Lebensmittelbedingte Erkrankungen [Gesundheitsberichterstattung - Themenhefte, 2002]
[Heft 5: Behandlungsfehler] [Heft 7: Chronische Schmerzen] [Abstrakt] [Inhaltsverzeichnis]
Heft 6 - Lebensmittelbedingte Erkrankungen in Deutschland
aus der Reihe "Gesundheitsberichterstattung des Bundes"
Autoren: |
Dr. Andrea Ammon
Robert Koch-Institut, Berlin |
Dr. Juliane Bräunig
Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, Berlin |
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Redaktion: |
Robert Koch-Institut
Gesundheitsberichterstattung Dr. Thomas Ziese (v.i.S.d.P.) Seestraße 10 13353 Berlin |
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Herausgeber: |
Robert Koch-Institut
(2002) |
Einleitung
Meldungen über Lebensmittelinfektionen und
-intoxikationen haben in den letzten 25 Jahren
stark zugenommen und sind vermehrt in die Aufmerksamkeit
der Öffentlichkeit getreten. Verschiedene
Gründe haben dazu geführt, dass sich
das Infektionsgeschehen in den letzten zwei Jahrzehnten
verändert hat und zumindest einige der
Lebensmittelinfektionen zu den »
emerging infections
«
(Auftreten von Erkrankungen durch neue
Erreger) gezählt werden.
Lebensmittel sind weltweit wichtige Überträger
von Infektionskrankheiten des Menschen.
Allerdings sind die jeweils vorherrschenden
Krankheitserreger in den verschiedenen Regionen
der Welt unterschiedlich. Cholera, Tuberkulose
oder Brucellose haben in den westlichen
Industrieländern schon lange keine Bedeutung mehr. An
ihre Stelle sind andere Erkrankungen getreten
wie u.a. Salmonellose, Campylobacteriose, Infektionen
mit enterohämorrhagischen
E. coli
(EHEC) und
mit verschiedenen Viren. Mit verbesserten mikrobiologischen
Verfahren gelingt es heute, mehr und
»neue« Erreger nachzuweisen. Es handelt sich
dabei nicht unbedingt um neue Keime im engen
Sinne des Wortes, sondern auch um Erreger, deren
lebensmittelbedingter Infektionsweg bis dahin
nicht bekannt war. Veränderte Umweltbedingungen, u.a. eine größere Tierzahl auf immer engerem Raum,
können die selektive Vermehrung bestimmter
Keime bewirken. Ebenso kann sich das
Verhalten von bereits lange bekannten Mikroorganismen
aufgrund veränderter Wachstumsbedingungen oder
genetischer Veränderungen wandeln und so zu
»emerging« oder »
re-emerging infections
« führen.
Erreger von Lebensmittelinfektionen, die in den letzten 25 Jahren neu oder neu als lebensmittelbedingt erkannt wurden
modifiziert nach Tauxe, 1997
- Campylobacter jejuni
- Cryptosporidium parvum
- Cyclospora cayetanensis
- Escherichia coli O157:H7 und andere EHEC
- Listeria monocytogenes
- Norwalk-like Viren
- Salmonella Enteritidis Lysotyp PT 4
- Salmonella Typhimurium DT 104
- Vibrio cholerae O1, O139
- Vibrio parahaemolyticus
- Yersinia enterocolitica
Einige dieser Erreger sind inzwischen gut bekannt und in die Routinediagnostik integriert. Bei anderen, insbesondere parasitischen Erregern wie u.a. Cyclospora, lässt die mangelnde Untersuchungshäufigkeit keine Einschätzung über ihre Bedeutung in Deutschland zu. Lediglich durch Berichte aus den USA und Kanada ist bekannt, dass Ausbrüche im Jahr 1996 und den folgenden Jahren vor allem durch importierte Himbeeren verursacht wurden. Enterohämorrhagische E. coli (EHEC) werden seit 1982 als humanpathogene (den Menschen krank machende) Erreger von Lebensmittelinfektionen beschrieben und sind seither mit einer Vielzahl von Lebensmitteln in Zusammenhang gebracht worden.
Noch nie zuvor gab es das ganze Jahr über ein so breites Angebot von Lebensmitteln aus allen Teilen der Welt wie heute. Daraus resultieren veränderte Ernährungsgewohnheiten der Verbraucher, die als ein Faktor für einen Anstieg der Lebensmittelinfektionen in jüngerer Zeit gelten:- Die Zunahme des Obst- und Gemüseverzehrs sowie die erhöhte Nachfrage nach Lebensmitteln ohne Konservierungsmittel haben den Anteil von Lebensmitteln erhöht, die vor dem Verzehr keinen oder einen nicht ausreichenden Prozess der Keimreduktion durchlaufen. Naturbelassene, unbehandelte, roh verzehrte Lebensmittel gelten als gesund, verarbeitete als weniger gesund und »risikobehaftet«. Zumindest in rohen Lebensmitteln tierischer Herkunft kann aber die Anwesenheit von Salmonellen, Listerien, Escherichia coli, Campylobacter u.a. nicht ausgeschlossen werden. Neuere Untersuchungen haben festgestellt, dass u.a. lose »Milch ab Hof« bei Rohverzehr ein nicht unerhebliches gesundheitliches Risiko darstellt. Mit der Rohware können krankheitserregende Keime in die Küchen gelangen. Bei Vernachlässigung hygienischer Grundregeln kann es zu einer mikrobiellen Verunreinigung anderer Lebensmittel kommen, nicht ausreichendes Erhitzen oder ungenügende Kühlung können zum Entstehen von Lebensmittelinfektionen und -intoxikationen beitragen. So ist neben allen gesetzgeberischen Maßnahmen der Verbraucher aufgefordert, dass erforderliche Verständnis für den besonderen Charakter der betreffenden Lebensmittel, die notwendige persönliche Hygiene und Sorgfalt sowie Hygiene beim Umgang mit Lebensmitteln und deren Zubereitung zu wahren. Auch die Lebensmittelindustrie hat sich auf das geänderte Verbraucherverhalten eingestelltund stellt Produkte her, die keine Konservierungsstoffe enthalten. Durch Nichtbeachtung entsprechender Lager- und Transportbedingungen können Keime in das Lebensmittel gelangen und sich dann dort auch vermehren.
