Ungewollte Kinderlosigkeit [Gesundheitsberichterstattung - Themenhefte, April 2004]
[Heft 19: Heimtierhaltung] [Heft 21: Angststörungen] [Abstrakt] [Inhaltsverzeichnis]
Heft 20 - Ungewollte Kinderlosigkeit
aus der Reihe "Gesundheitsberichterstattung des Bundes"
Autoren: |
Prof. Dr. Bernhard Strauß
Dipl.-Psych. Karla Beyer Dipl.-Psych. Kathrin Henning Institut für Medizinische Psychologie Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität |
Dr. Dipl.-Biol. Ines Hoppe
PD Dr. Wolfgang Starker Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Klinikum der Friedrich-Schiller-Universität |
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Redaktion: |
Robert Koch-Institut
Gesundheitsberichterstattung Dr. Cornelia Lange, Dr. Thomas Ziese Seestraße 10 13353 Berlin |
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Herausgeber: |
Robert Koch-Institut
(April 2004) |
Einleitung
Mit ungewollter Kinderlosigkeit wird ein Zustand bezeichnet, der durch Leiden an einer Unfruchtbarkeit (auch als Infertilität bzw. Sterilität bezeichnet) gekennzeichnet ist. 1967 wurde die ungewollte Kinderlosigkeit (Zeugungs- und/oder Empfängnisunfähigkeit) durch die Scientific Group on the Epidemiology of Infertility der WHO als Krankheit anerkannt. Der WHO-Definition entsprechend ist eine Infertilität/Sterilität zu diagnostizieren, wenn bei einem Paar entgegen seinem expliziten Willen nach mehr als 24 Monaten 1 trotz regelmäßigem, ungeschütztem Sexualverkehr keine Schwangerschaft eintritt (ICD-10 Diagnosen: Sterilität der Frau [N97.x], männliche Sterilität [N46]) 2 .Bei der Entstehung, dem Verlauf und der Therapie der ungewollten Kinderlosigkeit spielen sowohl biologische, psychologische als auch soziale Faktoren eine Rolle.
Ein unerfüllter Kinderwunsch muss nicht auf Lebenszeit bestehen. Neben der potenziellen Aussicht auf eine Spontanschwangerschaft sowie Varianten einer »sozialen Elternschaft« (Pflegschaft, Adoption) sind durch die Reproduktionsmedizin Möglichkeiten gegeben, den Kinderwunsch doch noch zu erfüllen - wenn auch diese Wege mit einem relativ hohen persönlichen Einsatz und einem Aufwand an Kosten verbunden sind.
Die moderne Reproduktionsmedizin ist ein interdisziplinäres Gebiet, in dem insbesondere Gynäkologie, Urologie, Andrologie, Reproduktionsbiologie, Psychosomatik und Humangenetik integriert sind. Nicht zuletzt begünstigt durch eine zunehmende Enttabuisierung des unerfüllten Kinderwunsches haben sich die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten in den vergangenen Jahren deutlich erweitert.
Die Entwicklungen der Reproduktionsmedizin werden kritisch vor dem Hintergrund ethischer und rechtlicher Fragen diskutiert. In Deutschland sind die rechtlichen Rahmenbedingungen durch das Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz -ESchG) vom 13. Dezember 1990 geregelt (siehe auch Abschnitt »Rechtliche Rahmenbedingungen zur Behandlung der ungewollten Kinderlosigkeit«). Im Vergleich zu den Regelungen anderer europäischer Nationen ist das Gesetz in Deutschland eher restriktiv.
Das öffentliche Bild der ungewollten Kinderlosigkeit und ihrer Behandlung
In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich die Optionen für eine individuelle Lebensgestaltung und damit auch die Formen des partnerschaftlichen und familiären Zusammenlebens erheblich gewandelt. Die Zunahme nichtehelicher Lebensgemeinschaften sowie von Singlehaushalten sind nur zwei Beispiele für diese Entwicklung. Auch bezüglich des Reproduktionsverhaltens der Bevölkerung scheint sich ein Wandel vollzogen zu haben, der sich im Ansteigen des Alters bei der Familienplanung und in einer zunehmenden Zahl kinderloser Ehen zeigt. Trotz der sinkenden Geburtenzahlen scheint Elternschaft jedoch auch in der heutigen Gesellschaft ein wesentliches Lebensziel zu sein. Mit der Veränderung der sozialen Rolle der Frau, die erfordert, berufliche Selbstverwirklichung, andere Formen der Lebensgestaltung und Mutterschaft zu integrieren, ist der Übergang zur Elternschaft für viele Paare, vor allem aber für Frauen, zu einem biographischen Entscheidungsproblem geworden. Für Außenstehende ist nicht immer ersichtlich, ob die Kinderlosigkeit eines Paares auf medizinischen Ursachen oder einer bewussten Entscheidung basiert, so dass die betroffenen Frauen und Männer sich häufig mit ähnlichen Stigmatisierungen konfrontiert sehen. Kinderlosen wird häufig vorgeworfen, sie seien egoistisch, selbstsüchtig, verantwortungslos, unreif und unmoralisch. Ist der Grund der Kinderlosigkeit bekannt, sind solchen negativen Reaktionen des sozialen Umfeldes vor allem Personen ausgesetzt, die sich bewusst gegen Kinder entschieden haben, während ungewollt Kinderlosen eher mit Mitleid begegnet wird. Neben diesen Stigmatisierungsprozessen wird der gesellschaftliche Druck auf ungewollt kinderlose Paare auch durch den Fortschritt in der medizinischen Behandlung verstärkt. Öffentliche Berichterstattungen über die neuen Entwicklungen der Reproduktionsmedizin lassen in der breiten Öffentlichkeit den Eindruck entstehen, dass niemand mehr dauerhaft unter einem unerfüllten Kinderwunsch leiden muss. Ungewollt kinderlose Paare sehen sich so oft mit der Meinung ihrer Umwelt konfrontiert, dass sie sich bewusst gegen die Familienplanung zu Gunsten ihrer beruflichen Entwicklung entschieden hätten.Nicht nur bei den Betroffenen existieren nach wie vor eine Reihe von Mythen über die Unfruchtbarkeit. Sie wird (vor allem von manchen Paaren aus anderen Kulturkreisen) als »Strafe Gottes « oder als Schicksal angesehen. Damit verbunden sind Hoffnungen auf alternativmedizinische Behandlung oder Hilfe durch religiöse Handlungen (z.B. Wallfahrten).
Bezüglich der Sterilitätsbehandlung bzw. Reproduktionsmedizin gibt es verbreitet Vorurteile und Ängste (z.B. unnatürliche Maßnahme, Angst vor Verwechselungen von Spermien, Eizellen und Gameten, Misstrauen, Angst vor Manipulation, Geschlechterauswahl und Klonen). In den Medien werden Details der Reproduktionsmedizin manchmal inkorrekt dargestellt (z.B. Darstellung von Spermabanken von Nobelpreisträgern) und verstärken Ängste und Vorurteile. Die Akzeptanz der Reproduktionsmedizin ist unter ungewollt kinderlosen Frauen und Männern deutlich höher als bei nicht Betroffenen.
