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Startseite > Krankheiten/ Gesundheitsprobleme > Psychiatrisch, Nervensystem > Suizid > Text: Suizid, Kapitel 5.16 [Gesundheitsbericht für Deutschland, 1998]

Suizid, Kapitel 5.16 [Gesundheitsbericht für Deutschland, 1998]


[Depressionen, Kapitel 5.15] [Asthma, Kapitel 5.17] [Abstrakt] [Inhaltsverzeichnis] [Literaturverzeichnis]

5.16 Suizid

 

Unter Suizid (Selbstmord und -beschädigung) versteht man nach neueren Definitionen eine Handlung mit Todesfolge, die mit bewußter Absicht durchgeführt wird. Da sich die Erfahrung der Unausweichlichkeit und Endgültigkeit des Todes erst in der Präpubertät einstellt, ist fraglich, ab welchem Alter man tatsächlich von Suizid sprechen kann.
Als Suizidversuch (Selbstbeschädigungsversuch) bezeichnet man ein Verhalten, das in selbstmörderischer Absicht mit nichttödlichem Ausgang erfolgt. Dazu zählen auch Handlungen, die unterbrochen wurden, bevor eine tatsächliche Schädigung eintrat. Suizid-Gesten sind Handlungen, die keine ernsthafte Lebensgefahr nach sich ziehen. Suiziddrohungen umfassen alle verbalen Äußerungen oder Handlungen, die selbstschädigendes Verhalten ankündigen . Suizid-Ideen (Absichten) sind Gedanken an suizidale Handlungen.

 

Suizide

Häufigkeit und Trends

1995 gab es in Deutschland 12.888 Todesfälle wegen Suizid (ICD 9-Nr. E 950 bis E 959). Es handelte sich zu 71,6% um Männer und zu 28,4% um Frauen. Die standardisierte Sterbeziffer lag in Deutschland bei 14,6 je 100.000 Einwohner, im Osten war sie mit 17,5 deutlich höher als im Westen mit 13,9. Von 1980 bis 1995 sind die Todesfälle wegen Suizid im Westen bei Männern um 26,8% und bei Frauen um 43,1% zurückgegangen, im Osten um 40,1% bzw. 60,3% (siehe Abb. 5.16.1).

 

  Abb. 5.16.1 Suizidsterblichkeit  
  Die folgende Abbildung stellt die Suizidsterblichkeit in einem Liniendiagramm dar. Quelle ist die Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes. Die Sterbeziffern sind auf die neue Europastandardbevölkerung standardisiert. Auf der Y Achse wird in Zehnerschritten die Anzahl je 100.000 Einwohner Klammer auf standardisiert von 0 bis 50 Klammer zu gezeigt. Auf der X Achse werden in Dreierschritten die Jahre von Neunzehnhundertachtzig bis Neunzehnhundertfünfundneunzig dargestellt. Das Diagramm besteht aus vier Linien. Linie 1: Osten Männer, Linie 2: Westen Männer, Linie 3: Osten Frauen, Linie 4: Westen Frauen. Ab Neunzehnhunderteinundneunzig werden die Zahlen für Gesamtdeutschland berücksichtig. Neunzehnhundertfünfundneunzig gab es in Deutschland 12.888 Todesfälle wegen Suizid. Es handelte sich zu 71 Komma 6 Prozent um Männer und zu 28 Komma 4 Prozent um Frauen. Die standardisierte Sterbeziffer lag in Deutschland bei 14 Komma 6 je 100.000 Einwohner, im Osten war sie mit 17 Komma 5 deutlich höher als im Westen mit 13 Komma 9. Von Neunzehnhundertachtzig bis Neunzehnhundertfünfundneunzig sind die Todesfälle wegen Suizid im Westen bei Männern um 26 Komma 8 Prozent und bei Frauen um 43 Komma 1 Prozent zurückgegangen, im Osten um 40 Komma 1 Prozent beziehungsweise 60 Komma 3 Prozent. Neunzehnhundertfünfundneunzig lag in Deutschland die standardisierte Sterbeziffer der Männer mit 20 Komma 4 je 100.000 Einwohner um ein Vielfaches über jener der Frauen von 7 Komma 5; im Osten war der Abstand mit 29 Komma 3 gegenüber 8 Komma 4 sogar noch größer. Die Informationen aus dieser Abbildung werden gegebenenfalls auch im Text erläutert. Hinweis falls Sie die Abbildung als Einzelfundstelle aus der Trefferliste gewählt haben: Sie stammt aus dem Bericht Gesundheitsbericht für Deutschland Neunzehnhundertachtundneunzig, den Sie über den Link Verwandte, mit separater Stichwortsuche (Alt-Taste + Taste S) oder mit Hilfe des Links unterhalb der Abbildung erreichen können. Ende der Abbildungsbeschreibung.  
  Quelle: StBA, Todesursachenstatistik.
Die Sterbeziffern sind auf die neue Europastandardbevölkerung standardisiert. Der Geschlechtsvergleich ist eingeschränkt.
 