- Immer mehr Mahlzeiten werden außer Haus eingenommen, oder zumindest nicht zu Hause zubereitet. Das bedeutet, dass wenig Zeit für die Herrichtung der Mahlzeiten zu Hause aufgewendet wird und unter Umständen nur mangelnde Kenntnisse im Wissen um den Umgang mit Lebensmitteln und die Zubereitung bestimmter Speisen vorhanden sind.
- Moderne Vermarktungsstrategien und ein weltweiter Lebensmittelhandel erhöhen heute trotz umfangreicher Hygienemaßnahmen die Möglichkeit, dass durch eine zentralisierte Herstellung und Bearbeitung der Lebensmittel mit verlängerten Transportwegen und -zeiten bei einer Kontamination eine Vielzahl von Menschen betroffen sein können.
- Ein steigender Anteil auf Reisen erworbener lebensmittelbedingter Erkrankungen ist Ausdruck eines sich ständig verstärkenden weltweiten Tourismus.
Die Vielfalt dieser Gründe lässt vermuten, dass auch zukünftig Lebensmittelinfektionen eine wichtige Rolle im Bereich der öffentlichen Gesundheit spielen werden. Neue Erkrankungen und Risiken werden Aufmerksamkeit verlangen. Als Beispiel dafür kann das in den letzten Jahren gehäufte Auftreten der Bovinen Spongiformen Enzephalopathie (BSE) und der vermutete Zusammenhang mit der neuen Variante der Creutzfeld-Jacob-Krankheit (vCJK) gelten.
Verbreitung und Krankheitsbilder
lebensmittelbedingter Infektionen
Bakterielle Infektionen
Salmonellen
Die Salmonellose ist mit über 70.000 Meldungen weiterhin die am häufigsten registrierte lebensmittelbedingte Erkrankung, aber seit 1992 stark rückläufig (Meldungen Stand 31.12.2001: 77.186). Als Ursachen für den Rückgang der Zahlen werden die verbesserte Kontrolle von Eiern durch die Hühnereiverordnung von 1994, aber auch das Nachlassen der Untersuchungsbereitschaft von Erkrankten angesehen. Mit Salmonellen belastet waren im Jahr 2000 insbesondere Geflügelfleisch, aber auch Fleischteilstücke von Rind, Kalb und Schwein. Nach Infektion beträgt die Inkubationszeit von S. Enteritidis gewöhnlich 6 bis 48 Stunden. Mit ca. 45% steht S. Enteritidis an der Spitze der Salmonellenmeldungen.Inzwischen verbreitet sich ein weiterer Salmonellentyp, der zum Serovar Typhimurium gehört und als DT104 bezeichnet wird. Dieser Stamm besitzt eine breite Antibiotika-Mehrfachresistenz, was Komplikationen verursacht, wenn der betroffene Patient zusätzlich zum Durchfall ein typhusartiges Krankheitsbild entwickelt.
Besondere epidemiologische Bedeutung haben in den letzten Jahren Salmonella-Ausbrüche und Einzelfälle gefunden, die auf den Genuss von Sprossen zurückzuführen waren. Dies zeigt, dass sich Salmonellen nicht nur über Fleisch- und Eiprodukte ausbreiten können, sondern auch über pflanzliche Nahrungsmittel.

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Campylobacter
Zu den häufigsten bakteriellen Durchfallerregern in Europa und Amerika gehören Campylobacter jejuni/coli , die meistens nur leichte bis mittelschwere Durchfälle und seltener spektakuläre Ausbrüche hervorrufen, jedoch als Komplikation zum Guillain-Barré Syndrom 2 führen können. Die Inkubationszeit beträgt meist 2 bis 5 Tage. Campylobacter ssp. sind besonders in Geflügel- und Schweinebeständen weit verbreitet. Bislang lagen Zahlen darüber nur aus einigen Bundesländern vor, seit Januar 2001 gibt es im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes eine spezifische Meldepflicht für Campylobacter-Nachweise (Meldungen Stand 31.12.2001: 54.410). Im Jahr 2000 wurden bundesweit knapp 30.000 Fälle von Campylobacter-Infektionen gemeldet.
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Yersinien
Humanpathogene Y. enterocolitica -Stämme sind in Deutschland die dritthäufigsten bakteriellen Erreger von Nahrungsmittelinfektionen. Im Jahr 2000 wurden 4.500 Fälle gemeldet. Sie haben ihren Ursprung in Schweinebeständen und vermehren sich - aufgrund ihrer kälteliebenden Eigenschaften - insbesondere durch eine längere Lagerung im Kühlschrank (Kälteanreicherung) im betroffenen Lebensmittel zu einer für eine Infektion hinreichenden Menge. Die Inkubationszeit dauert einen bis zehn Tage. Yersinia pseudotuberculosis kommt in Deutschland und Westeuropa selten vor, kann aber in Osteuropa und Asien (Russland) eine epidemiologische Bedeutung einnehmen. Infektionen mit humanpathogenen Yersinien können im Anschluss an die Darminfektion in eine Infekt-Arthritis (Gelenkentzündung) übergehen, die sich über Wochen bis Monate erstrecken kann. Hier liegt in der Mehrzahl der Fälle eine genetische Disposition der Patienten zu Grunde. Auch für eine Infektion mit Yersinien lagen bislang Zahlen nur aus einigen Bundesländern vor. Seit Januar 2001 gibt es im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes eine spezifische Meldepflicht für Yersinia enterocolitica-Nachweise (Meldungen Stand 31.12.2001: 7.186).
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Enterohämorrhagische E. coli (EHEC)
EHEC-Bakterien sind gegenwärtig weltweit epidemisch
im Vormarsch und haben sich offenbar erst
in jüngster Zeit aus
E. coli
entwickelt
(durch horizontalen Gentransfer). Als Reservoir der EHEC-Bakterien gelten vor allem Rinderbestände, so dass
Rindfleisch- und Milchprodukte (Rohwürste,
Rohmilch, Rohmilchkäse) aber auch pflanzliche
Lebensmittel (Sprossen, unpasteurisierte Säfte) als
Infektionsquelle dienen. Durch ihre niedrige
Infektionsdosis (weniger als 700 Bakterien) können
auch sehr geringe Konzentrationen an EHEC-Bakterien
Krankheitssymptome auslösen. Da nach der
Infektion (Inkubationszeit 1 bis 10 Tage) durch die
Wirkung ihrer Toxine lebensbedrohliche Syndrome
bei Kleinkindern entstehen können (wie das
hämolytisch-urämische Syndrom HUS
3
), muss
eine Weiterverbreitung rechtzeitig durch einen gesicherten
Nachweis der Bakterien verhindert sowie
eine frühzeitige Erkennung des HUS gewährleistet
sein. Kleinkinder sollten wegen des schweren
Krankheitsbildes nach einer Infektion vor dem
Genuss von rohen Produkten tierischer Herkunft
geschützt werden.