Unerfüllter Kinderwunsch aus psychologischer Sicht
Der Einfluss von Stress auf die Fruchtbarkeit ist bis heute noch nicht abschließend geklärt. Es wird angenommen, dass die Ausschüttung stressbezogener Hormone (wie Prolaktin oder Cortisol) endokrinologische oder immunologische Mechanismen (wie Antikörper in der Zervix) auslösen kann. Für die männliche Fertilität konnte eine Verschlechterung des Spermiogramms in Abhängigkeit von alltäglichem Stress und seiner Bewältigung bereits nachgewiesen werden [1] .Die Wahrnehmung bzw. Diagnose einer Fruchtbarkeitsstörung stellt für Betroffene den Verlust eines Lebensplanes und eines erwünschten Lebensziels dar. Diese Erkenntnis löst eine Bandbreite unterschiedlicher Gefühle wie Trauer, Hilflosigkeit, Wut, Neid sowie Gefühle von Minderwertigkeit und Ausgeschlossensein aus. Das Warten auf eine Schwangerschaft wird oft als Kränkung in Bezug auf die Weiblichkeit bzw. Männlichkeit erlebt, gerade wenn Betroffene diese sehr stark an die Reproduktionsfähigkeit geknüpft haben. Psychische Folgen des unerfüllten Kinderwunsches können Einschränkungen in Bezug auf das Selbstwertgefühl, die emotionale Befindlichkeit wie auch die Lebenszufriedenheit allgemein sein. Darüber hinaus kann der unerfüllte Kinderwunsch zu interpersonellen Problemen führen, besonders in der Partnerschaft oder im Kontakt zu Familie und Freundeskreis. So können Missverständnisse in der Partnerschaft auftreten, weil sich die Partner beispielsweise unterschiedlich stark ein Kind wünschen, sich nicht in ihrer Bewältigung ergänzen oder zu unterschiedlichen Behandlungsmaßnahmen bereit sind. Für einige Paare ergeben sich zeitweilige Beeinträchtigungen im sexuellen Erleben, weil der Geschlechtsverkehr auf die Erfüllung des Kinderwunsches funktionalisiert wird. Im sozialen Umfeld ergeben sich in der Regel Probleme, weil Betroffene sich aus Scham von sozialen Aktivitäten zurückziehen oder sich unverstanden und stigmatisiert fühlen, gerade wenn die wahren Gründe für die Kinderlosigkeit unbenannt bleiben (siehe Abschnitt: »Das öffentliche Bild der ungewollten Kinderlosigkeit«).
Mehrere Studien deuten darauf hin, dass die Diagnose einer Fertilitätsstörung für Frauen eine belastendere Erfahrung darstellt als für Männer. Dies zeigt sich beispielsweise an einem vergleichsweise höheren Ausmaß an Depressivität und psychosomatischen Auffälligkeiten [2, 3] . Frauen neigen eher dazu, die Ursache der Kinderlosigkeit auf ein eigenes Versagen zu beziehen und empfinden es belastender als Männer, in bestimmten Situationen (z.B. Konfrontation mit Kindern) an die Kinderlosigkeit erinnert zu werden. Männer sind durch die ungewollte Kinderlosigkeit stärker belastet, wenn sie selbst zum »Symptomträger « (männliche Subfertilität) deklariert werden [4] . Im Behandlungsprozess nehmen Frauen eine deutlich aktivere Rolle ein [5] .
Eine Fertilitätsstörung ist für ein Paar immer eine psychische Belastung-unabhängig vom jeweiligen Ausmaß. Als Ergänzung der medizinischen Behandlung bieten sich daher generell Entspannungsverfahren an, die eine Stressreduktion zum Ziel haben. In einigen Fällen kann aufgrund enormer psychischer Belastung auch vor einem Behandlungsbeginn eine Psychotherapie empfehlenswert sein. Bei massiven Partnerschaftskonflikten oder deutlichen Hinweisen auf sexuelle Störungen können unabhängig vom organischen Befund der Fruchtbarkeitsstörung eine Paar- bzw. Sexualtherapie notwendig werden.
Verbreitung der (ungewollten) Kinderlosigkeit
Die derzeitige Verbreitung ungewollter Kinderlosigkeit lässt sich nur eingeschränkt erfassen. Zum einen kann die Anzahl kinderloser Frauen in Deutschland nur geschätzt werden, weil bisher amtliche Daten nur Kinder aus der aktuellen Ehe erfassen. Unberücksichtigt bleiben Kinder aus früheren Ehen oder eheähnlichen Partnerschaften. Zum anderen lässt sich nicht immer genau entscheiden, ob es sich um eine gewollte oder ungewollte Kinderlosigkeit handelt. Die Entscheidungsprozesse sind vielfältig, eine zuerst gewollte Kinderlosigkeit kann in eine ungewollte übergehen, Entscheidungen können gänzlich vermieden werden, weil sowohl eingeschränkt verhütet als auch eine Realisierung des Kinderwunsches nur bedingt forciert wird. Damit bleibt unklar, ob in diesen Fällen eine Fruchtbarkeitsstörung vorliegt. Darüber hinaus muss nicht jede aktuelle Kinderlosigkeit in eine langfristige übergehen: Allein 30% aller Frauen, die sich erst spät für eine Mutterschaft entscheiden, erleben mindestens ein Jahr eine zeitweilige Kinderlosigkeit, bevor es zu einer Erfüllung ihres Kinderwunsches kommt.
Abbildung 1
[10]
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Daten zur Entwicklung der Kinderlosigkeit in beiden deutschen Staaten konnten zeigen, dass die Kinderlosigkeit unter ostdeutschen Frauen weniger verbreitet war als unter westdeutschen Frauen, bei den jüngeren Frauen (Geburtsjahrgang 1965) aber stark angestiegen ist (Abbildung 1). Seit 1990 sank die Geburtenrate der Frauen aus den neuen Bundesländern rapide, mit einem Tiefpunkt in den Jahren 1993/1994; seither ist die Geburtenrate zwar wieder im Steigen begriffen, hat aber nicht das Niveau der Geburtenrate in den alten Bundesländern erreicht.
Besonders häufig sind Frauen mit höherem Bildungsgrad kinderlos: Bei den 35- bis 40-jährigen Frauen der Geburtsjahrgänge 1966 bis 1962 mit Fachhochschul- und Hochschulabschluss (alte Bundesländer) beträgt der Anteil derjenigen ohne Kinder im Haushalt 42% (neue Bundesländer: 17%) [6] . Im internationalen Vergleich nimmt Deutschland bezüglich der Kinderlosigkeit einen vorderen Rang ein.
Tabelle 1
Land | Anteil |
---|---|
Deutschland (alte Bundesländer) | 22% |
Finnland | 18% |
Niederlande | 17% |
Vereinigtes Königreich | 17% |
Dänemark | 13% |
Irland | 13% |
Schweden | 13% |
Belgien | 11% |
Spanien | 11% |
Italien | 11% |
Frankreich | 8% |
Portugal | 7% |
[10] | Engstler H, Menning S (2003) Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik. Lebensformen, Familienstrukturen, wirtschaftliche Situation der Familien und familiendemographische Entwicklung in Deutschland. Erweiterte Neuauflage 2003. Bonn, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend |
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Der über einen längeren Zeitraum konstante Anteil kinderloser Frauen in der ehemaligen DDR und der Anstieg nach der politischen Wende, sowie der permanente Zuwachs kinderloser Frauen in Westdeutschland legen die Vermutung nahe, dass es sich bei der Zunahme der Kinderlosigkeit primär um einen Anstieg gewollter Kinderlosigkeit handelt. In einer 1992 durchgeführten Befragung zu generativen Verhaltensentscheidungen waren sich in den alten Bundesländern 31,8% der befragten Frauen und 35,7% der befragten Männer, in den neuen Bundesländern 18,7% der befragten Frauen und 24,9% der befragten Männer im Alter zwischen 20 und 39 Jahren nicht schlüssig, ob sie Kinder haben wollten oder nicht [7] . Motive dafür, gewollt kinderlos zu bleiben, waren vor allem ökonomische Überlegungen, Sorgen um die Zukunft der Kinder sowie die Ansicht, durch Elternschaft bedeutsame persönliche und berufliche Einschränkungen erfahren zu müssen. Ostdeutsche erwerbstätige Frauen fürchteten-zwei Jahre nach der Wiedervereinigung beider Staaten-eine Unvereinbarkeit von Familie und Berufstätigkeit etwas häufiger als westdeutsche Frauen. Vor allem höher qualifizierte Frauen bleiben häufiger kinderlos, sei es, weil sie sich bewusst gegen Kinder entscheiden oder die Realisierung des Kinderwunsches aufschieben, bis sich über das zunehmende Lebensalter die Konzeptionschancen verringert haben und sich eine ungewollte Kinderlosigkeit einstellt [8] . Das durchschnittliche Alter der Mütter bei Geburt ihrer lebend geborenen Kinder ist kontinuierlich im Steigen begriffen: Von 27,9 Jahren (1991) auf 29,7 Jahre im Jahr 2001. Eine frühe Heirat (vor dem 25. Lebensjahr) korrespondiert mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit kinderlos zu bleiben. Frauen, die vor dem 25. Lebensjahr geheiratet hatten, blieben Schätzungen zufolge nur zu 5% kinderlos, wohingegen Frauen, die nach ihrem 35. Lebensjahr eine Ehe schlossen, zu einem Drittel kinderlos blieben.