Weitere Informationen zum Thema Suizidsterblichkeit

 

1995 lag in Deutschland die standardisierte Sterbeziffer der Männer mit 20,4 je 100.000 Einwohner um ein Vielfaches über jener der Frauen von 7,5; im Osten war der Abstand mit 29,3 gegenüber 8,4 sogar noch größer.
Im europäischen Vergleich der Sterblichkeit nimmt Deutschland einen mittleren Platz ein. Bezogen auf die verlorenen Lebensjahre je 100.000 Einwohner unter 70 Jahren weisen Finnland und Österreich bei Männern und Luxemburg bzw. Portugal bei Frauen die höchsten Werte auf. Die niedrigsten Werte haben Griechenland und Italien (Männer) und Großbritannien und die Niederlande (Frauen).
Innerhalb Deutschlands variierten die standardisierten Suizidraten 1995 zwischen 11,0 je 100.000 Einwohner im Saarland und 22,4 in Bremen. Innerhalb der Flächenstaaten wiesen Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen bei den Männern die höchsten Werte auf. Allerdings wurden in diesen Ländern historisch schon immer überdurchschnittliche Suizidraten registriert (Müller; Bach [1994]).

 

  Abb. 5.16.2: Altersspezifische Suizidsterblichkeit 1995  
  Die folgende Abbildung stellt die altersspezifische Suizidsterblichkeit Neunzehnhundertfünfundneunzig in zwei gespiegelten Balkendiagrammen dar. Quelle ist die Todesursachenstatistik des Statistischen Bundesamtes. Ein Diagramm steht für die Werte für Männer, das andere für die Werte der Frauen. Auf der Y Achse werden folgende Altersgruppen gezeigt: über 84, 80 bis 84, 75 bis 79, 65 bis 74, 55 bis 64, 45 bis 54, 35 bis 44, 25 bis 34, 15 bis 24. Auf der X Achse wird in Fünfzigerschritten die Anzahl je 100.000 Männer beziehungsweise Frauen von 0 bis 200 dargestellt. Jeder Altersgruppe besteht aus zwei Balken: Balken 1: Westen, Balken 2: Osten. Mit zunehmendem Alter sinkt zwar der Anteil von Suiziden an allen Todesursachen, die absolute Zahl der Sterbefälle und die alterspezifische Suizidrate je 100.000 Einwohner steigen hingegen. Neunzehnhundertfünfundneunzig waren Suizide in Deutschland für 1 Komma 5 Prozent der männlichen und 0 Komma 8 Prozent der weiblichen Sterbefälle verantwortlich. Aufgrund der mit dem Alter zunehmenden Suizide und der Verschiebung der Alterspyramide in den letzten Jahren ist der Anteil der von alten Menschen begangenen Suizide überproportional gestiegen, bei den Frauen noch deutlicher als bei den Männern. Neunzehnhundertfünfundneunzig begingen die über 60 jährigen Frauen 48 Komma 7 Prozent aller Suizide, im Westen waren es 46 Komma 7 Prozent, im Osten 55 Komma 6 Prozent. Die Informationen aus dieser Abbildung werden gegebenenfalls auch im Text erläutert. Hinweis falls Sie die Abbildung als Einzelfundstelle aus der Trefferliste gewählt haben: Sie stammt aus dem Bericht Gesundheitsbericht für Deutschland Neunzehnhundertachtundneunzig, den Sie über den Link Verwandte, mit separater Stichwortsuche (Alt-Taste + Taste S) oder mit Hilfe des Links unterhalb der Abbildung erreichen können. Ende der Abbildungsbeschreibung.  
  Quelle: StBA, Todesursachenstatistik.  