In Deutschland sind EHEC-Infektionen seit
November 1998 meldepflichtig (Meldungen Stand
31.12.2001: 1.018).
Botulismus
Lebensmittelintoxikationen durch das Botulinus-Toxin haben dank hygienisch verlässlicher Lebensmitteltechnologien, vor allem durch genügendes Erhitzen und hohe Kochsalzkonzentrationen, weitgehend an Bedeutung verloren (Meldungen Stand 31.12.2001: 8, etwa gleiche Fallzahl wie im Jahr 2000). Da die Bakterien jedoch ubiquitär verbreitet sind, ist die Möglichkeit gegeben, dass Clostridium botulinum-Sporen in die fertigen Lebensmittel geraten, dort auskeimen und sich vermehren. Nach einer Inkubationszeit von zwei Stunden bis zu acht Tagen (gewöhnlich 12 bis 24 Stunden) kann die lebensbedrohliche Erkrankung folgende Formen annehmen:
- lebensmittelbedingter Botulismus mit Hirnnervenstörung, u.a. Ptosis (Lähmung des Oberlids), Seh- (Doppelbilder) und Schluckstörungen; in schweren Fällen schnell fortschreitende, symmetrische, absteigende schlaffe Lähmung;
- Säuglingsbotulismus mit anhaltender Obstipation, Gedeihstörung, Trinkschwäche, Schluckbeschwerden, allgemeiner Muskelschwäche einschließlich Atmungsstörung bei Kindern unter einem Jahr;
- Wundbotulismus mit einem klinischen Bild wie bei lebensmittelbedingtem Botulismus nach Besiedlung von Wunden durch C. botulinum .
Staphylococcus aureus
Die Bevölkerung ist zu 30 bis 50% mit S. aureus -Stämmen (u.a. Nase, Haut) besiedelt. Ca. 40% der S. aureus-Stämme können Toxine bilden, die von den Bakterien bereits im Lebensmittel gebildet werden (bei anderen Bakterien entstehen die Toxine erst nach Aufnahme des mikrobiell verunreinigten Lebensmittels im Körper). Durch Unachtsamkeiten und hygienische Mängel können die enterotoxischen Stämme infizierter Menschen in die Lebensmittel gelangen. Nach einer kurzen Inkubationszeit von einer bis vier Stunden entwickelt sich die Staphylokokken-Lebensmittelvergiftung. Sie beginnt akut mit Übelkeit, Erbrechen, Bauchkrämpfen und schwerem Krankheitsgefühl, oft mit Durchfall, manchmal auch mit leichtem Fieber.
Listeria monocytogenes
Erkrankungen durch L. monocytogenes sind zwar selten, da es sich bei ihnen aber um meist schwere systemische Krankheitsbilder wie Sepsis (»Blutvergiftung«) oder Meningitis (Hirnhautentzündung) handelt, werden Fälle von Listeriosen deutlicher wahrgenommen als es bei den anderen Infektionen, die vorwiegend mit Durchfällen in Erscheinung treten, der Fall ist. Die Inkubationszeit beträgt zwischen vier Tagen und einer Woche. Die Bakterien kommen in Rohmilchprodukten (Käse), rohgeräuchertem Fisch oder Rohwürsten vor. Listerien sind weit verbreitet, allerdings betrifft das vor allem die nicht-krankheitserregenden Listerien, z.B. Listeria innocua , die durch ihre hohe Verbreitung zu einer Immunität gegen L. monocytogenes führt. Seit Januar 2001 werden Infektionen mit L. monocytogenes bei Neugeborenen, sowie bei Sepsis und Meningitis registriert (Meldungen Stand 31.12.2001: 213).
Clostridium perfringens und Bacillus cereus
Im Unterschied zu C. botulinum sind Lebensmittelvergiftungen durch C. perfringens und B. cereus nur nach einer massiven Vermehrung dieser Keime möglich. Bei beiden Keimen werden die Krankheitserscheinungen (Durchfall, Erbrechen) nach einer Inkubationszeit von 6 bis 24 Stunden durch Toxine hervorgerufen, die nach Aufnahme der Erreger im Körper gebildet werden. Ihre Bedeutung als Lebensmittelvergifter ist stark rückläufig und weist immer auf extreme hygienische Mängel bei der Lebensmittelherstellung hin. Strikte Einhaltung hygienischer Maßnahmen kann solche Lebensmittelvergiftungen verhindern.
Shigellen
Die verschiedenen Shigella-Spezies ( S. sonnei, flexneri , boydii , dysenteriae ) sind in Deutschland seit einigen Jahren nicht mehr endemisch, sondern treten nur als Importe (Lebensmittel, Tourismus) oder Sekundärinfektionen auf (Meldungen Stand 31.12.2001: 1.618, Erhöhung von 200 Fällen gegenüber dem Vorjahr). Shigellen verursachen, nach einer Inkubationszeit von 12 Stunden bis sechs Tagen, Durchfälle, Fieber und Bauchkrämpfe. Durch ihre niedrige Infektionsdosis (200 Bakterien) werden Shigellen meistens von Mensch zu Mensch verbreitet und weniger über Lebensmittel.
Lebensmittelbedingte bakterielle Infektionskrankheiten von gegenwärtig untergeordneter seuchen-hygienischer Bedeutung
Infektionen durch Vibrio cholerae und parahaemo-lyticus sind in Deutschland sehr selten und nur im Ausland erworben. Sie spielen nur bei importierten Lebensmitteln (meist Fisch und andere Meerestiere) eine Rolle. Vibrionen sind eigentlich sog. Wasserkeime, die besonders durch verschmutztes Trinkwasser verbreitet werden. Infektionsherde mit Brucella melitensis , B. abortus , B. suis , Mycobacterium bovis (tuberculosis ) oder B. anthracis sind in Deutschland erloschen und daher eine Übertragung über Lebensmittel auszuschließen. Durch die Globalisierung des Handels bleiben Infektionsmöglichkeiten aber weiterhin gegeben.