Der Prozentsatz der Paare, die ungewollt kinderlos sind, liegt in Deutschland wissenschaftlichen Schätzungen zufolge in den alten Bundesländern deutlich unter 10%, in den neuen Bundesländern unter 5% [9] . Davon bleiben ca. 3% dauerhaft kinderlos.
Häufigkeit spezifischer Ursachen der ungewollten Kinderlosigkeit
Angaben zu den Häufigkeiten spezifischer Ursachen der ungewollten Kinderlosigkeit sind nicht ganz eindeutig. Oft liegen kombinierte Ursachen vor. Abbildung 2 zeigt die Verteilung spezifischer medizinischer Ursachen der Sterilität/Infertilität, unterschieden nach primärer und sekundärer Sterilität. Von primärer Sterilität wird dann gesprochen, wenn noch nie eine Konzeption (Empfängnis) erfolgte. Bei einer sekundären Sterilität kam es mindestens einmal zu einer natürlichen Konzeption. Der Begriff der Sterilität kann sich daher auch auf Paare beziehen, die weniger Kinder haben als gewünscht. Die Ursachen bei Männern sind in dieser Studie unter der Kategorie »andrologischer Faktor« zusammengefasst. Bezogen auf die jüngere Zeit fehlen verlässliche Angaben, die sich auf die Gesamtpopulation und nicht nur auf die Klientel spezifischer Behandlungsprogramme beziehen.
Abbildung 2
[11]
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Dem »Deutschen IVF-Register«, welches 1982 gegründet wurde, lassen sich Angaben über die Indikationen für die Behandlungen mit künstlicher Befruchtung in Deutschland entnehmen. Dies erlaubt keinen Bevölkerungsbezug, da nur die Befunde der Paare dokumentiert werden, die mit Methoden der künstlichen Befruchtung behandelt wurden. Die Teilnahme an dem Register ist gemäß Berufsordnung seit 1999 verpflichtend und in den »Richtlinien zur Durchführung der assistierten Reproduktion« der Bundesärztekammer festgehalten. Die Behandlungszyklen werden kontinuierlich und in der Regel prospektiv (d.h. mit Beginn der Behandlung) erfasst. Im Jahr 2002 wurden in dem Register 88.218 Behandlungszyklen bei 52.814 Frauen dokumentiert.
Tabelle 2 gibt die Verteilung der Indikationen für Behandlungen mit künstlicher Befruchtung (IVF, IVF/ICSI) entsprechend den Angaben des IVF-Registers 2002 wieder. Die prozentualen Angaben in der Tabelle beziehen sich auf 22.813 Behandlungszyklen für die IVF- und 35.877 Behandlungszyklen für die ICSI-Behandlung.
Bezogen auf die Paare, die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Anspruch nehmen, überwiegen bei der Frau als Ursachen für die Kinderlosigkeit eindeutig die Schädigung des Eileiters (Tubenpathologie) sowie ein gestörter (pathologischer) Menstruationszyklus, beim Mann eingeschränkte Samenqualität. Von den in der Tabelle 2 genannten Ursachen sind ausschließlich die Störungen des Menstruationszyklus altersabhängig. Hormonelle Störungen nehmen mit dem Alter der Frau kontinuierlich zu. Für die anderen Ursachen ist keine Altersabhängigkeit nachgewiesen. Häufig werden bei beiden Partnern Einschränkungen der Fortpflanzungfähigkeit gefunden: Es ist davon auszugehen, dass bei etwa 40% der Paare Fertilitätsstörungen sowohl bei der Frau als auch beim Mann vorliegen [13] .
Tabelle 2
Indikationen | |||||
---|---|---|---|---|---|
Befund bei der Frau | Befund beim Mann | ||||
IVF | |||||
Normal (kein Befund) | 23,4% | Normal (kein Befund) | 53,2% | ||
Tubenpathologie (Schädigung der Eileiter) |
40,2% | Eingeschränktes Spermiogramm (bei der Untersuchung der Spermien festgestellte Einschränkungen der Samenqualität) |
39,6% | ||
Endometriose | 10% | Urogenitale Auffälligkeiten (Auffälligkeiten der Harn- oder Geschlechtsorgane) |
0,3% | ||
pathologischer Zyklus (gestörter Zyklus) |
15,6% | Pathologische Funktionstests (krankhaft veränderte Funktionstests) |
0,3% | ||
Zervixfaktor [(Gebärmutterhals), Veränderungen des Zervixschleims oder der Muttermundweite] |
0,7% | ||||
Sonstige | 9,22% | Sonstige | 6,6% | ||
ICSI | |||||
Normal (kein Befund) | 52,1% | Normal (kein Befund) | 9,8% | ||
Tubenpathologie | 13,6% | Eingeschränktes Spermiogramm | 82,4% | ||
Endometriose | 6,2% | Urogenitale Auffälligkeiten | 1,5% | ||
pathologischer Zyklus | 16,2% | Pathologische Funktionstests | 0,3% | ||
Zervixfaktor | 0,6% | ||||
Sonstige | 9,7% | Sonstige | 6% |
[12] | Deutsches IVF-Register (2003) Jahrbuch 2002 DIR Bundesgeschäftsstelle bei der Ärtzekammer Schleswig Holstein (Hrsg) Bad Segeberg |
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Es gibt mehrere Theorien zur Erklärung eines Anstiegs der ungewollten Kinderlosigkeit bzw. der Inanspruchnahme reproduktionsmedizinischer Maßnahmen: Zum einen kann vermutet werden, dass der Anteil ungewollter Kinderlosigkeit primär deshalb gestiegen ist, weil Paare ihre reproduktive Phase in das höhere Lebensalter verschieben, mit dem Risiko einer abnehmenden Fruchtbarkeit. Die Gründe für diesen Aufschub müssen nicht immer ausschließlich in der Verwirklichung von individuellen Lebenszielen oder in den Lebensumständen Einzelner liegen, sondern können auch Folge fehlender gesellschaftlicher Unterstützung sein (siehe folgender Abschnitt »Prävention«). Als weitere Ursachen gelten eine Zunahme der Anzahl der Sexualpartner und damit ein erhöhtes Infektionsrisiko durch sexuell übertragbare Erkrankungen (z.B. Chlamydieninfektionen), die Zunahme entzündlicher Erkrankungen des Eierstocks sowie veränderte Lebensgewohnheiten (Genussmittel- und Drogenkonsum, Übergewicht, Fastenkuren).
In jüngerer Zeit wurden einige Studien veröffentlicht, die eine Veränderung medizinischer Ursachen der ungewollten Kinderlosigkeit infolge von Schadstoffeinflüssen annehmen, insbesondere eine Abnahme der Samenqualität beim Mann, die sich anhand der vorliegenden Daten aber noch nicht abschließend bewerten lässt [14, 15] .