Weitere Informationen zum Thema Altersspezifische Suizidsterblichkeit

 

Mit zunehmendem Alter sinkt zwar der Anteil von Suiziden an allen Todesursachen, die absolute Zahl der Sterbefälle und die alterspezifischen Suizidraten je 100.000 Einwohner steigen hingegen (siehe Abb. 5.16.2). 1995 waren Suizide in Deutschland für 1,5% der männlichen und 0,8% der weiblichen Sterbefälle verantwortlich. Die Interpretation von Höhe und Veränderung der Suizidhäufigkeiten muß die Dunkelziffer berücksichtigen. Nach Schätzungen des Bundeskriminalamtes sind mindestens 18% der Drogentoten als Suizide anzusehen; dies erhöht die Suizidraten in den jüngeren Altersgruppen. Auch bei alten Menschen können die Raten unterschätzt sein, z.B. wenn sich ein Suizid hinter einer anderen Todesursache verbirgt.
Legt man die mittlere Lebenserwartung zu Grunde, dann nimmt sich zur Zeit im Westen etwa jeder 71. Mann und jede 161. Frau selbst das Leben, im Osten ist es jeder 58. Mann bzw. jede 147. Frau. 1995 lag das durchschnittliche Sterbealter für freiwillig aus dem Leben geschiedene Männer bei 51,3 und für Frauen bei 58,6 Jahren.
Aufgrund der mit dem Alter zunehmenden Suizide und der Verschiebung der Alterspyramide in den letzten Jahren ist der Anteil der von alten Menschen begangenen Suizide überproportional gestiegen, bei den Frauen noch deutlicher als bei den Männern. 1995 begingen die über 60jährigen Frauen 48,7% aller Suizide; im Westen waren es 46,7%, im Osten 55,6%. Bei der nichtdeutschen Bevölkerung liegen sowohl die Suizidrate wie auch das durchschnittliche Sterbealter deutlich niedriger als bei der deutschen.

 

Methoden

Als Suizidmethoden werden in allen Altersgruppen überwiegend "harte" Methoden wie z.B. Erhängen, Erdrosseln und Ersticken angewandt. 1995 waren dies 6.687 Fälle. Harte Methoden haben bei Männern mit 56,1% eine größere relative Bedeutung als bei Frauen mit 41,4%. Sie werden auch im Kindes- und Jugendalter vornehmlich benützt. 65,8% aller Suizide bei 10 bis 14jährigen männlichen Kindern und Jugendlichen wurden 1995 durch Erhängen begangen, in der entsprechenden weiblichen Altersgruppe waren es mit 28,6% weitaus weniger.

 

Risikogruppen

Eine psychische Erkrankung erhöht das Risiko suizidaler Handlungen deutlich. Patienten mit wiederholten Suizidversuchen befinden oder befanden sich meist in psychiatrischer Behandlung (Wolfersdorf [1996]). Besonders gefährdet sind Personen in den ersten Monaten nach der Entlassung aus einer psychiatrischen Klinik. Bei Jüngeren werden überwiegend "Persönlichkeitsstörungen" und "Neurosen" diagnostiziert, obwohl einige Autoren auch Psychosen, insbesondere Schizophrenien, für bedeutsam erachten.
Nach den vorliegenden epidemiologischen Befunden gilt für folgende Gruppen ein besonders erhöhtes Suizidrisiko (Schmidtke u.a. [1996a]):