Virale Infektionen
Hepatitis A und E
Zu den Viren, die prinzipiell über Lebensmittel
übertragbar sind, gehören die Hepatitis-A-Viren
(HAV) und Hepatitis-E-Viren (HEV), obwohl für
Hepatitis-A-Viren der enge persönliche Kontakt der
häufigste Übertragungsweg ist. Sowohl HAV als
auch HEV können durch mit Fäkalien verunreinigtes
Trinkwasser oder kontaminierte, meistens
ungekochte Lebensmittel übertragen werden. HAV können im Wasser bis zu 10 Monate infektiös
bleiben und so durch den Verzehr von Muscheln und
anderen Schalentieren, die in abwasserverunreinigten
Gewässern gezüchtet bzw. geerntet werden,
aufgenommen werden. HAV-Ausbrüche werden in
den USA auch nach dem Schwimmen in Seen oder
ungechlorten Swimmingpools beschrieben. In
Deutschland nimmt die Häufigkeit der
Hepatitis A-Erkrankungen aufgrund verbesserter hygienischer
Bedingungen in Familien und Kindereinrichtungen sowie bei
der Lebensmittel- und Wasserversorgung seit dem 2. Weltkrieg
ständig ab (Meldungen Stand 31.12.2001: 2.277, dies entspricht dem
rückläufigen Trend).
Die Hepatitis A gehört in Deutschland zu den
wichtigsten importierten Viruserkrankungen, da
schätzungsweise mehr als die Hälfte aller
gemeldeten Erkrankungen in Ländern mit hoher
Hepatitis A-Gefährdung erworben werden (Südeuropa,
Afrika, Mittel- und Südamerika, Asien). Die höchste
Inzidenzrate ist bei den 5 bis 14-Jährigen zu verzeichnen.
Bei Kindern verlaufen die Infektionen im
Gegensatz zu Jugendlichen und Erwachsenen
überwiegend asymptomatisch.
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Das Hepatitis E-Virus (HEV) spielt in Deutschland nur eine sehr untergeordnete Rolle. HEV wird lediglich in einigen wenigen Fällen bei Urlaubern, die aus Endemiegebieten zurückkehren oder bei Immigranten diagnostiziert. Es ist besonders Entwicklungsländern endemisch und für Epidemien mit Tausenden von Fällen in verschiedenen Gebieten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas verantwortlich. Die Inkubationszeit beträgt 22 bis 60 Tage (durchschnittlich 40 Tage). Die Dauer der Infektiosität nach einer akuten Infektion ist bisher unbekannt, die HEV-Ausscheidung wird jedoch bis zu 14 Tage nach Krankheitsbeginn beobachtet. Beide Hepatitisformen (HAV und HEV) haben einen selbstbegrenzten akuten Verlauf mit meist geringer Sterblichkeit. Über schwere Verläufe wurde bei HEV-infizierten schwangeren Frauen berichtet (17 bis 33% Letalität).
Zur weiteren Zurückdrängung der Hepatitis A wird vor der ersten Reise in Gebiete mit hoher Hepatitis A-Prävalenz eine Schutzimpfung und im Umkreis von Hepatitis A-Erkrankungen eine Riegelungsimpfung empfohlen (siehe Empfehlungen der STIKO , Epidemiologisches Bulletin des RKI 2/2000 ). Zur Prävention einer Hepatitis E-Infektion steht kein Impfstoff zur Verfügung. Hier kann bei Reisen in Endemiegebiete nur durch Einhaltung aller Hygienemaßnahmen und das Vermeiden von Leitungswasser (auch Eiswürfel), ungekochten Schalentieren, Obst und Gemüse (ungeschält) einer Infektion vorgebeugt werden.
Rotaviren
Als häufigste Erreger viraler Gastroenteritiserkrankungen
haben Rotaviren große Bedeutung.
Seit Januar 2001 ist der Erregernachweis meldepflichtig
(Meldungen Stand 31.12.2001: 47.485),
vorher waren nur aus einigen Bundesländern
Zahlen verfügbar.
Die Inkubationszeit beträgt bis zu 48 Stunden,
die Ausscheidungsdauer drei bis vier Tage nach
Krankheitsbeginn. Das klinische Bild umfasst Fieber,
Erbrechen, Durchfall, häufig Austrocknung.
Eine Schutzimpfung gegen Rotaviren ist noch nicht
möglich; Behandlungsmaßnahmen können nur
die Symptome der Erkrankung lindern.
Rotaviren sind hoch ansteckend und können
für mehrere Stunden an Händen oder anderen
kontaminierten Oberflächen (u.a. Spielzeug) überleben.
In einer Studie konnten infektiöse Rotaviren
auch nach mehreren Tagen Lagerung an Gemüse
nachgewiesen werden. Obwohl die Mehrzahl der
Krankheitsfälle Kinder betrifft, sind lebensmittel-
oder wasserassoziierte Ausbrüche auch bei allen
Altersgruppen bekannt. Infektionen treten ähnlich
wie bei den anderen Gastroenteritisviren über das
ganze Jahr mit einem deutlichen Gipfel in den
Wintermonaten auf.
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Humane Caliciviren (huCV) und Small-round-structured Viren (SRSV) , Norwalk-like Viren
Seit dem 1. Januar 2001, nach Inkrafttreten des IfSG, sind Norwalk-like Viren, die zur Gruppe der SRSV gehören, meldepflichtig.
Am 31.12.2001 waren 9.223 Fälle von Norwalk-like Viren gemeldet.
Sie stellen damit in Deutschland nach den Rotaviren
die häufigsten viralen Durchfallerreger dar.
Einschätzungen in amerikanischen Studien
zeigten, dass etwa 40% der huCV- und SRSV-bedingten
Gastroenteritiden wasser- oder nahrungsmittelassoziiert
sind, etwa 4% der Fälle werden
bisher als sporadisch eingestuft. Der Virusnachweis
in Nahrungsmitteln oder Wasser gelingt durch
die geringe Virusmenge jedoch sehr selten. Die
Viren sind bereits in geringer Menge hoch infektiös.
In einigen epidemiologischen Studien konnten Eis,
grüner Salat, Obst- und Kartoffelsalat,
Bäckereiprodukte, Melonen, gekochter Schinken,
sowie Austern und Krebse als Quellen nachgewiesen werden.
