männer einen Cholesterinwert von = 250 mg/100 ml auf. Am häufigsten ist die Hypercholesterinämie (=250 mg/100 ml und = 300 mg/100 ml) bei Frauen im Alter zwischen 60 und 69 Jahren. Bei den Männern nimmt ihre Verbreitung bis zum 80. Lebensjahr zu.
Tabelle 2.6.4
Geschlecht/
Alter (Jahre) |
Gesamtcholesterinwerte (mg/100 ml) | |||||
---|---|---|---|---|---|---|
≥200 | ≥250 | ≥300 | ||||
Frauen | ||||||
18 bis 19 | 26,4 | 5,4 | ||||
20 bis 29 | 53,4 | 0,3* | 12,0 | 0,7 | ||
30 bis 39 | 61,5 | 0,1* | 15,2 | 0,1* | 3,4 | |
40 bis 49 | 74,0 | 0,9* | 26,0 | 0,5* | 4,5 | |
50 bis 59 | 89,9 | 3,3* | 50,9 | 2,3* | 13,3 | 1,0* |
60 bis 69 | 94,2 | 11,5* | 64,4 | 7,0* | 21,4 | 2,6* |
70 bis 79 | 90,9 | 9,6* | 56,5 | 5,8* | 17,6 | 3,3* |
gesamt | 74,9 | 3,7* | 34,9 | 2,3* | 9,2 | 1,0* |
Männer | ||||||
18 bis 19 | 16,0 | 0,8 | ||||
20 bis 29 | 41,5 | 9,3 | ||||
30 bis 39 | 70,1 | 1,4* | 25,1 | 1,0* | 5,2 | 0,3* |
40 bis 49 | 83,7 | 2,7* | 40,9 | 1,7* | 11,5 | 0,6* |
50 bis 59 | 85,7 | 5,8* | 43,0 | 2,7* | 9,8 | 0,6* |
60 bis 69 | 86,9 | 9,3* | 44,3 | 4,5* | 12,8 | 0,9* |
70 bis 79 | 80,8 | 8,1* | 44,6 | 3,4* | 14,8 | 1,4* |
gesamt | 72,6 | 3,8* | 32,2 | 1,9* | 8,3 | 0,5* |
* Anteil von Personen (in Prozent), die mit cholesterinsenkenden Medikamenten behandelt werden
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Ungünstig ist, wenn der Gesamtcholesterinwert 250 mg/ 100 ml übersteigt und gleichzeitig das Verhältnis von Gesamtcholesterin zu HDL-Cholesterin mehr als 5:1 beträgt. Diese Konstellation findet sich im Schnitt bei 10,7 Prozent der Frauen und 20,9 Prozent der Männer. Bei Männern tritt sie generell früher im Leben auf und lässt sich bereits unter den 40- bis 49-Jährigen bei 28,1 Prozent nachweisen. Unter den 50- bis 79- jährigen Frauen schwankt der Anteil der von der kombinierten Risikokonstellation betroffenen Personen zwischen 17,4 und 21,4 Prozent.
Gefährlich ist indes vor allem die Kombination von mehreren unterschiedlichen Risikofaktoren. So geht eine Hypercholesterinämie insbesondere dann mit einem erhöhten Herz- Kreislauf-Risiko einher, wenn der Betroffene gleichzeitig raucht, hohen Blutdruck hat, zuckerkrank ist oder durch seine genetische Veranlagung belastet ist. In bestimmten Fällen spricht man bei einem Zusammentreffen verschiedener Risikofaktoren auch von einem metabolischen Syndrom.
Bei einem metabolischen Syndrom steigt das Risiko, an einem Herz-Kreislauf-Leiden zu erkranken oder zu versterben, nach verschiedenen prospektiven Studien auf das 2- bis 4fache [138 bis 140] . In den USA wird die Prävalenz des metabolischen Syndroms in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung auf über 20 Prozent geschätzt. Dem Syndrom liegen mehrere Ursachen zugrunde, wobei offenbar Übergewicht, geringe körperliche Aktivität und abträgliches Ernährungsverhalten mit teilweise noch unbekannten genetischen Faktoren zusammenspielen [139 , 141] . Das frühe Erkennen, die Therapie und Prävention des metabolischen Syndroms gehören derzeit zu den großen Herausforderungen im Gesundheitssystem.
Definition
Unter Hypercholesterinämie versteht man einen deutlich erhöhten
Cholesterinspiegel im Blut. Der Cholesterinspiegel wird häufig in Milligramm
(mg) Cholesterin pro 100 Milliliter (ml) Blutserum angegeben.
Zu hohe Werte sind Ausdruck einer Fettstoffwechselstörung und spielen
bei der Entstehung von Herz-Kreislauf-Krankheiten eine führende Rolle.