  • Depressive : Die Untergruppe der affektiven Psychosen weist insgesamt das höchste Suizidrisiko auf. Die Suizidrate liegt je nach beurteiltem Schweregrad der depressiven Symptomatik zwischen 4% bei allen depressiven Syndromen und 14 bis 15% bei depressiven Patienten, die wegen dieser Erkrankung stationär behandelt wurden.
  • Bei Patienten mit Schizophrenieerkrankungen werden Suizidraten von bis zu 13% geschätzt .
  • Alkoholiker : Die Suizidrate beträgt etwa 2% bei unbehandelten und bis zu 3,4% bei behandelten Alkoholikern. Das Risiko einer Suizidhandlung scheint im mittleren Lebensalter höher zu sein als in jüngeren Jahren.
  • Alte und Vereinsamte : Das Suizidrisiko nimmt mit dem Alter vor allem für Männer zu.
  • Die Suizidgefährdung Medikamenten- und Drogenabhängiger dürfte 5 bis 50mal höher sein als in der Gesamtbevölkerung.
  • Personen mit Suizidankündigungen .
  • Personen, die schon einen Suizidversuch unternommen haben , weisen nach einschlägigen Studien Suizidraten von 7 bis 22% auf.

Zu den Risikogruppen zählen außerdem noch chronisch Kranke mit geringer oder fehlender Heilungsaussicht oder einem hohen Sterberisiko. Bei Dialysepatienten soll das Suizidrisiko 100 bis 400mal größer sein als das der Normalbevölkerung, bei Magersucht 20mal, bei HIV-Infektionen und AIDS-Erkrankungen 7mal, bei Krebserkrankungen nach Schätzungen bis zu 20mal. Außerdem werden Personen in Haft - insbesondere in Untersuchungshaft - als besonders suizidgefährdet angesehen.
Die Ergebnisse epidemiologischer Untersuchungen, die sich mit der räumlichen Verteilung von Suiziden und Wechselbeziehungen mit sozialen Indikatoren beschäftigen, deuten einen Zusammenhang zwischen Suizidhäufigkeit und finanziellen oder sozialen Problemen an.

 

Suizidversuche

Häufigkeit und Trends

Suizidversuche werden offiziell nicht erfaßt. Auf der Basis der Ergebnisse einer Studie der WHO im Raum Würzburg und von Daten zur Inanspruchnahme stationärer Versorgungsleistungen werden etwa zwei Drittel aller registrierten Suizidversuche von Frauen unternommen. Im Raum Würzburg wurden 37% der Suizidversuche von Männern begangen.
Die geschätzten Suizidversuchsraten für Deutschland betrugen 1995 für die über 15jährigen 77 je 100.000 Einwohner bei Männern und 127 bei Frauen. Der Vergleich mit 1985 zeigt in etwa das gleiche Niveau. Im Vergleich zu Mitte der siebziger Jahre sind die Versuche bei Männern um die Hälfte und bei Frauen um ein Drittel gesunken.
Nach Schätzungen kommen bei den Männern drei Suizidversuche auf einen vollzogenen Suizid, bei den Frauen sind es zwölf. Damit muß man in Deutschland von jährlich 70.000 bis 75.000 Suizidversuchen in der Bevölkerung über 15 Jahren ausgehen, die einer medizinischen Behandlung bedürfen oder zugeführt werden müssen. Diese Zahl ist deutlich niedriger als frühere Schätzungen. Im europäischen Vergleich lagen die deutschen Untersuchungsgebiete im unteren Drittel (Schmidtke u.a. [1996a]).

Von Suizidversuchen sind mehrheitlich andere Altersgruppen betroffen als von vollzogenen Suiziden. Mit 340 Suizidversuchen je 100.000 Einwohner weisen 15 bis 19jährige Frauen die höchsten Raten auf.
Wenn Suizidversuche wiederholt werden, geschieht dies relativ kurz nach dem ersten Versuch. Über die Hälfte aller Wiederholungen fand in einem Zeitraum von 6 Monaten nach dem Erstversuch statt.