Wasserassoziierte Gastroenteritis-Ausbrüche wurden
im Zusammenhang mit fehlender
Chlorierung in Schwimmbädern, mit verunreiniten
Seen, Grundwasser- und Trinkwasseranlagen
beschrieben. SRSV-, Norwalk- und Norwalk-like-Virusinfektionen
werden häufiger bei Jugendlichen
und Erwachsenen diagnostiziert, während huCV-Infektionen
vor allem bei Kleinkindern beobachtet werden.
Die Inkubationszeit liegt im Mittel bei 24 bis 48
Stunden. Durchfälle und Erbrechen
können bis zu 4 Tage andauern.
Nach Abklingen der gastrointestinalen Beschwerden (Erbrechen,
Durchfall) werden Caliciviren 2-8
Tage lang mit dem Stuhl ausgeschieden; in klinischen Studien
konnte bei 90% der Erkrankten sogar eine Ausscheidung bis zu 21
Tagen nachgewiesen werden, bei
Norwalkviren nur etwa 2 Tage. In
Deutschland wurde bis vor zwei
Jahren die Bedeutung der Calicivirusinfektionen aus Mangel an
diagnostischen Verfahren unterschätzt.
Nach Entwicklung verbesserter
Nachweismethoden durch das
Robert Koch-Institut zeigte sich,
dass bei den meisten Darmentzündungen,
die nicht durch bakterielle oder Rota-/Adenovirusinfektionen
verursacht waren, SRSV's
nachgewiesen wurden. Allein 1999 wurden im
Robert Koch-Institut 127 und im Landesuntersuchungsamt Sachsen
(Standort Chemnitz) 72 SRSV-assoziierte Enteritisgeschehen in verschiedenen
Gemeinschaftseinrichtungen untersucht. Ob die
scheinbare Zunahme der SRSV-Infektionen auf die
verbesserte Diagnostik oder eine tatsächliche Zunahme durch einen weltweiten
Handel mit möglicherweise kontaminierten Lebensmitteln zurückzuführen ist, ist unklar.
Astroviren
Der Krankheitsverlauf ähnelt dem der Rotavirus assoziierten Gastroenteritiden, ist in der Regel jedoch milder. Nach einer Inkubationszeit von drei bis vier Tagen kommt es im Durchschnitt zu einer 2-3 Tage anhaltenden Diarrhoe, die mit leichtem Fieber, Erbrechen und Bauchschmerzen einhergehen kann. Bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem werden auch verlängerte Krankheitsverläufe (bis zu 6 Wochen) und eine verlängerte Ausscheidung im Stuhl beobachtet. Die Übertragung erfolgt auf fäkal-oralem Wege durch Mensch zu Mensch-Kontakt, vermutlich auch über Tröpfchenbildung. Kontaminierte Lebensmittel und Wasser sind als Infektionsquellen bekannt. Ein Impfstoff oder andere antivirale Therapien stehen nicht zur Verfügung.
Bovine Spongiforme Enzephalopathie (BSE)
Im Jahr 1986 wurde BSE als eigenständige Krankheit
bei Rindern festgestellt. Bei den Tieren kommt
es zu Verhaltensänderungen (Aggressivität, Ängstlichkeit)
und Bewegungsstörungen. Inzwischen
sind an BSE erkrankte Rinder in vielen Ländern
Europas bekannt geworden, nach Einführung der BSE-Schnellteste im Oktober 2000 auch in
Deutschland (insgesamt über 180.000 in Europa,
davon über 90% in Großbritannien). Als Auslöser
der Erkrankung gilt ein infektiöses Agens, bestehend
aus einer infektiösen, fehlgefalteten Form
eines körpereigenen Proteins, dem Prion-Protein.
Da die Verfütterung von Tiermehl, das aus Tierkadavern (u.a. von an Scrapie - einer BSE-ähnlichen
Krankheit bei Schafen - erkrankten Schafen) und
Schlachtabfällen hergestellt worden ist, als eine der
Hypothesen zur Entstehung von BSE anerkannt
ist, erfolgte im Jahr 1994 ein EU-weites Verbot der
Verfütterung solcher Tiermehle an Wiederkäuer.
Mangelhafte Kontrollen dieses in Großbritannien
bereits vorher erlassenen Verfütterungsverbotes
ließen nur langsame Erfolge zu. Erst ein weitergehendes
Verbotssystem und stringente Kontrollen
seit Sommer 1996 führten seither zu einem deutlichen
Rückgang der Fälle in Großbritannien. Das
Verfütterungsverbot wurde EU-weit im
Dezember 2000 auf sämtliche zur Fleischerzeugung gehaltenen
Tiere ausgedehnt. Zur Sicherheit des Verbrauchers
muss EU-weit seit Oktober 2000 spezifiziertes Risikomaterial
entfernt und vernichtet werden.
Als besonders risikoreich gilt dabei Nervengewebe
(Gehirn, Rückenmark), aber auch der Schädel mit
Augen und Mandeln und die Wirbelsäule von über
12 Monate alten Rindern sowie der gesamte Darm
von Rindern jeden Alters. Als weitere Schutzmaßnahme
ist EU-weit die Testung aller über 30 Monate
altern Rinder bei der Schlachtung eingeführt worden,
um BSE-infiziertes Material nicht in die Nahrungskette
des Menschen gelangen zu lassen. In
Deutschland gilt diese Testpflicht schon für über
24 Monate alte Rinder. Die Einführung der Rindfleischetikettierung
seit 1. September 2000 ergänzt
die Bekämpfungsmaßnahmen und dient der Information und
Sicherheit der Verbraucher.
Im Jahr 1996 traten in Großbritannien 10 Fälle
einer neuen Variante der Creutzfeld-Jacob-Krankheit (vCJK) auf.
Diese Erkrankungen betrafen relativ junge Patienten
(durchschnittliches Alter 27 Jahre), hatten einen gegenüber
der klassischen CJK
veränderten Krankheitsverlauf und zeigten ein
neuartiges Bild von Gehirnveränderungen. In Experimenten konnte
belegt werden, dass der BSE-Erreger und der Erreger der vCJK
biologisch und biochemisch praktisch nicht zu unterscheiden waren.
Daher geht man (auch aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs
zwischen Auftreten von BSE und vCJK in Großbritannien) davon aus, dass vCJK die
Ausprägung von BSE beim Menschen darstellt. Bis
Januar 2002 gab es 110 gesicherte oder wahrscheinliche Fälle
von vCJK (106 in Großbritannien,
3 in Frankreich und 1 in Irland). In Deutschland
wurde bisher kein Fall von vCJK bekannt.