Prävention
Das biologische Alter der Frau gilt als ein wesentlicher Risikofaktor für die ungewollte Kinderlosigkeit. Bei jüngeren Frauen ist die Konzeptionsrate deutlich höher. Ein Großteil der Frauen - darunter besonders Höherqualifizierte -, die sich zu reproduktionsmedizinischen Behandlungen entschließen, hat die Erfüllung des Kinderwunsches jahrelang verschoben und ist zu Behandlungsbeginn bereits über 30 Jahre alt. Zu diesem Aufschub tragen die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, in denen in Deutschland Elternschaft realisiert werden kann, bei. Das Fehlen flächendeckender Ganztags-Betreuungsangebote für Kleinkinder und Vorschulkinder sowie die sehr geringe Anzahl von Ganztagsschulen erfordern auch weiterhin, vor allem von Frauen, eine Entscheidung zwischen Beruf und Familie oder ermöglichen nur eine eingeschränkte Berufstätigkeit. Weit verbreitete Rollenvorstellungen über die traditionelle Rollenverteilung zwischen Frau und Mann erschweren zusätzlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für junge Eltern. Der Ausbau zuverlässiger Kinderbetreuungsangebote sowie eine Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen stellen notwendige Voraussetzungen dar, um Elternschaft und Beruf besser zu vereinbaren und in einem früheren Lebensalter zu ermöglichen.Neben einer Aufklärung über die Altersabhängigkeit der Fertilität scheint auch eine Sexualaufklärung erforderlich. 50% der in eine Studie einbezogenen Paare, die ungewollt kinderlos waren, hatten keinen Geschlechtsverkehr an den fruchtbaren Tagen [16] . Deshalb ist bei der Diagnostik und vor Beginn reproduktionsmedizinischer Maßnahmen eine sorgfältige Sexualanamnese unerlässlich. Dabei sollte nach dem aktuellen Sexualverhalten und nach dem vorhandenen Wissen über biologische Vorgänge, die eine Konzeption ermöglichen, gefragt werden.
Eine frühzeitige Prävention der ungewollten Kinderlosigkeit muss gegebenenfalls eine rechtzeitige Abklärung und Behandlung entzündlicher Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter und eine Prävention von Essstörungen bereits im Schulalter einschließen, da sowohl klinische und subklinische Formen von Magersucht und Bulimie (Ess-Brech-Sucht) sowie von Adipositas (Fettleibigkeit, Fettsucht) mit (endokrinen) Einschränkungen der Fertilität einhergehen können (z.B. erhöhtes Auftreten des polyzystischen Ovars [PCO], einer Eierstockerkrankung, bei Adipositas).
Als präventive Maßnahmen sind geeignet:
- Verminderung der Auswirkung chronischer hormoneller Störungen (z.B. Schilddrüsenerkrankungen, Über- und Untergewicht, Überproduktion männlicher Sexualhormone, PCO, Funktionsstörungen der Nebennierenrinde),
- Verhinderung von Nikotin-, Alkohol- und Drogenmissbrauch,
- Schutzimpfungen gegen Masern, Mumps, Röteln,
- Kontrolle auf Hodenentzündung und gegebenenfalls rechtzeitige Therapie nach Virusinfektionen (z.B. Mumps),
- Keine Chemo- und Strahlentherapie bei Tumorpatienten ohne vorherige Konservierung der Gameten (zurzeit als Spermadepot möglich, künftig auch für Ovargewebe vorgesehen),
- Verminderung der Umweltschadstoffe in Luft, Wasser und Nahrungsmitteln,
- Förderung kindorientierter Gesellschaftsnormen und politischer Maßnahmen zur Realisierung eines Kinderwunsches in früherem Lebensalter.
Diagnostik der ungewollten Kinderlosigkeit
Für die Diagnostik und Therapie der ungewollten Kinderlosigkeit aus körperlicher (somatischer) und psychosomatischer Sicht liegen mittlerweile eine Reihe von Leitlinien vor. Auf nationaler Ebene wurden Leitlinien durch die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe, die Deutsche Dermatologische Gesellschaft und das Deutsche Kollegium für Psychosomatische Medizin formuliert, die über die Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlicher medizinischer Fachgesellschaften (AWMF) zugänglich sind ( www.awmf- online .de ). Auf internationaler Ebene sind vor allem die Bemühungen der European Society for Human Reproduction and Embryology (ESHRE) zu nennen, die 1996 in einer Expertenkonferenz Leitlinien für die Sterilitätsbehandlung und im Jahr 2002 Leitlinien für die Beratung ( Guidelines for counselling in infertility ) erstellte vgl. [ 17, 18] . Aufgrund der nachgewiesenen Bedeutung psychosozialer Faktoren für die Entstehung und Verarbeitung der ungewollten Kinderlosigkeit wird empfohlen, in die Diagnostik auch ein psychologisches Beratungsgespräch zu integrieren. Zentrale Indikatoren für eine Beratung sind in jedem Falle neben manifesten psychischen Störungen die aktuelle Belastung (Depressivität, Ängstlichkeit und körperliche Beschwerden und Erschöpfung), die Dauer des Kinderwunsches bzw. der medizinischen Behandlung (da die psychische Belastung im Durchschnitt eher zunimmt) sowie die Stärke des Kinderwunsches (liegt eine übermäßige Fixierung des Paares auf die Realisierung des Kinderwunsches vor, d.h. sind mögliche andere Lebensziele aus dem Blickfeld geraten?). Die Risikogruppe besonders belasteter Paare umfasst ca. 15% bis 20% aller Frauen und Männer [19] . Bisherige Erfahrungen zeigen, dass psychologische Beratung in einem reproduktionsmedizinischen Zentrum mit angeboten werden sollte, da dort die Akzeptanz deutlich höher ist. Die Bereitschaft ungewollt kinderloser Paare, psychologische Beratung extern zu beanspruchen, ist sehr niedrig. Paare bemühen sich in der Regel selbst um eine Beratung, wenn sie unter Anpassungsschwierigkeiten oder starken psychischen Belastungen als Folge der Diagnose bzw. missglückter Behandlungsversuche, unter Problemen in der Partnerschaft sowie in der Entscheidungsfindung für oder gegen (weitere) medizinische Behandlungen bzw. Alternativen leiden. In der psychologischen Arbeit mit ungewollt kinderlosen Paaren ist es von Vorteil, über medizinische Behandlungstechniken und die damit verbundenen Belastungen informiert zu sein, um Paare auch adäquat begleiten und beraten zu können. Diese speziellen Informationen liegen externen Beraterinnen und Beratern nicht immer vor.Aus medizinischer Sicht sollten für den Fall des Ausbleibens einer Schwangerschaft nach einem Jahr ungeschützten Sexualverkehrs und vorliegendem Kinderwunsch folgende Faktoren abgeklärt werden:
- Überprüfung der Eileiterdurchgängigkeit mittels Röntgen, Ultraschall oder Bauchspiegelung,
- Beurteilung der Samenqualität nach standardisierten Bedingungen der WHO,
- Bestimmung des Hormonstatus, Nachweis des Eisprungs, Ausschluss von hormonellen Störungen,
- Beurteilung der Schleimbildung am Gebärmutterhalskanal zum Eisprungtermin.
- über die auf die Fortpflanzung bezogenen körperlichen Vorgänge,
- über eine mögliche zeitweise Unfruchtbarkeit und deren Verbreitung,
- über die aktuellen reproduktionsmedizinischen Behandlungstechniken; dabei sollten auch ethische, religiöse und kulturelle Vorbehalte gegen bestimmte Behandlungsmethoden geklärt werden,
- über die Risiken und Nebenwirkungen der Medikamente und der therapeutischen Verfahren,
- über die finanziellen Kosten.