 

Methoden und Beurteilung der Intention

Im Gegensatz zu den vollzogenen Suiziden überwiegen bei Suizidversuchen "weiche" Methoden wie z.B. Vergiftungen mit Medikamenten bzw. einer Kombination von Medikamenten und Alkohol. Bei Männern machen sie 51% der Suizidversuche aus, bei Frauen 70%.
In den unteren Altersgruppen überwiegen Suizidversuche, die als "Hilferuf" einzustufen sind oder als Bemühen, sich zeitweise einer unangenehmen Situation zu entziehen. Bei den Älteren gelten sie dagegen meist als "ernsthaft". Von der "Ernsthaftigkeit" der Methode darf aber nicht auf die "Ernsthaftigkeit" des Suizidversuchs geschlossen werden.

 

Risikogruppen

Die Risikogruppen für Suizidversuche unterscheiden sich von denen für vollzogene Suizide. Folgende Faktoren erhöhen das Risko eines Suizidversuchs:

  • Psychische Erkrankungen : Bei den Suizidversuchen von Frauen dominieren neurotische Erkrankungen und Persönlichkeitsstörungen (Schmidtke u.a. [1996b]).
  • Suchtdiagnosen : Bis zu 80% aller Alkoholiker versuchen sich das Leben zu nehmen, bei Drogenabhängigen sind es zwischen 19% und 67%. Besonders gefährdet sind Polytoxikomane, d.h. von unterschiedlichen Suchtstoffen Abhängige.
  • Sexueller Mißbrauch : Das Risiko ist besonders hoch.
  • Bei mehreren psychischen Störungen steigt das Risiko deutlich an, vor allem bei den Kombinationen "Depression und Angsterkrankung" und "Depression und Borderline-Persönlichkeit".
  • Suizidversuche sind in städtischen Gebieten häufiger als in ländlichen. Nach einer WHO-Studie werden 70% aller Versuche in städtischen Gebieten unternommen.
  • Angehörige der unteren sozialen Schichten, Personen mit niedriger Schul- und Berufsbildung sowie Arbeitslose unternehmen überproportional häufig Suizidversuche.

Mit zunehmender "Ernsthaftigkeit" des Suizidversuchs nähern sich die sozialen und demographischen Merkmale der Betroffenen denen von Suizid-Todesfällen.

 

