Kapitel 2.1 Lebenserwartung, Todesursachen und Säuglingssterblichkeit [Gesundheit in Deutschland, 2015]
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2.1
LEBENSERWARTUNG, TODESURSACHEN UND SÄUGLINGSSTERBLICHKEIT
Die Lebenserwartung eines Neugeborenen, die »mittlere Lebenserwartung bei Geburt«, ist in Deutschland seit dem Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1871 nahezu kontinuierlich gestiegen. Alle zehn Jahre hat sich seitdem die Lebenserwartung von Frauen und Männern um durchschnittlich drei Jahre erhöht [1]. Verantwortlich sind dafür verschiedene Faktoren. Neben dem wachsenden Wohlstand der Menschen spielen Verbesserungen bei der Ernährung, den Arbeitsbedingungen und der Hygiene eine Rolle. Auch die soziale Absicherung bei Krankheit, Arbeitslosigkeit, Erwerbsunfähigkeit und im Alter und nicht zuletzt die Fortschritte in der medizinischen Versorgung haben die Lebenserwartung steigen lassen [2, 3].
Trotz dieser generell positiven Entwicklung beeinflussen soziale Unterschiede nach wie vor die Lebenserwartung: Menschen mit geringem Einkommen, niedriger Bildung oder Berufen, in denen schlechte Arbeitsbedingungen herrschen, haben in Deutschland auch heute noch eine geringere Lebenserwartung als sozial bessergestellte Bevölkerungsgruppen [4, 5].
Heute geborene Mädchen haben eine mittlere Lebenserwartung von 82,7 Jahren und Jungen von 77,7 Jahren (siehe Infobox 2.1.1) [6]. Neben der Lebenserwartung bei Geburt hat auch die fernere Lebenserwartung der 65-Jährigen und der 80-Jährigen seit 1990 kontinuierlich zugenommen. Dies bedeutet: Auch 65- und 80-Jährige haben heute im Schnitt noch eine längere Lebenszeit zu erwarten als Personen dieser Altersgruppen in früheren Jahren. Das Statistische Bundesamt geht in der 12. Koordinierten Bevölkerungsprognose für das Jahr 2060 davon aus, dass die Lebenserwartung der Bevölkerung bis zum Jahr 2060 mindestens auf 89,2 Jahre bei Frauen und 85,0 Jahre bei Männern steigen wird [7]. Die Ursachen und Folgen dieser Entwicklung sowie die damit verknüpften Herausforderungen für die Zukunft stehen im Mittelpunkt des Kapitels 9 in diesem Bericht.
Die Gesundheit der Bevölkerung kann jedoch nicht nur anhand der Lebenserwartung beurteilt werden. Auch die Verbreitung von Krankheiten und Gesundheitsrisiken muss berücksichtigt werden (siehe auch Kapitel 10). Diese Faktoren spiegeln sich auch in den Todesursachen wider. In Deutschland führten im Jahr 2013 weiterhin Krankheiten des Kreislaufsystems (39,7%) und Krebserkrankungen (25,0%) die Statistik der Todesursachen an. Um die Entwicklung der Sterblichkeit ohne Verzerrungen durch die sich wandelnde Altersstruktur der Bevölkerung beurteilen zu können, werden die altersstandardisierten Sterberaten berechnet (siehe Infobox 2). Diese sind sowohl für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als auch für die meisten Krebserkrankungen im Verlauf der letzten zwanzig Jahre deutlich gesunken. Wäre die Bevölkerung in diesem Zeitraum nicht demografisch gealtert (siehe Kapitel 9), würden heute weniger Menschen an diesen Krankheiten sterben als früher. Erfreulich ist ebenfalls, dass die Zahl der vermeidbaren Sterbefälle - also jene, die sich durch Vorbeugung oder Therapie verhindern lassen - in den letzten zwei Jahrzehnten kontinuierlich gesunken ist [8].
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Lebenserwartung in Deutschland. Dabei werden zeitliche Trends sowie regionale und soziale Unterschiede dargestellt. Es folgt der Vergleich mit anderen europäischen Ländern. Ein weiterer Abschnitt beleuchtet die Sterblichkeit, Todesursachen und deren Einflussfaktoren. Den Abschluss des Kapitels bilden Informationen zur Säuglingssterblichkeit und zum Plötzlichen Kindstod (SIDS). Als Datengrundlage dienen vorwiegend amtliche Statistiken, ergänzt durch Erhebungen der Krankenkassen und der Rentenversicherung sowie internationale Studien.
Literatur
1 | Statistisches Bundesamt (2012) Perioden-Sterbetafeln für Deutschland - Allgemeine Sterbetafeln, abgekürzte Sterbetafeln und Sterbetafeln von 1871/1881 bis 2008/2010. Destatis, Wiesbaden |
2 | Vaupel JW, von Kistowski K (2005) Der bemerkenswerte Anstieg der Lebenserwartung und sein Einfluss auf die Medizin. Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 48(5):586 bis 592 |
3 | Riley JC (2001) Rising life expectancy: a global history. Cambridge University Press, Cambridge, New York |
4 | Kroll LE, Lampert T (2009) Soziale Unterschiede in der Lebenserwartung. Datenquellen in Deutschland und Analysemöglichkeiten des SOEP. Methoden - Daten - Analysen 3(1):3 bis 30 |
5 |
Lampert T, Kroll LE (2014) Soziale Unterschiede in der Mortalität und Lebenserwartung. GBE kompakt 5(2),
Robert Koch-Institut (Hrsg), Berlin. www.rki.de/gbe-kompakt (Stand: 15.04.2015) |
6 | Statistisches Bundesamt (2013) Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Allgemeine Sterbetafel Deutschland 2009/11. Destatis, Wiesbaden |
7 | Statistisches Bundesamt (2009) Bevölkerung Deutschlands bis 2060. Ergebnisse der 12. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung. Destatis, Wiesbaden |
8 |
Statistisches Bundesamt (2014) Todesursachenstatistik ab 1998. Sterbefälle, Sterbeziffern (je 100.000 Einwohner,
altersstandardisiert) www.gbe-bund.de (Stand: 15.04.2015) |
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Gesundheitsberichterstattung des Bundes 29.11.2023