Infektionen durch Parasiten/Würmer -Trichinellen
Infektionen durch Trichinellen werden hauptsächlich durch T. spiralis und T. pseudospiralis verursacht und sind weltweit verbreitet. In Deutschland wurden im Jahre 1999 22 Erkrankungen an Trichinellose gemeldet. Für das Jahr 2000 wurden 4 Fälle gemeldet (vorläufige Zahlen), für 2001 (Stand 31.12.2001) wurden 5 Fälle gemeldet. Die Infektion erfolgt üblicherweise durch den Verzehr von rohem oder nicht ausreichend gegartem Fleisch von Schweinen, Wildschweinen, Pferden, gelegentlich auch von anderen Tieren wie Bären, und Produkten, die aus deren Fleisch hergestellt wurden, u.a. Rohwurst, Hackfleisch, roher Schinken. In Deutschland ist die unter der Aufsicht der Veterinärbehörden stehende Trichinellenuntersuchung für die in Frage kommenden Tierarten (insbesondere Schwein und Wildschwein, aber auch Pferd) seit 1937 gesetzlich vorgeschrieben. Fleisch, das der gesetzlichen Fleischuntersuchung unterzogen wurde, gilt als ungefährlich. Die meisten der gemeldeten Erkrankungen wurden im Ausland erworben. Es treten aber auch in Deutschland Häufungen auf (zuletzt 1998 in Nordrhein-Westfalen 52 Erkrankungen in zwei Häufungen, möglicherweise verursacht durch importiertes Fleisch). Die Mehrzahl der auftretenden Infektionen verläuft in der Regel leicht oder asymptomatisch. Bei stärkerem Befall kann es drei bis fünf Tage nach der Infektion zu Durchfällen, Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen kommen (enterale Phase). Nach ca. einer Woche (manchmal auch ohne vorausgehende enterale Phase) treten hohes Fieber, Schüttelfrost, ausgeprägte Muskelschmerzen und periorbitale Schwellungen (Ödeme) auf (Migrationsphase). Zur Behandlung stehen Anthelmintika (gegen Würmer wirksame Medikamente) zur Verfügung. Die Wirksamkeit ist umso besser, je früher die Behandlung erfolgt.
Langzeitfolgen/Komplikationen
Tabelle 1
Erreger | Mögliche Folgen | |
---|---|---|
Salmonellen/Yersinien | Reaktive Arthritis | |
Campylobacter | Guillain-Barré-Syndrom 1) | |
EHEC 2) | 3) | |
Listerien | Fehlgeburt, Meningitis |
2) Infektionen mit enterrohämorrhagischen E. coli
3) Hämolytisch-urämisches Syndrom (Erkrankung der Blutgefäße, Blutzellen und Nieren)
Salmonellen, Shigellen, Yersinien und Campylobacter können zu einer reaktiven Arthritis (Gelenkentzündung) führen, die unabhängig vom Auftreten oder der Schwere eines Durchfalls auftreten kann. Bekannt ist auch das hämolytischurämische Syndrom, dass als Komplikation einer EHEC-Infektion insbesondere bei kleinen Kindern in etwa 5 bis 10 % aller Fälle auftritt. Das Guillain-Barré -Syndrom, eine Lähmung der Beine oder aller Gliedmaßen, ist mit Campylobacter-Infektionen in Zusammenhang gebracht worden.
Kosten (insbesondere durch
Krankenhausaufenthalt)
In der amerikanischen Studie wurde für die verschiedenen Erreger auch der Anteil von durch sie verursachten Lebensmittelinfektionen geschätzt (so wurden u.a. 85% aller EHEC-Infektionen als lebensmittelbedingt geschätzt, für Salmonellen (S. Typhi nicht eingeschlossen) lag der Anteil sogar bei 95%, für Campylobacter bei 80%, für Norwalk-like-Viren lediglich bei 40%). Um diese Angaben (erregerspezifische Zahlen für Erkrankung, Krankenhausaufenthalt und Tod durch Durchfallerkrankungen und den Anteil, der lebensmittelbedingt ist) auch für Deutschland schätzen zu können, müssten repräsentative, bevölkerungsbezogene Studien durchgeführt werden. Damit könnte die ökonomische Bedeutung von Lebensmittelinfektionen und somit auch das Einsparpotenzial durch Maßnahmen zur Früherkennung von Ausbrüchen und zur frühzeitigen Untersuchung dieser Ausbrüche deutlich gemacht werden. Mit diesen Studien könnte auch die Dunkelziffer der gemeldeten Durchfallerkrankungen besser eingeschätzt werden und damit eine Evaluation der Surveillance erfolgen.
Auch wenn nicht alle dieser, in den vorhergehenden Abschnitten aufgeführten Infektionen durch Lebensmittel verursacht werden, so verdeutlichen diese Zahlen die große Public Health-Relevanz von lebensmittelbedingten Infektionen.
Risikogruppen, Risiken
Der Begriff »Risiko« wird neben seinem Gebrauch im Zusammenhang mit Risikopersonen auch im Rahmen einer mikrobiologischen Risikobewertung nach der Vorgehensweise von Codex Alimentarius für das Vorliegen von mikrobiologischen Gefahren durch kontaminierte Lebensmittel mit negativer Auswirkung auf die menschliche Gesundheit verwendet. Gemäß Definition, ist ein Risiko eine Funktion der Wahrscheinlichkeit einer gesundheitsschädlichen Wirkung und des Schweregrads dieser Wirkung als Folge einer oder mehrerer Gefahrenquellen in Lebensmitteln.
Die mikrobiologische Risikobewertung oder -abschätzung ist ein Instrumentarium, mit dem bewertet werden soll, wie groß das tatsächliche Risiko innerhalb der Bevölkerung ist, in Abhängigkeit von Mikroorganismen und Lebensmittelerzeugnis eine durch Lebensmittel bedingte Erkrankung zu erleiden. In Deutschland sind bisher noch nicht viele Ansätze zur Durchführung von formalisierter mikrobiologischer Risikobewertung vorhanden, obwohl eine Vielzahl von Daten aus wissenschaftlichen Studien, Untersuchungen und Monitoring-Systemen vorliegen, die Eingang in eine formale Risikoabschätzung finden können.
