JoHM 2/2017 - Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen in Deutschland - Fact sheet [Gesundheitsberichterstattung - Journal of Health Monitoring, Juni 2017]
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Autorin und Autor:
Anja Schienkiewitz, Gert B. M. Mensink, Ronny Kuhnert, Cornelia Lange
Journal of Health Monitoring · 2017 2(2)
DOI 10.17.886/RKI-GBE-2017-025
Robert Koch-Institut, Berlin
Übergewicht und Adipositas bei Erwachsenen in Deutschland
Abstract
Körpergewicht und Körpergröße sowie daraus abgeleitete Indikatoren wie Übergewicht und Adipositas sind wichtige Merkmale zur Beschreibung des Gesundheitszustands einer Bevölkerung. In den letzten Dekaden hat die Prävalenz von Übergewicht und Adipositas weltweit zugenommen und ist daher von bedeutender Public-Health-Relevanz. Nach Auswertung der Selbstangaben zu Körpergewicht und Körpergröße aus den Daten des GEDA 2014/2015-EHIS sind in Deutschland 54,0% der Erwachsenen von Übergewicht einschließlich Adipositas betroffen (Body Mass Index (BMI) über 25 kg/m²). Männer haben mit 43,3% häufiger Übergewicht (BMI zwischen 25 und 30 kg/m²) als Frauen (28,8%). Die Adipositasprävalenz (BMI über 30 kg/m²) liegt bei 18,1% und unterscheidet sich zwischen beiden Geschlechtern nicht wesentlich. Mit zunehmendem Alter steigt sowohl bei Frauen als auch bei Männern die Prävalenz von Übergewicht und/oder Adipositas an. Insgesamt zeigt sich, dass die Prävalenz von Übergewicht einschließlich Adipositas in den letzten Jahren unverändert hoch ist. Im Vergleich zu GEDA 2010 hat die Adipositasprävalenz zugenommen.
GEDA 2014/2015-EHIS
Datenhalter: Robert Koch-Institut
Ziele: Bereitstellung zuverlässiger Informationen über den Gesundheitszustand, das Gesundheitsverhalten und die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung in Deutschland, mit Möglichkeit zum europäischen Vergleich
Erhebungsmethode: Schriftlich oder online ausgefüllter Fragebogen
Grundgesamtheit: Bevölkerung ab 18 Jahren mit ständigem Wohnsitz in Deutschland
Stichprobenziehung: Einwohnermeldeamtsstichproben - zufällig ausgewählte Personen aus 301 Gemeinden in Deutschland wurden eingeladen
Teilnehmende: 24.016 Personen (13.144 Frauen und 10.872 Männer)
Responserate: 26,9%Untersuchungszeitraum: November 2014 - Juli 2015
Datenschutz: Die Studie unterliegt der strikten Einhaltung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes und wurde von der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in Deutschland genehmigt. Die Teilnahme an der Studie war freiwillig. Die Teilnehmenden wurden über die Ziele und Inhalte der Studie sowie über den Datenschutz informiert und gaben ihre schriftliche Einwilligung (informed consent).
Mehr Informationen unter
www.geda-studie.de
Einleitung
Wenn das Körpergewicht bei einer gegebenen Körpergröße über das Normalmaß hinausgeht, spricht man von Übergewicht. Starkes Übergewicht wird auch als Adipositas bezeichnet und von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eigenständige Krankheit eingestuft [1]. Eine Adipositas ist ein Risikofaktor für bestimmte chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 [2], Herz-Kreislauf-Erkrankungen [3] und einzelne Krebserkrankungen [4] und geht mit einem höheren Risiko frühzeitig zu sterben einher [5, 6]. Adipositas und die damit verbundenen Folgekrankheiten sind für das Gesundheitssystem eine erhebliche Herausforderung und stellen nicht nur in Deutschland, sondern auch international ein bedeutendes Public-Health-Problem dar.
Vor diesem Hintergrund hat die WHO im Rahmen des Globalen Aktionsplans gegen nichtübertragbare Krankheiten das Ziel formuliert, dass die Prävalenz der Adipositas bis zum Jahr 2025 (im Vergleich zu 2010) nicht weiter zunehmen soll [7]. Auch in der Neuauflage der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung 2016 lautet das Ziel, den Anteil an Personen mit Adipositas in Deutschland bis zum Jahr 2030 nicht weiter ansteigen zu lassen [8].
Indikator
Der Body Mass Index (BMI) ist das am häufigsten verwendete Maß zur Definition von Übergewicht und Adipositas. Er wird als das Verhältnis von Körpergewicht zum Quadrat der Körpergröße (kg/m²) berechnet, ist somit relativ einfach zu erfassen und als Vergleichsmaß für Personen oder Studienpopulationen zu verwenden. Der BMI gibt nicht direkt Auskunft über den Körperfettgehalt, da er keine Differenzierung der Körperzusammensetzung in Fett- und Muskelmasse ermöglicht, aber die Forschung hat gezeigt, dass er auf Gruppenebene gut mit direkten Messungen zur Bestimmung der Körperfettmasse korreliert. Ein hoher BMI kann somit einen Indikator für einen hohen Körperfettanteil darstellen. Nach dem Klassifikationsschema der WHO ist ein Erwachsener mit einem BMI von weniger als 18,5 kg/m² untergewichtig. Ein BMI zwischen 18,5 und weniger als 25 kg/m² wird als Normalgewicht, ein BMI von 25 bis unter 30 kg/m² als Übergewicht und ein BMI von 30 kg/m² und mehr als Adipositas definiert [[1]].