In Anlehnung an die Empfehlungen der
European Arteriosclerosis
Society
(EAS) von 1986 können erhöhte Cholesterinwerte in drei Bereiche
eingeteilt werden (200 bis < 250 mg/100 ml; 250 bis < 300 mg/100 ml; = 300 mg/100 ml).
In der Regel wird erst ab Werten von 250 mg/100 ml von einer Hypercholesterinämie gesprochen
[132]
.
Cholesterin wird im Blut transportiert, indem es sich an spezielle Eiweiße
bindet, die man mit den Kürzeln LDL und HDL bezeichnet und
die für unterschiedliche Transportwege des Cholesterins im Organismus
zuständig sind. LDL-Cholesterin und HDL-Cholesterin besitzen
bei der Entstehung einer Arterienverkalkung offenbar gegenläufige
(schädliche und schützende) Wirkungen, weshalb das erste landläufig
auch "schlechtes", das zweite dagegen "gutes Cholesterin" genannt
wird.
Nach den aktuellen europäischen Leitlinien für Herz-Kreislauf-Erkrankungen
der
European Society of Cardiology
aus dem Jahr 2003 sollte
der Gesamtcholesterinspiegel unter 190 mg/100 ml und das LDL-Cholesterin
unter 115 mg/100 ml liegen
[133]
. Wichtig ist zudem das Verhältnis
von Gesamtcholesterin zu HDL-Cholesterin. Ein Verhältnis
von mehr als 5:1 gilt als ungünstig.
Als metabolisches Syndrom bezeichnet man die Kombination von
Übergewicht, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Insulinresistenz.
Letztere ist durch eine verminderte Insulinwirkung im Organismus
gekennzeichnet und spielt bei der Entstehung des Typ-2-Diabetes
eine wesentliche Rolle. Die verschiedenen Risikofaktoren beeinflussen
sich gegenseitig, was zu einem erheblichen Risiko für Herz-
Kreislauf-Erkrankungen führt
[136
,
137]
.
Literatur
132 | BGA Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie (1992) Untersuchungsbefunde und Laborwerte. Gesundheitsberichterstattung. BGA Schriften 1: 34 bis 44 |
133 | Da Backer G, Ambrosioni E, Borch-Johnsen K et al. (2003) European guidelines on cardiovascular disease prevention in clinical practice. European Heart Journal 24: 1,601 to 1,610 |
134 | Melchert U (1995) Verbrauch von lipidsenkenden Arzneimitteln bei den Erhebungen der Nationalen Untersuchungs-Surveys 1984 bis 1991. In: Borgers und Berger (Hrsg) Cholesterin Risiko für Prävention und Gesundheitspolitik, Blackwell Wissenschafts-Verlag Berlin, Wien |
135 | Thefeld W (2000) Verbreitung der Herz-Kreislauf-Risikofaktoren Hypercholesterinämie, Übergewicht, Hypertonie und Rauchen in der Bevölkerung. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 43: 415 bis 423 |
136 | Executive Summary of The Third Report of The National Cholesterol Education Program (NCEP) (2001) Expert Panel on Detection, Evaluation, And Treatment of High Blood Cholesterol In Adults (Adult Treatment Panel III). JAMA 285 (19): 2,486 to 2,497 |
137 | Laaksonen D, Lakka H, Niskanen L et al. (2002) Metabolic syndrome and development of diabetes mellitus: application and validation of recently suggested definitions of the metabolic syndrome in a prospective cohort study. American Journal of Epidemiology 156 (11): 1,070 to 1,077 |
138 | Isomaa B, Almgren P, Tuomi T et al. (2001) Cardiovascular morbidity and mortality associated with the metabolic syndrome. Diabetes Care 24 (4): 683 to 689 |
139 | Lakka H, Laaksonen D, Lakka T et al. (2002) The metabolic syndrome and total and cardiovascular disease mortality in middle-aged men. JAMA 288 (21): 2709 to 2716 |
140 | Meigs J, Wilson P, Nathan D et al. (2003) Prevalence and characteristics of the metabolic syndrome in the San Antonio Heart and Framingham Offspring Studies. Diabetes 52 (8): 2,160 to 2,167 |
141 | Selby J, Newman B, Quiroga J et al. (1991) Concordance for dyslipidemic hypertension in male twins. JAMA 265 (16): 2,079 to 2,084 |
[Bluthochdruck Kapitel 2.6.2] [Was leistet das Gesundheitswesen für Prävention und Gesundheitsförderung? Kapitel 3] [Abstrakt] [Inhaltsverzeichnis] [Literaturverzeichnis]
Gesundheitsberichterstattung des Bundes 25.09.2023