Behandlung
Rechtliche Rahmenbedingungen zur Behandlung der ungewollten Kinderlosigkeit
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die reproduktionsmedizinischen Behandlungen sind in Deutschland durch eine Reihe von Gesetzen und Richtlinien festgelegt. An erster Stelle ist hier das Gesetz zum Schutz von Embryonen aus dem Jahr 1990 zu nennen, welches als eines der strengsten in Europa gilt. Das Embryonenschutzgesetz (ESchG) verbietet diagnostische Maßnahmen - auch zu Forschungszwecken-an Embryonen (befruchtete Eizelle ab Kernverschmelzung) und totipotenten embryonalen Zellen. Eine totipotente Zelle ist jede Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag. Das Gesetz soll eine missbräuchliche Anwendung von Fortpflanzungstechniken verhindern und verbietet beispielsweise die Präimplantationsdiagnostik, die Übertragung von mehr als drei Embryonen innerhalb eines Zyklus bei der IVF oder die Kryokonservierung von Embryonen, außer in Notfällen, wenn eine Übertragung des Embryos auf die Frau nach der In-vitro-Fertilisation vorübergehend oder auf Dauer unmöglich wird. Darüber hinaus nehmen die Richtlinien der Bundesärztekammer zur Durchführung der assistierten Reproduktion aus dem Jahr 1998 Stellung zu den medizinischen und sozialen Voraussetzungen für die assistierte Reproduktion (z.B. Indikationen, Anwendung der Behandlung bei verheirateten Paaren), die notwendigen Qualifikationen der Arbeitsgruppen, die Techniken der assistierten Reproduktion anwenden sowie die Durchführung der Techniken. Die letzte Änderung trat im Juli 2002in Kraft.Die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen und einzelne Paragraphen des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) regeln die Voraussetzungen für die Kostenübernahme einer Sterilitätsbehandlung durch die Krankenkassen (siehe auch Abschnitt »Behandlungskosten«).
Medizinische Behandlung der ungewollten Kinderlosigkeit
Untersuchungen zur Häufigkeit der Unfruchtbarkeit -wie e beispielsweise die so genannte DESIS-Studie -zeigigen, dass Anfang der 90er Jahre nur etwa 50% der Betroffenen die Hilfe der Reproduktionsmedizin in Anspruch nahmen [20] . Diese Angaben verdeutlichen die Notwendigkeit einer frühen Überweisung an spezialisierte Zentren.Die medizinische Behandlung der ungewollten Kinderlosigkeit, die immer auch die psychische Situation der Paare berücksichtigen sollte, ist in der Regel stufenweise konzipiert. Jede Behandlungsmaßnahme hat eine spezifische Indikation. Erst bei Nichterfolg sollte das invasivere (eindringendere) Verfahren gewählt werden. In der Regel beginnt die Behandlung im Falle der weiblichen Sterilität mit einer Regulierung des Menstruationszyklus bzw. einer Auslösung des Eisprungs mit verschiedenen Medikamenten. Genaue Angaben zur Häufigkeit dieser »konservativen« Sterilitätsbehandlungen liegen nicht vor.
Operative Maßnahmen sind verfügbar zur Herstellung der Eileiterdurchgängigkeit, zur Behandlung von Verwachsungen oder Fehlbildungen der Gebärmutter oder - beim Mann - für Korrekturen verschlossener Samenwege. Andrologische Interventionen umfassen z.B. die Behandlung von Samenentleerungsstörungen oder neurogener Störungen und die medikamentöse Verbesserung der Samenqualität.
Tabelle 3 zeigt die heute verfügbaren Methoden der »assistierten Reproduktion«, die eingesetzt werden, wenn die oben genannten Methoden nicht zu einer Schwangerschaft geführt haben. Indikationen für eine Samenübertragung (Insemination) sind die zervikale Sterilität, eine gestörte Fertilität des Mannes und die organisch nicht eindeutig erklärbare Sterilität. Die Frequenzstatistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) weist allein für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 1998 in den alten Bundesländern die Zahl von 50.500 homologen Inseminationen aus [21] .
Die klassische Indikation für die In-vitro-Fertilisation (IVF) stellt die tubare Sterilität dar. Zur Vorbereitung dieser Behandlung wird bei betroffenen Frauen zuvor eine kontrollierte Hyperstimulation (Überstimulation) der Eierstöcke vorgenommen. Dazu werden die Eierstöcke mit Hormonen (HMG, uFSH, rFSH) soweit angeregt, dass gleichzeitig mehrere Eizellen heranreifen. Angestrebt werden etwa 8 bis 12 Eizellen. Mit dieser Hyperstimulation soll sichergestellt werden, dass genügend befruchtete Eizellen in die Gebärmutter zurückgeben werden können. In der Regel lassen sich nicht alle gewonnenen Eizellen befruchten oder es treten Probleme bei der Zellteilung auf. Mit einer Stimulationsbehandlung ist für die Frau immer das Risiko eines Überstimulationssyndroms mit polyzystischen (mehrere Zysten enthaltenden) Eierstöcken, Aszites (Ansammlung von Flüssigkeit in der Bauchhöhle) und Drehung der Eierstöcke verbunden. Zudem steigt bei Vorschädigungen der Blutgerinnung das Risiko für Thrombosen und Embolien.
Die Intrazytoplasmatische Spermieninjektion wird vor allem bei männlicher Unfruchtbarkeit eingesetzt oder bei ausbleibender Fertilisation in der IVF. Die Methode kann auch mit Spermien aus dem Nebenhoden (epididymal) oder aus dem Hoden (testikulär) durchgeführt werden. Die Partnerinnen müssen sich der gleichen Behandlung wie bei der In-vitro-Fertilisation unterziehen.
Voraussetzung für den Gametentransfer ist die Existenz von mindestens einem funktionsfähigen und durchgängigen Eileiter. Als Indikation für das Verfahren sind in erster Linie die idiopathische (ohne erkennbare Ursache) Sterilität sowie die männliche Subfertilität zu nennen.
An der Tatsache, dass sich bei der IVF/ICSI-Behandlung im Falle der männlichen Unfruchtbarkeit gesunde Frauen einer IVF-Behandlung unterziehen, zeigt sich besonders, dass Infertilitätsbehandlungen immer das unfruchtbare Paar betreffen und nicht auf einen der Partner beschränkt sind. Für die Praxis bedeutet dies, dass beide Partner über die Risiken einer Behandlung aufklärt werden und eine Behandlung nur beginnt, wenn die gemeinsame Einwilligung des Paares vorliegt. Es hat sich gezeigt, dass diese Phase der Entscheidungsfindung für das Paar und seine gemeinsame Anpassung an den unerfüllten Kinderwunsch sehr bedeutsam ist. So können in der Phase der Behandlung gegenseitige Schuldzuweisungen oder Vorwürfe sowie eine unzureichende Unterstützung durch den Partner, weil dieser die Behandlungsentscheidung nicht mit tragen kann, vermieden werden.
In Deutschland werden die Behandlungsdaten aus mittlerweile mehr als 100 Zentren, in denen IVF, GIFT, IVF/ICSI oder Kryokonservierung praktiziert werden, in dem jährlich erscheinenden IVF-Register zusammengefasst [22] . Das Register dient als Mittel zur Qualitätssicherung.
Tabelle 3
Gängige Verfahren | Erläuterung |
---|---|
Hormonstimulation und Insemination |
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IVF - In-vitro-Fertilisation |
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ICSI - Intrazytoplasmatische Spermieninjektion |
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GIFT - Gamete Intrafallopian Transfer |
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Kryokonservierung Assisted Hatching (Schlüpfhilfe) |
|
In Abbildung 3 ist die Anzahl der systematisch registrierten Behandlungen spezifischer Formen der assistierten Reproduktion für den Zeitraum von 1982 bis 2002 wiedergegeben. Seit 1982- in diesem Jahr wurden 742 Behandlungen registriert -stieieg die Anwendung der assistierten Reproduktion stetig an. Im Jahr 2002 wurden 87.044 plausible Zyklen erfasst. Insgesamt wurden im Jahr 2002 52.814 Frauen behandelt. Während die Zahl der 1993 eingeführten ICSI-Behandlungen (erstmalig 1994 registriert) bis 1998 stetig stieg, sank sie mit der fehlenden Kostenübernahme durch die Krankenkassen seit 1998 wieder. Nachdem das Bundessozialgericht mit seinem Urteil vom 3. April 2001 festgestellt hatte, dass der Ausschluss von ICSI aus Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung einen Systemmangel darstellt, wurde ICSI in die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung, in Kraft getreten am 1. Juli 2002, wieder aufgenommen. Seither stieg die Zahl der ICSI-Behandlungen sprunghaft auf 37.692 im Jahr 2002 an. Ob die seit 2004 geänderten Kostenübernahmeregelungen der Gesetzlichen Krankenversicherung (siehe Abschnitt »Behandlungskosten«) einen Einfluss auf die Zahl der durchgeführten Behandlungen haben werden, bleibt abzuwarten.