In Studien werden Angaben zum Körpergewicht und zur Körpergröße zur Definition des BMI entweder gemessen oder über Selbstangaben erfragt. Bei Selbstangaben wird das Körpergewicht im Vergleich zu gemessenen Werten häufig unterschätzt, die Körpergröße dagegen eher überschätzt. Der berechnete BMI aus Selbstangaben liegt somit niedriger als aus Messwerten [9]. Die hier dargestellten Prävalenzen aus der Zeitreihe der Studie "Gesundheit in Deutschland aktuell" (GEDA) beruhen auf Selbstangaben der Befragten und unterscheiden sich damit von Prävalenzen aus Messdaten der Befragungs- und Untersuchungssurveys des Robert Koch-Instituts, wie dem Bundesgesundheitssurvey 1998 (BGS98) und der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) [10]. Nach Ergebnissen von DEGS1 haben 23,9% der Frauen und 23,3% der Männer im Alter von 18 bis 79 Jahren Adipositas [10]. Beim direkten Vergleich der Prävalenzen aus verschiedenen Datenquellen wie zwischen DEGS1 und GEDA 2014/2015-EHIS ist zu berücksichtigen, dass die aus Selbstangaben berechneten Prävalenzen geringer ausfallen. Beim Vergleich der aktuellen GEDA 2014/2015-EHIS-Zahlen mit früheren GEDA-Befragungen muss berücksichtigt werden, dass sich das Verfahren der Stichprobenziehung sowie der Befragungsmodus (Selbstausfüllfragebogen, telefonisches Interview) geändert haben.
In GEDA 2014/2015-EHIS lautete die Frage: "Wie groß sind Sie, wenn Sie keine Schuhe tragen?" Die Angabe erfolgte in cm. Die Frage nach dem Körpergewicht war: "Wie viel wiegen Sie, wenn Sie keine Kleidung und Schuhe tragen? Bitte geben Sie Ihr Körpergewicht in kg an. Schwangere Frauen geben bitte ihr Gewicht vor der Schwangerschaft an."
In den hier dargestellten Tabellen wird die Prävalenz für Untergewicht, Normalgewicht, Übergewicht, Adipositas sowie Übergewicht einschließlich Adipositas der Bevölkerung ab 18 Jahren ausgewiesen. Die Ergebnisse werden nach Geschlecht, Alter und Bildung stratifiziert dargestellt, für Adipositas zusätzlich nach Geschlecht und Bundesland. Die Analysen basieren auf Daten von 23.791 teilnehmenden Personen ab 18 Jahren (13.006 Frauen, 10.785 Männer) mit gültigen Angaben zu Körpergewicht und -größe. Die Berechnungen wurden mit einem Gewichtungsfaktor durchgeführt, der Abweichungen der Stichprobe von der Bevölkerungsstruktur (Stand: 31.12.2014) hinsichtlich Geschlecht, Alter, Kreistyp und Bildung korrigiert. Der Kreistyp spiegelt den Grad der Urbanisierung wider und entspricht der regionalen Verteilung in Deutschland. Die Internationale Standardklassifikation für das Bildungswesen (ISCED) wurde verwendet, um die Angaben der Teilnehmenden zur Bildung vergleichbar zu machen [11]. Eine ausführliche Darstellung der Methodik von GEDA 2014/2015-EHIS findet sich im Beitrag Gesundheit in Deutschland aktuell neue Daten für Deutschland und Europa in Ausgabe 1/2017 des Journal of Health Monitoring.
47% der Frauen und 62% der Männer sind von Übergewicht (einschließlich Adipositas) betroffen, 18% der Erwachsenen weisen eine Adipositas auf.
Ergebnisse und Einordnung
In Deutschland weisen nach Auswertung der GEDA 2014/2015-EHIS-Daten 46,7% der Frauen und 61,6% der Männer einen BMI von mehr als 25 kg/m² auf und sind damit übergewichtig oder adipös. 28,8% der Frauen und 43,3% der Männer haben einen BMI zwischen 25 und 30 kg/m² und 18,1% der Erwachsenen sind von Adipositas betroffen (Tabelle 1 und Tabelle 2). Es zeigt sich, dass die Prävalenz von Übergewicht einschließlich Adipositas in den letzten Jahren unverändert hoch ist. Sie lag 2012 für Frauen bei 45,8% und für Männer bei 59,7% [12]. Die Adipositasprävalenz der GEDA 2014/2015-EHIS-Daten unterscheidet sich zwischen beiden Geschlechtern nicht wesentlich und hat im Vergleich zu 2010 um zwei Prozentpunkte zugenommen [12].