Prävention

Auch wenn viele der Risikofaktoren bekannt sind, ist es im Einzelfall schwierig, einen Suizidversuch vorherzusagen. Bisher gibt es kein Verfahren, das im Einzelfall mit einer hinreichenden Spezifität und Sensitivität verläßliche Aussagen ermöglicht. Die Wirksamkeit primärer Suizidprävention ist umstritten.
In Deutschland gibt es kein länderübergreifendes Versorgungskonzept für durch Suizid gefährdete Menschen. Die meist von Kirchen getragenen Telefonseelsorgeeinrichtungen sind die einzigen überregionalen primär- und sekundärpräventiven Einrichtungen. Ihre präventive Wirksamkeit ist allerdings nicht eindeutig.
In verschiedenen Ländern und Regionen gibt es einzelne Einrichtungen zur primären und sekundären Suizidprophylaxe. Sie bieten eine Kombination von Fach- und Laienhilfe an und werden meist durch Vereine finanziert, teilweise aber auch durch staatliche Zuschüsse, wie z.B. in Baden-Württemberg und in Berlin. Für spezifische Gruppen wie Schüler und Bundeswehrsoldaten gibt es von den Kultusministerien der Länder oder dem Bundesministerium für Verteidigung getragene Aktivitäten, die häufig über suizidales Verhalten aufklären und helfen, Risikofaktoren zu erkennen. Die Effektivität solcher Programme wurde bisher nicht geprüft.
Man kann den Zugang zu Suizidmitteln erschweren, indem Abgase im Haushalt und am Kfz entgiftet, Waffengesetze verschärft, Brücken mit Schutzvorrichtungen versehen, und weniger toxische Medikamente verschrieben werden. Die Auswirkungen sind jedoch meist zeitlich begrenzt und reduzieren die Suizidraten nur solange, bis die Betroffenen zu neuen Methoden übergehen.
Nach überwiegender Meinung besteht die beste sekundäre Suizidprävention darin, suizidale Tendenzen zu erkennen und psychiatrische Grunderkrankungen zu behandeln. Vor allem im Alter sollte zunächst der Hausarzt im Zentrum suizidpräventiver Maßnahmen stehen (Wächtler [1984]). Er kann am ehesten in Krisen suizidpräventiv eingreifen, da er einen engen Bezug zur sozialen Umwelt des Patienten hat. Untersuchungen zeigen jedoch, daß Allgemeinärzte suizidale Tendenzen bisher nur unzureichend erkennen.
Nach einem Suizidversuch benötigen Patienten eine spezielle Motivation und Führung. Der Kontakt mit dem Patienten sollte möglichst früh aufgenommen werden, auch wenn er noch nicht voll ansprechbar ist; er darf nicht abreißen und muß auch vom Therapeuten initiiert werden. Die meisten Studien zu therapeutischen Maßnahmen zeigen, daß die Aktivität des Therapeuten einen großen Einfluß auf den Therapieerfolg hat. Wird eine strukturierte Nachsorge von einem Therapeuten erbracht, dann ist sie effektiver als bei einem Therapeutenwechsel, selbst wenn die Behandlung weniger lang andauert (Möller u.a. [1994]).

 

Versorgung

Nach einer Erhebung der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention gibt es in ländlichen Gebieten weniger Hilfsangebote für Patienten nach einem Suizidversuch als in den Städten. Im großstädtischen Raum stehen meist qualifizierte Angebote zur Verfügung, in vielen ländlichen Gebieten wird meist nur eine somatische Versorgung angeboten.
Nach einem Suizidversuch finden meist mehrere Kontakte mit Gesundheitseinrichtungen statt; der erste läuft meist über den Notarzt. Er überweist 65 bis 85% der Patienten zur somatischen Behandlung in ein Allgemeinkrankenhaus. Daneben spielen niedergelassenene Ärzte vor allem in ländlichen Gebieten und Beratungsstellen in den Städten eine größere Rolle. Etwa 88% aller Personen haben im Verlauf der Behandlung Kontakt mit einer psychiatrischen Einrichtung, 35% mit einer ambulanten und 53% mit einer stationären.

 

Kosten des Suizids

Zu den durch Suizidversuch und Suizid verursachten direkten Kosten zählen die Ausgaben für die somatische und psychosomatische Behandlung, z.B. die Aufwendungen für den Notarzt, die Ermittlungskosten der Behörden, die Transportkosten in eine Klinik und die dortige Behandlung. Aufgrund der geschätzten Zahl von Suizidversuchen, der mittleren Verweildauer im Krankenhaus und entsprechender Kostensätze für Notarzt und stationäre Versorgung lassen sich die direkten Kosten auf 57 bis 200 Mio. DM beziffern.
Bei Suizidversuchen mit "weichen" Methoden bleiben nach der WHO-Studie etwa 65% der Patienten zumindest einen Tag im Krankenhaus. Bei "harten" Methoden, wie z.B. Springen mit nachfolgender Querschnittslähmung, sind die Kosten im Einzelfall teilweise sehr hoch. Außerdem wirkt kostensteigernd, daß 53% der Patienten im Anschluß an einen Suizidversuch in einer psychiatrischen Klinik behandelt werden. Diese Kosten sind in den obigen Angaben nicht berücksichtigt.
Zu den indirekten Kosten eines Suizids zählen die verlorenen Erwerbstätigkeits- und Lebensjahre und die psychischen Auswirkungen. Jeder Suizid betrifft nach verschiedenen Studien im Mittel direkt fünf andere Personen. Bei Kindern wird z.B. angenommen, daß schwere Persönlichkeitsstörungen und Depressionen auf einen elterlichen Suizid folgen können. Es gibt dazu noch weitere Suizidarten, die andere Personen direkt betreffen und hohe Folgekosten, u.a. für Behandlungen, nach sich ziehen (z.B. Eisenbahnsuizide).