Da im Deutschen IVF-Register nur Behandlungen auf Basis einer In-vitro-Fertilisation (IVF) registriert werden, wird die tatsächliche Anzahl invasiver reproduktionsmedizinischer Maßnahmen, zu denen auch die Inseminationsbehandlung zählt, deutlich höher sein. Es wird geschätzt, dass sich im Jahr 1998 knapp 90.000 Frauen einer künstlichen Befruchtung (Homologe Insemination und IVF/ICSI Behandlungen) unterzogen haben [21] .
Die Reproduktionsmedizin bietet heute weitere diagnostische und therapeutische Möglichkeiten, die aber allesamt in Deutschland nach der gültigen Gesetzeslage verboten sind, nämlich die Präimplantationsdiagnostik, die Langzeitkultur und Embryonenselektion zur Übertragung prognostisch günstiger Blastozysten, Eizellspende, Leihmutterschaft sowie die Entnahme von Blastomeren aus dem Embryo. Eine Änderung der Gesetzeslage ist bislang in Deutschland nicht vorgesehen. Die Embryonenspende ist nach dem Embryonenschutzgesetz nicht verboten, aber rechtlich nicht speziell geregelt.
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Abbildung 3
[12]
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Schwangerschafts- und Geburtenraten nach reproduktionsmedizinischer Behandlung
Bei der ovariellen Stimulation ohne künstliche Befruchtungstechniken werden Schwangerschaftsraten von über 30% angegeben [23, 24] . Für die Wahrscheinlichkeit des Eintretens einer Schwangerschaft spielen die Schwere der ovariellen Störung, die Medikamentenauswahl und eine sorgfältige Zykluskontrolle eine entscheidende Rolle. Die Schwangerschaftsraten nach Inseminationsbehandlung werden in Abhängigkeit von der Indikation und einer begleitenden individuellen Eisprungauslösung mit 2% bis 30% angegeben.Schwangerschaftsraten nach Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung sind von Behandlungszentrum zu Behandlungszentrum unterschiedlich. Ein objektives Maß wäre die tatsächliche » Baby-take-home «-Rate. Den Angaben des IVF-Registers 2002 zufolge kam es bei 22.813 IVF-Zyklen zu 5.362 Schwangerschaften (23,50%). Bei der ICSI-Behandlung (35.877 Zyklen) konnten 9.261 Schwangerschaften (25,82%) festgestellt werden. Die Rate der tatsächlichen Geburten, die erfasst wurden, liegt allerdings mit 2.591 Geburten bei IVF-Behandlungen sowie 4.657 Geburten bei ICSI Behandlungen deutlich unter der oben erwähnten Rate. Die Anzahl der im Register registrierten Aborte erklärt diesen Rückgang nicht vollständig. So bleibt der Ausgang von knapp einem Drittel (29,2% bei IVF-Zyklen; 28,9% bei ICSI-Zyklen) der ehemals registrierten Schwangerschaften unklar. Für das Jahr 2001 wurden vom DIR » Babytake- home «-Raten von 15,73% (IVF), 17,85% (ICSI), 15,75% (IVF/ICSI) und 9,43% (Kryo) angegeben. Eine Verknüpfung von IVF-Register und Perinatalstudien könnte zukünftig helfen, Dunkelziffern aufzuklären und damit verlässlichere Angaben zur » Baby-take-home «-Rate zu machen.
Die ausgefeilte Technik der In-vitro-Fertilisation (IVF) stellt für Paare und insbesondere Frauen eine invasive Variante der Behandlung der ungewollten Kinderlosigkeit dar. Die berichteten Erfolgsaussichten sind zudem niedrig. Die Auswertungen von 36.961 Zyklen bei IVF-Behandlungen seit 1991 ergaben eine Lebendgeburtrate von durchschnittlich 13,9% [25] . Insgesamt ist die hochspezialisierte Technik der Reproduktionsmedizin lediglich mit 1% an den Geburtenzahlen beteiligt, wobei jene Schwangerschaften unberücksichtigt bleiben, welche in der Behandlungszeit auch ohne medizinische Intervention eingetreten wären [26] .
Zur Qualitätssicherung werden Vergleiche von Schwangerschaftsraten trotz dieser Erfassungsprobleme zwischen einzelnen Zentren durchgeführt. Allerdings werden hierbei auch nicht immer gleich große, in Altersstruktur und Schwierigkeit (Indikation, ovarielle Reaktion, Eizell- und Spermienqualität, Zeitaufwand der Maßnahmen) vergleichbare Kollektive betrachtet.
Einflussfaktoren auf die Prognose der Behandlung
Neben medizinisch begründeten und umweltbedingten negativen Einflüssen (Adipositas, endokrine Faktoren, Reife testikulärer [den Hoden entstammenden] Spermien, Nikotinmissbrauch) auf die Fertilität haben u.a. entscheidenden Einfluss auf die Behandlungsprognose:- die Zahl der vorausgegangenen Behandlungszyklen,
- das Alter der Frau,
- die Zahl der transferierten Embryonen,
- die »Embryoqualität« (die z.B. anhand der Teilungsrate oder anhand von morphologischen Kriterien bestimmt wird),
- die Qualitätssicherung im behandelnden Zentrum,
- die Ausbildung und Erfahrung des medizinischen Personals.
Psychologische Interventionen
Seit den 80er Jahren wurden vermehrt psychologische Beratungskonzepte für ungewollt kinderlose Paare entwickelt. Eine aktuelle Metaanalyse von 25 Studien, in denen Beratungsprogramme evaluiert wurden, zeigt, dass psychologische Beratung deutliche positive Effekte im Hinblick auf die psychische Befindlichkeit haben kann, weniger ausgeprägt sind die Auswirkungen auf interpersonale Bereiche (z.B. Partnerschaftsqualität) [27] . Schwangerschaftsraten werden durch psychologische Beratung offensichtlich nicht verändert. Die Übersicht zeigte, dass Gruppenberatungen mit Fokus auf die Information der Betroffenen und das Training bestimmter Fertigkeiten (z.B. Entspannung) die effektivsten Formen der psychologischen Beratung sind.
Behandlungsrisiken
Die medizinischen Behandlungsrisiken bei konservativer Behandlung der Sterilität liegen primär in einer Überstimulation der Ovarien durch von außen verabreichte Hormone. Die Behandlungsrisiken bei der assistierten Reproduktion sind im Folgendem wiedergegeben. Wichtige medizinische Risiken der Behandlung:- Überreaktion der Eierstöcke auf die hormonelle Stimulationsbehandlung in Form von Zysten und Aszites,
- Mehrlingsrisiko (siehe unten),
- Fehlgeburten,
- Extrauterinschwangerschaft,
- Stieldrehung des Ovars als Folge von Überstimulation,
- Akutkomplikationen bei der Follikelpunktion,
- Infektionen als Spätkomplikationen,
- Kaiserschnitt.
Mehrlingsschwangerschaften
Als Folge reproduktionsmedizinischer Behandlungen steigt das Risiko von Mehrlingsschwangerschaften deutlich an: Die Mehrlingswahrscheinlichkeit bei natürlicher Konzeption ist durch die Hellinsche Regel definiert (Zwillinge 1 : 85 Geburten; Drillinge 1 : 7.225 Geburten, Vierlinge 1 : 614.125 Geburten). Bei den im DIR 2002 erfassten Geburten kam es nach IVF Behandlungen in 23,49% der Fälle zu Zwillingsgeburten, in 1,33% der Fälle zu Drillingsgeburten und zu einer Vierlingsgeburt (= 0,04%). Nach ICSI-Behandlungen kam es in 20,78% der erfassten Geburten zu Zwillingsgeburten und zu 1,32% zu Drillingsgeburten. Vierzig Prozent der Kinder, die in Deutschland nach assistierter Reproduktion geboren werden, sind Mehrlinge [29] .Die Risiken für Schwangerschaftserkrankungen (EPH-Gestose [späte Schwangerschaftskomplikation mit Ödemen, Bluthochdruck, Eiweißausscheidung im Urin], vorzeitige Wehentätigkeit, intrauterine Wachstumsverzögerung, Krankenhausaufenthalte während der Schwangerschaft) steigen deutlich, wenn eine Mehrlingsschwangerschaft vorliegt. Aus medizinischer Indikation heraus kann sich dadurch frühzeitig eine Reduzierung der Mehrlingsschwangerschaft als notwendig erweisen. Die Häufigkeit von Kaiserschnitten liegt im Zusammenhang mit künstlicher Befruchtung für Einlinge bei ca. 35%, bei Zwillingen wird sie mit etwa 65%, bei Drillingen mit 96% beziffert [30] .