Prävention
Jeder Lebensmittelbetrieb muss gewährleisten, dass der Verbraucher auf sichere und gesunde, aber auch hygienisch einwandfreie und qualitativ hochwertige Produkte zurückgreifen kann. Innerhalb der Eigenkontrolle der Hersteller soll das HACCP-Konzept ( Hazard Analysis and Critical Control Points ) zur Abwehr gesundheitlicher Gefahren dienen. Im Rahmen dieses Konzepts sollen Gefahren identifiziert, bewertet, erfasst und beherrscht werden. Diese Analyse erstreckt sich von der Erzeugung der Rohstoffe über die Verwendung von Zusatzstoffen schrittweise, entlang des Herstellungsprozesses, bis hin zum fertigen Produkt. Es ist ein Vorgang des Sammelns, Aus- und Bewertens von Informationen über Gefahren und Situationen, die diese hervorrufen können. Nach diesem Prinzip ist zu entscheiden, welche Prozessschritte für den gesundheitlichen Verbraucherschutz bedeutend sind, einen kritischen Lenkungspunkt (CCP) darstellen und daher in den HACCP-Plan einzubeziehen sind.
Für eine erfolgreiche Vorbeugung gegen Lebensmittelinfektionen und -intoxikationen ist eine ausreichende Aufklärung des Verbrauchers zwingend. Aus Befragungen von Konsumenten wissen wir, dass vielfach durch Verbraucher und Wissenschaft eine unterschiedliche Wahrnehmung von Risiken erfolgt.
Um dem Verbraucher bei den für ihn unübersichtlichen Zusammenhängen Hilfestellung zu leisten, ist eine informative, sachliche und umfassende Aufklärung notwendig. Sie kann durch Verbraucherverbände, durch die amtliche Lebensmittelüberwachung, durch wissenschaftliche Organisationen aber auch durch die Lebensmittelwirtschaft selbst erfolgen. Wichtig ist, dass sachdienliche Informationen ohne Panikmache den Kenntnisstand von Verbrauchern hinsichtlich des Vorkommens von Lebensmittelinfektionen und -intoxikationen nachhaltig verbessern. Verbesserte Küchenhygiene, eine Schärfung des Bewusstseins über mögliche mikrobiologische Kontaminationen von Speisen im Haushalt sowie eine sachgerechte Kühlung bei der Aufbewahrung und Lagerung von verzehrfertigen Gerichten sind dabei zu bedenken. Die Aufklärung sollte gerade auch die Personen berücksichtigen, die auf Grund ihrer gesundheitlichen Situation einem Risikopersonenkreis angehören, wie u.a. kleine Kinder, ältere Menschen, Schwangere, Krankenhauspatienten und in ihrer Immunantwort geschwächte Menschen.
Es ist wichtig, dass alle Bevölkerungsschichten durch die Informationen erreicht werden. Unter Umständen sind die Informationen auch in andere Sprachen zu übersetzen. Dabei sollte Wert darauf gelegt werden, nur gesicherte Fakten weiterzugeben. Sollte es erforderlich sein, die Öffentlichkeit zu informieren, bevor bestätigte Informationen vorliegen, sollte dieses Vorgehen erklärt werden. Außerdem sollte der Hinweis erfolgen, dass diese Informationen vorläufig sind und gegebenenfalls bei Bekanntwerden neuer Tatsachen geändert werden.
Lebensmittelüberwachung
Das Gesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz -LMBG) stellt das Dachgesetz des deutschen Lebensmittelrechtes dar. Es ist ein Bundesgesetz und regelt die Überwachung des Verkehrs von Lebensmitteln, Zusatzstoffen, Kosmetika, Tabakerzeugnissen und Bedarfsgegenständen. Die Verantwortung für die amtliche Lebensmittelüberwachung obliegt den zuständigen Ministerien der Bundesländer, wobei je nach Land unterschiedliche Ressorts mit diesen Aufgaben betraut sein können. Zum überwiegenden Teil sind die Länder in einzelne Regierungsbezirke bzw. Bezirke unterteilt. Darunter wiederum fungieren Kreise und kreisfreie Städte. In den meisten Ländern überwachen die Lebensmittel- und Veterinärämter des Kreises oder der kreisfreien Stadt Schlachthöfe, Lebensmittelbe- und -verarbeitungsbetriebe, den Groß- und Einzelhandel, Restaurants, Imbissstände, Wochenmärkte und Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung.
Die in diesen Behörden beschäftigten Veterinäre, Lebensmittelchemiker, Chemiker und Lebensmittelkontrolleure haben die Berechtigung, Betriebsbesichtigungen vorzunehmen, Proben für die Laboruntersuchungen zu entnehmen und in Fällen von gravierenden Verstößen mit unmittelbarer Gefahr für den Verbraucher auch Betriebsschließungen zu veranlassen.
In der Regel führen Staatliche Veterinär- und Lebensmitteluntersuchungsämter der Länder -jedes Land hat mindestens ein Untersuchungsamt - Laboruntersuchungen amtlich entnommener Lebensmittelproben durch. Ergebnisse aus diesen Untersuchungen sind Grundlage für die Beurteilung, inwieweit die wesentlichen Belange des LMBG (beispielsweise in Hinblick auf Gesundheitsschutz, Schutz des Verbrauchers vor Täuschung) erfüllt werden.
Eine Probenahme erfolgt üblicherweise im Rahmen von Routinekontrollen, als sogenannte Planproben, wobei der Probenumfang sich u.a. an der Bevölkerungsdichte orientiert. Die Auswahl der analytischen Verfahren (mikrobiologisch, chemisch-physikalisch, histologisch u.a.), die bei den Untersuchungen Anwendung finden, richtet sich nach der Art und Beschaffenheit des Produktes. Außerdem werden auch alle anfallenden Beschwerde- oder Verdachtsproben unabhängig von Routinekontrollen mituntersucht.
Neben der Routineuntersuchung ist vom Gesetzgeber gemäß LMBG ein Lebensmittel-Monito-ring-System zur Untersuchung auf gesundheitlich unerwünschte Stoffe, wie Pflanzenschutzmittel, Schwermetalle und Mykotoxine vorgegeben. Die in den Untersuchungseinrichtungen der Länder ermittelten Ergebnisse aus diesem Monitoring werden vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) aufbereitet, zusammengefasst, bewertet und veröffentlicht. Das Monitoring wird zum frühzeitigen Erkennen von Gesundheitsgefahren durch chemische Ursachen, unter Verwendung repräsentativer Proben einzelner Lebensmittel oder der Gesamtnahrung, durchgeführt.