 

Steuerung

Aufgrund bisher fehlender bundesweiter Präventionsprogramme fordert die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention dazu auf, Suizidprävention als gesundheitspolitische Aufgabe zu verstehen und primär- und sekundärpräventive Konzepte zu entwickeln. Dabei wird vor allem auf die notwendige enge Vernetzung verschiedener Einrichtungen hingewiesen. Einrichtung und Förderung von Modellen der Suizidprävention und Krisenintervention sind insbesondere für Jugendliche und junge Erwachsene, alte Menschen, psychisch Kranke sowie nichtdeutsche Mitbürger zu schaffen. Die Fort- und Weiterbildung in Fragen der Suizidprävention und Krisenintervention sollte obligatorischer Bestandteil der Ausbildungs- und Studienordnungen psychosozialer und medizinischer Berufe sein.
Zur generellen Prävention sollte man vor allem die Schule als Ort sozialen Lernens einbeziehen und einen Verhaltenskodex für die Berichterstattung über suizidales Verhalten entwickeln. Ländervergleichende Studien zeigen, daß zwischen der Art der Berichterstattung in den Medien und der Suizidrate ein Zusammenhang besteht (Fekete; Schmidtke [1996]), und daß eine zurückhaltende Berichterstattung einen deutlich suizidpräventiven Effekt ausübt.
Krisenhilfsangebote sollten zu jeder Tages- und Nachtzeit zur Verfügung stehen; das betrifft vor allem die Stunden außerhalb der Öffnungszeiten von Beratungsstellen und sozialpsychiatrischen Diensten. Die Angebote sollten telefonisch und persönlich erreichbar sein, und wo notwendig auch aufsuchend helfen. Sie sollten ein psychosoziales Hilfeangebot vorhalten und bei Bedarf fachärztliche Kompetenz hinzuziehen können. Ihr Einzugsgebiet sollte 300.000 bis 500.000 Einwohner umfassen. Die entsprechenden Dienste müssen eng mit den anderen psychosozialen Einrichtungen der Region und mit den Einrichtungen des Rettungswesens zusammenarbeiten. Sie sollten strukturell über einen festen Kern von Mitarbeitern verfügen, der um eine Gruppe von Honorarkräften oder ehrenamtlichen Mitarbeitern erweitert sein kann. Über die Akuthilfe hinaus sollten auch weiterführende Gesprächsmöglichkeiten angeboten werden.

 

Vertiefende Literatur

Maris, R.W.; Silverman, M.M.; Canetto, S.S. [1997]: Review of Suicidology . New York: Guilford.

Möller, H. bis J.; Bürk, F.; Dietzfelbinger, T.; Kurz, A.; Torhorst, A.; Wächtler, C.; Lauter, H. (Hrsg.) [1994]: Ambulante Nachbetreuung von Patienten nach Suizidversuch . Regensburg: Roderer.

Schmidtke, A.; Weinacker, B.; Fricke, S. [1996]: Epidemiologie von Suizid und Suizidversuch. In: Nervenheilkunde 15, S. 496 bis 506.

Wedler, H.; Wolfersdorf, M.; Welz, R. [1992]: Therapie bei Suizidgefährdung: Ein Handbuch. Regensburg: Roderer.

Wolfersdorf, M.; Kaschka, W.P. [1996]: Suizidalität: Die biologische Dimension . Berlin: Springer.

 


Kapitel 5.16 Suizid [Gesundheitsbericht für Deutschland 1998]


[Depressionen, Kapitel 5.15] [Asthma, Kapitel 5.17] [Abstrakt] [Inhaltsverzeichnis] [Literaturverzeichnis]


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