Nicht nur aus medizinischer Sicht stellt eine Mehrlingsschwangerschaft eine Belastungssituation für die werdende Mutter dar, sondern auch im Hinblick auf die Belastung durch Erziehung und Versorgung mehrerer gleichaltriger Kinder. Mütter und Väter von Drillingen und Vierlingen klagen im Vergleich zu Eltern von Einlingen stärker über eine psychische Überlastung durch Schlafmangel, Depression und soziale Isolation.
Kindesentwicklung
In Bezug auf die pränatale Entwicklung wurde über eine Häufung neurologischer Störungen bei Kindern nach IVF-Zeugung berichtet [31] . Für die noch relativ junge ICSI-Behandlung konnte gezeigt werden, dass die Rate an Missbildungen leicht höher liegt als bei Spontanschwangerschaften: 8,6% Fehlbildungen nach ICSI vs. 6.9% Fehlbildungen bei natürlicher Empfängnis [32] . Darüber hinaus fanden sich Auffälligkeiten im Bezug auf das Geburtsgewicht: IVF oder ICSI-Kinder hatten im Vergleich zu Kindern nach spontaner Konzeption ein zwei- bis dreifach so hohes Risiko lediglich ein Geburtsgewicht unter 2.500 g (6,5% vs. 2,5%) zu erreichen [33] . Das erhöhte Risiko bezog sich ausschließlich auf Einlinge, bei Mehrlingsschwangerschaften gab es keine bedeutsamen Unterschiede zur natürlichen Zeugung.Die bisher vorliegenden Studien zur körperlichen, kognitiven (das Denken und die Wahrnehmung betreffenden) und psychomotorischen Entwicklung von Kindern, die durch reproduktionsmedizinische Behandlungen entstehen, zeigen überwiegend keine nennenswerten Auffälligkeiten [34, 35, 36] . Es werden zwar von IVF-Müttern Besonderheiten im Verhalten, wie stärkere Reizbarkeit oder Launenhaftigkeit sowie leichte Verzögerungen in der Sprachentwicklung ihrer Kinder berichtet, doch sind die Ausprägungen der Symptome nicht bedenklich [37] . Die Autoren vermuten, dass diese Beobachtungen vor allem aufgrund der Überfürsorglichkeit dieser Mütter um die gute Entwicklung ihrer Kinder entstanden sind und sich diese Eigenarten im Verlauf der kindlichen Entwicklung wieder zurückbilden werden.
Im Zusammenhang mit Mehrlingen oder mit Frühgeborenen hingegen werden Beeinträchtigungen in der Kindesentwicklung und in der Eltern-Kind-Beziehung häufiger berichtet [vgl. 38] . Mehrlingskinder und/oder Frühgeborene haben ein höheres Risiko als andere Kinder psychische Auffälligkeiten, wie beispielsweise Störungen der Impulskontrolle, Hyperaktivität, Instabilität im Verhalten, Vermeidung von Blickkontakt oder verzögerter Sprachbeginn, zu entwickeln. Diese Besonderheiten werden von Eltern nicht selten enttäuschend erlebt und erschweren ihnen eine Festigung der Eltern-Kind-Beziehung. Daher sollten diese Auffälligkeiten als Risikofaktoren für die frühe Eltern-Kind-Beziehung betrachtet werden, besonders dann, wenn gleichzeitig mehrere Kinder versorgt werden müssen.
Bewältigung
Wohlbefinden nach erfolgloser reproduktionsmedizinischer Behandlung
In der Regel zeigen 40 bis 50% aller Frauen und Männer, die nach einer erfolglosen Behandlung untersucht worden sind, Anzeichen einer milden Depression [39, 40] . Frauen sind besonders gefährdet. Allerdings waren sie vor depressiven Symptomen stärker geschützt, wenn sie sich bereits vor der Behandlung soziale Unterstützung suchten, die Erfolglosigkeit im Vorfeld einplanten sowie ihre emotionale Belastungen wahrnahmen und nicht verdrängten. Auf Dauer gelang Paaren eine Anpassung besser, wenn sie über ergänzende oder ähnliche Bewältigungsstrategien verfügten und sich ihrem Problem des unerfüllten Kinderwunsches gemeinsam zuwenden konnten. Die Effekte einer erfolglosen Behandlung auf Partnerschaftszufriedenheit und Sexualität variieren zwischen den einzelnen Studien. Betont wird eine Verbesserung der Partnerschaft durch einen Zuwachs an Nähe, Verständnis und gemeinsamer Aktivität, andere Studien hingegen konnten keinen Effekt beobachten. Folgen auf die Lebensqualität werden vor allem für Frauen sichtbar: Sie sind deutlich unzufriedener im Vergleich zu Frauen, deren Behandlung erfolgreich verlaufen ist.
Langfristige Folgen der ungewollten Kinderlosigkeit
Eine Reihe von Studien hat deutlich gezeigt, dass sich ungewollt kinderlose Paare langfristig nicht wesentlich im Hinblick auf psychologische und medizinische Merkmale von Eltern unterscheiden (z.B. Gesundheitszustand, Lebenszufriedenheit, subjektives Wohlbefinden, soziale Netze). Einige Faktoren wurden als günstig für eine langfristige Bewältigung der ungewollten Kinderlosigkeit identifiziert, so z.B. die bewusste Trauer um die Kinderlosigkeit, die bewusste Übernahme der Entscheidungskompetenz im Hinblick auf eine reproduktionsmedizinische Behandlung, die frühzeitige Suche nach Alternativen zum Kind und der Ausbau sozialer Kontakte. Ungünstig für die Bewältigung erscheinen Unterschiede im Bedauern über den unerfüllt gebliebenen Kinderwunsch zwischen den Partnern, die starke Fokussierung auf Kinder als wesentliches Lebensziel und das Verharren im Gefühl der Machtlosigkeit bezüglich der Kinderlosigkeit [41] .
Behandlungseinrichtungen und Verbände
Die Zulassungsbedingungen zur Durchführung der assistierten Reproduktion werden durch die Richtlinien der Bundesärztekammer geregelt: Jede Ärztin und jeder Arzt, die entsprechende Behandlungen durchführen wollen und für sie die Gesamtverantwortung tragen, haben dies der Ärztekammer anzuzeigen und nachzuweisen, dass die berufsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Zulassung erfolgt durch die zuständige Ärztekammer.Die Behandlungen werden meist in reproduktionsmedizinischen Zentren durchgeführt; in Deutschland gibt es weit über 100 entsprechende Einrichtungen. Die Bundesärztekammer informiert über Arztpraxen und Einrichtungen, die berechtigt sind, Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durchzuführen. Im Bundesverband reproduktionsmedizinischer Zentren (BRZ) und in der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin e.V. (DGGEF ist ein Großteil der reproduktionsmedizinischen Einrichtungen organisiert.