Die gesundheitlichen Anforderungen an das Personal beim Umgang mit Lebensmitteln werden durch die §§42 und 43 IfSG geregelt.
Auf europäischer Ebene besteht ein Schnellwarnsystem ( Rapid Alert System ), dass die Aufgabe hat, die Lebensmittelüberwachungsbehörden der Mitgliedsstaaten im Fall des Vorkommens von gesundheitlich bedenklichen Lebensmitteln zu informieren. Ziel ist es, den Verbraucher vor möglichen Gefahren zu schützen, die durch den Genuss von Lebensmitteln hervorgerufen werden könnten. Voraussetzung für eine Meldung sind Verdacht und/oder Gewissheit, dass ein Lebensmittel eine gesundheitsgefährdende Kontamination mit Mikroorganismen und ihren Toxinen und/oder Rückstände von pharmazeutischen, umweltrelevanten und anderen Substanzen aufweist. Dies betrifft importierte Produkte, bei denen Abweichungen auftreten, ebenso wie in einem Mitgliedsstaat hergestellte und EU-weit vertriebene Erzeugnisse. Berücksichtigt werden auch Informationen über lebensmittelbedingte Ausbrüche von Erkrankungen.
Konsequenzen
Die geschilderten Veränderungen erfordern die Entwicklung neuer Strategien im Umgang mit Lebensmittelinfektionen. Eine erfolgversprechende Bekämpfung ist nur durch ein Netzwerk aus Vertretern verschiedener Disziplinen, insbesondere Humanmedizinern, Veterinärmedizinern und Lebensmittelsachverständigen, Epidemiologen und Mikrobiologen möglich, das auf lokaler, Landesund Bundesebene kooperiert. Wo diese Kooperationen noch nicht bestehen, sollten sie etabliert werden.
Mit dem seit Januar 2001 geltenden Infektionsschutzgesetz werden die Labornachweise von verschiedenen Erregern von Lebensmittelinfektionen meldepflichtig. Durch die elektronische Erfassung und Übermittlung der Daten wird die Möglichkeit zur zeitnahen Erkennung auch diffuser Häufungen gegeben sein. Ein elektronisches System zur automatischen Ausbruchserkennung, wie es auch in anderen Ländern bereits durchgeführt wird, kann diese Aufgabe erleichtern. Die Untersuchung, insbesondere der diffusen, geografisch weit verbreiteten Ausbrüche sollte sowohl mit epidemiologischen als auch mit mikrobiologischen Methoden erfolgen. Dies bedeutet, dass auch das Personal in den Gesundheitsämtern ausreichend mit den Methoden der analytischen Epidemiologie vertraut sein sollte. Darüber hinaus müssen im Rahmen der interdisziplinären Zusammenarbeit entsprechende Laborprotokolle zur Untersuchung der Proben von Menschen, Lebensmitteln oder Tieren weiter entwickelt bzw. so modifiziert werden, dass sie sowohl wissenschaftlichen Kriterien genügen als auch den ökonomischen Bedingungen Rechnung tragen. Zusätzliche Studien zu Risikofaktoren für die verschiedenen Erreger sowohl für sporadische Fälle als auch für Ausbrüche geben Hinweise für gezielte Präventionsmaßnahmen.
Basierend auf den Ergebnissen von Surveillance, Ausbruchsuntersuchungen und epidemiologischen Studien unter Einbeziehung der Lebensmittelüberwachung lassen sich gezielte Maßnahmen zur Prävention treffen. Diese betrifft Produktionsprozesse, aber auch eine zielgerichtete Verbraucheraufklärung, die sich an den Erkenntnissen der Risikobewertung (und -kommunikation) orientieren muss, um die möglichen Risiken adäquat zu vermitteln. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass die in der Information enthaltenen Begriffe vom Verbraucher auch verstanden werden.
Fußnoten
1
WHO, Foodsafety and Foodborne Illness, Fact Sheet 237,
September 2000
2 Akute Nervenentzündung, die mit schlaffer Lähmung zunächst der Beine, dann aller Extremitäten einhergeht und sich nach einigen Wochen bis Monaten zurückbilden kann.
3 Erkrankung der Blutgefäße, Blutzellen und Nieren
4 AU-Tage 1998 (Diagnose 001 bis 009 ICD-9) AOK West: 178,50 AU-Tage/10 000 Erkrankte; durchschnittlich 6,0 AU-Tage je Fall. AOK Ost: 122,68 AU-Tage/10 000 Erkrankte; durchschnittlich 7,1 AU-Tage je Fall
Weiterführende Literatur
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2Tauxe RV (1997) Emerging foodborne diseases: an evolving public health challenge. Emerg Infect Dis 3: 425 to 434
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Zink DL (1997) The impact of consumer demands and trends on food processing. Emerg Infect Dis 3: 467 to 469
Tabellen mit Werten aus Abbildungen 1 bis 5
Jahr | Gesamtwert | |
---|---|---|
1992 | 194.164 | |
1993 | 140.545 | |
1994 | 132.457 | |
1995 | 115.788 | |
1996 | 109.910 | |
1997 | 106.291 | |
1998 | 98.663 | |
1999 | 85.306 | |
2000 | 79.824 |
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Jahr | Gesamtwert | |
---|---|---|
1992 | 3.144 | |
1993 | 4.417 | |
1994 | 5.909 | |
1995 | 7.180 | |
1996 | 10.125 | |
1997 | 23.199 | |
1998 | 33.244 | |
1999 | 28.882 | |
2000 | 28.686 |
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Jahr | Gesamtwert | |
---|---|---|
1992 | 1.704 | |
1993 | 2.221 | |
1994 | 2.881 | |
1995 | 2.987 | |
1996 | 3.135 | |
1997 | 4.669 | |
1998 | 6.447 | |
1999 | 5.321 | |
2000 | 4.522 |
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Jahr | Gesamtwert | |
---|---|---|
1992 | 6.828 | |
1993 | 5.885 | |
1994 | 5.491 | |
1995 | 6.639 | |
1996 | 4.911 | |
1997 | 4.596 | |
1998 | 3.881 | |
1999 | 3.131 | |
2000 | 2.820 |
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Jahr | Gesamtwert | |
---|---|---|
1992 | 6.828 | |
1993 | 9.428 | |
1994 | 9.716 | |
1995 | 12.412 | |
1996 | 18.245 | |
1997 | 19.939 | |
1998 | 24.891 | |
1999 | 28.722 | |
2000 | 24.910 |
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