Tabelle 1
Frauen | Untergewicht | Normalgewicht | Übergewicht | Adipositas | Übergewicht ein- |
||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
% | (95%-KI) | % | (95%-KI) | % | (95%-KI) | % | (95%-KI) | % | (95%-KI) | ||
Frauen (gesamt) | 2,9 | 50,4 | 28,8 | 18,0 | 46,7 | ||||||
18 bis 29 Jahre | 7,5 | (6,2 bis 9,0) | 66,4 | 16,5 | 9,7 | 26,2 | |||||
Untere Bildungsgruppe | 10,9 | 56,7 | (50,6 bis 62,6) | 19,3 | (14,9 bis 24,6) | 13,1 | (9,3 bis 18,1) | 32,4 | (26,9 bis 38,4) | ||
Mittlere Bildungsgruppe | 6,5 | (5,2 bis 8,2) | 67,5 | (64,1 bis 70,8) | 16,3 | (13,8 bis 19,3) | 9,6 | (7,9 bis 11,6) | 25,9 | (23,0 bis 29,1) | |
Obere Bildungsgruppe | 5,4 | (3,5 bis 8,3) | 77,3 | (72,6 bis 81,4) | 12,3 | (9,5 bis 15,7) | 5,0 | (3,3 bis 7,5) | 17,3 | (13,9 bis 21,3) | |
30 bis 44 Jahre | 2,4 | (1,8 bis 3,1) | 56,1 | (53,7 bis 58,5) | 24,2 | (22,2 bis 26,3) | 17,3 | (15,4 bis 19,4) | 41,5 | (39,1 bis 43,9) | |
Untere Bildungsgruppe | 2,1 | (0,8 bis 5,8) | 34,5 | (28,4 bis 41,1) | 31,9 | (25,7 bis 38,8) | 31,5 | (24,7 bis 39,2) | 63,4 | (56,6 bis 69,6) | |
Mittlere Bildungsgruppe | 2,1 | (1,4 bis 3,0) | 55,2 | (52,2 bis 58,2) | 25,3 | (22,8 bis 28,0) | 17,4 | (15,2 bis 19,9) | 42,7 | (39,6 bis 45,8) | |
Obere Bildungsgruppe | 3,0 | (2,0 bis 4,6) | 70,6 | (67,5 bis 73,5) | 17,3 | (15,0 bis 19,9) | 9,1 | (7,2 bis 11,4) | 26,4 | (23,7 bis 29,3) | |
45 bis 64 Jahre | 1,6 | (1,2 bis 2,0) | 48,3 | (46,6 bis 50,0) | 30,5 | (28,9 bis 32,2) | 19,6 | (18,3 bis 21,1) | 50,1 | (48,4 bis 51,9) | |
Untere Bildungsgruppe | 1,4 | (0,7 bis 2,9) | 43,3 | (39,0 bis 47,8) | 33,1 | (28,9 bis 37,6) | 22,2 | (18,7 bis 26,0) | 55,3 | (50,9 bis 59,5) | |
Mittlere Bildungsgruppe | 1,6 | (1,2 bis 2,1) | 46,9 | (44,8 bis 49,1) | 30,4 | (28,4 bis 32,5) | 21,1 | (19,3 bis 22,9) | 51,5 | (49,3 bis 53,7) | |
Obere Bildungsgruppe | 1,7 | (1,1 bis 2,6) | 57,4 | (54,4 bis 60,2) | 28,3 | (25,8 bis 30,9) | 12,7 | (10,9 bis 14,7) | 41,0 | (38,1 bis 43,9) | |
≥ 65 Jahre | 2,2 | (1,5 bis 3,1) | 38,9 | (36,6 bis 41,2) | 37,6 | (35,5 bis 39,8) | 21,3 | (19,4 bis 23,3) | 58,9 | (56,5 bis 61,3) | |
Untere Bildungsgruppe | 2,5 | (1,5 bis 4,2) | 37,7 | (34,1 bis 41,5) | 37,6 | (34,1 bis 41,3) | 22,2 | (19,1 bis 25,5) | 59,8 | (55,9 bis 63,6) | |
Mittlere Bildungsgruppe | 2,2 | (1,4 bis 3,5) | 38,2 | (34,9 bis 41,6) | 38,8 | (35,8 bis 41,9) | 20,8 | (18,3 bis 23,5) | 59,6 | (56,0 bis 63,0) | |
Obere Bildungsgruppe | 0,8 | (0,3 bis 2,2) | 46,5 | (41,3 bis 51,8) | 32,0 | (27,4 bis 37,1) | 20,6 | (16,2 bis 25,8) | 52,7 | (47,4 bis 57,9) | |
1,8 | 44,1 | 35,9 | 18,1 | 54,0 |
* | Abweichungen der Prävalenz "Übergewicht einschließlich Adipositas" von der Summe der Prävalenz aus "Übergewicht" und "Adipositas" sind auf Rundung der Nachkommastelle zurückzuführen |
---|---|
KI = Konfidenzintervall |
Tabelle 2