Betroffenen steht ein Netz von Selbsthilfegruppen (Wunschkind e.V., www.wunschkind.de ) zur Information und zum Erfahrungsaustausch zur Verfügung. Das Beratungsnetzwerk Kinderwunsch ( www.bkid.de ) kann genutzt werden, um Anlaufstellen für psychologische Beratung im Zusammenhang mit ungewollter Kinderlosigkeit herauszufinden. Staatliche und private Einrichtungen wie Pro Familia, Frauengesundheitszentren aber auch Familien, Paar- und Adoptionsberatungsstellen unterschiedlicher Kostenträger bieten Betroffenen darüber hinaus Sexual-, Gesundheits- und Familienberatung sowie psychosoziale Unterstützung an.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA); www.(BZgA).de ) informiert mit Broschüren, audiovisuellen Medien (Medienpaket Kinderwunsch) und über eine Datenbank (Internet- Datenbank Pränataldiagnostik/Unerfüllter Kinderwunsch) über Familienplanung, Kinderwunsch und Unfruchtbarkeit.
Kosten
Die Kosten für reproduktionsmedizinische Behandlungen sind nicht einheitlich. Insbesondere gibt es Unterschiede zwischen Kliniken und ambulanten Zentren, da dort unterschiedliche Hebesätze verwendet werden. Zudem ist der Aufwand der Behandlung individuell unterschiedlich.Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung werden von der Gesetzlichen Krankenversicherung entsprechend den Festlegungen im (SGB V) und den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (seit 2004: Gemeinsamer Bundesausschuss) nach Genehmigung durch die Krankenkassen bezahlt; seit 2004 übernehmen die Krankenkassen nur noch 50 Prozent der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihren Versicherten durchgeführt werden (GMG Art. 1; Nr. 14 [§ 27 a (SGB V)]). Außerdem reduziert sich die Anzahl der durch die Krankenkassen mit finanzierten Behandlungsversuche von vier auf drei. Darüber hinaus gibt es eine Altersbegrenzung für Frauen von 25 bis 40 Jahren, für Männer von 25 bis 50 Jahren. Für die Kryokonservierung (Tiefgefrieren von Vorkernstadien), die künstliche Befruchtung bei nicht verheirateten Paaren (auch nach Zustimmung durch die Landesärztekammern) und Behandlung nach Sterilisation müssen die Betroffenen die Kosten selbst übernehmen. Die Beihilfevorschriften des Bundes wurden den neuen Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung angeglichen. Auf die Verträge der privat Krankenversicherten haben die Änderungen durch das GMG keine Auswirkung.
Den Statistiken des Statistischen Bundesamtes sind Angaben über Krankenhausaufenthalte im Zusammenhang mit den Diagnosen weibliche und männliche Sterilität zu entnehmen, die aber mit Vorsicht zu interpretieren sind, da aus unterschiedlichen Gründen den Kostenträgern häufig andere Diagnosen gemeldet werden und speziell in jüngster Zeit auf eine Krankenhausbehandlung verzichtet wird. Den vorliegenden Zahlen ist zu entnehmen, dass sich-in erster Linie wegen Fortschritten in der Behandlung - die Anzahl der Krankenhausaufenthalte zugunsten ambulanter Behandlungsfälle stetig reduziert hat. Beispielsweise wurden 1994 noch 121.858 Krankenhauspflegetage in Verbindung mit der weiblichen Sterilität, 10.876 in Verbindung mit der männlichen Sterilität registriert, 1999 nur noch 68.651 Tage für Frauen, 5.493 für Männer.
Arbeitsunfähigkeit
Abbildung 4 gibt die auf der Basis der AOK Krankheitsartenstatistik berechneten Arbeitsunfähigkeitstage wegen Sterilität wieder, an denen eine Zunahme der Arbeitsunfähigkeitstage von Frauen in Ostdeutschland Mitte der neunziger Jahre deutlich wird, die wahrscheinlich durch eine Verbreiterung des Angebotes reproduktionsmedizinischer Maßnahmen nach der Wende erklärbar ist. Ab dem Jahr 2000 werden die Diagnosen nach ICD-10 kodiert und nur noch für Deutschland insgesamt ausgewiesen. Diese Klassifikationsänderung kann zu dem Abfall der AU-Tage bei den Frauen seit dem Jahr 2000 beigetragen haben. Es ist zu berücksichtigen, dass in der AOK Krankheitsartenstatistik nur Pflichtmitglieder erfasst werden. Ebenso wie die Krankenhausdiagnose- Statistik ist auch die Arbeitsunfähigkeits-Statistik nicht eindeutig interpretierbar, da viele Betroffene sich einerseits vom Hausarzt wegen anderer Diagnosen für arbeitsunfähig erklären lassen, andererseits die Arbeitsunfähigkeitstage deutlich abhängig sind von der Arbeitsplatzsicherheit. Somit liefern entsprechende Statistiken nur grobe Anhaltspunkte über Häufigkeit und Kosten der Kinderwunschbehandlungen. Eine Berechnung der gesundheitsökonomischen Aspekte der Kinderwunschbehandlung ist auf dieser-unvollständigen -Datetenbasis nicht sinnvoll.zur Tabelle mit Werten
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Zusammenfassung und Ausblick
In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl kinderloser Frauen in Deutschland stark angestiegen; im europaweiten Vergleich hat Deutschland den höchsten Anteil an kinderlosen Frauen. Aus diesen Angaben erschließt sich aber nicht, ob die betroffenen Frauen gewollt oder ungewollt kinderlos sind. Der Anstieg des Alters der Mütter bei Geburt deutet darauf hin, dass die Entscheidung zur Elternschaft, bedingt durch lange Ausbildungszeiten und Schwierigkeiten in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zunehmend in höherem Lebensalter getroffen wird. Mit der Verschiebung des Kinderwunsches in ein höheres Lebensalter ist das Risiko sinkender Fruchtbarkeit verbunden. Bedingt durch die Zunahme reproduktionsmedizinischer Behandlungen wird der Anteil der ungewollt Kinderlosen aber häufig überschätzt; neueren Untersuchungen zufolge bleiben etwa 3% der Paare dauerhaft kinderlos. Eine aktuell durchgeführte repräsentative Befragung der Bevölkerung im Alter von 18 bis 50 Jahren zeigte, dass nur 1% der Bevölkerung von primärer Sterilität betroffen ist [42] .Die medizinische Behandlung ungewollter Kinderlosigkeit wurde durch die Möglichkeit künstlicher Befruchtungen (In-vitro-Fertilisation) und die Einführung neuer Methoden, wie z.B. ICSI, in den letzten zwanzig Jahren stark ausgebaut. Die Inanspruchnahme der Reproduktionsmedizin ist, wie sich bei ICSI-Behandlungen zeigt, auch abhängig von den jeweiligen Modalitäten der Finanzierung. Welche Änderungen sich durch die Neufassung des § 27a (SGB V) ergeben werden, bleibt daher abzuwarten.
Durch die unterschiedlichen juristischen Voraussetzungen für die Durchführung medizinischer Maßnahmen bei der ungewollten Kinderlosigkeit innerhalb Europas ist in den vergangenen Jahren ein »Behandlungstourismus« zu beobachten. So lassen sich viele deutsche Paare in benachbarten Ländern mit weniger restriktiver Gesetzeslage behandeln, um die dort angebotenen Behandlungsmaßnahmen zu nutzen (z.B. die Auswahl der Embryonen nach Blastozystenkultur). Dabei scheinen osteuropäische Länder aufgrund ihrer im Vergleich geringeren Behandlungskosten von Betroffenen bevorzugt zu werden. Die Debatte um die ethischen und rechtlichen Voraussetzungen der Behandlung ungewollt kinderloser Paare wird weitergeführt werden, nicht zuletzt im Lichte veränderter gesellschaftlicher Vorstellungen von Familie und Kind.
Angesichts der begrenzten Erfolgsaussicht von reproduktionsmedizinischen Behandlungsmaßnahmen sollten die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen so verändert werden, dass eine frühere Familienbildung leichter möglich wird. Mit ungewollt kinderlosen Paaren sollte in der Therapie auch ein Leben ohne Kinder diskutiert werden, zumal in verschiedenen Studien zu den langfristigen Konsequenzen der Kinderlosigkeit gezeigt wurde, dass die Lebensqualität vergleichbar der von Paaren mit Kindern ist.
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Fußnoten
1
In der Praxis wird ein Behandlungsbeginn allerdings
häufig vor Ablauf der zwei Jahre indiziert, z.B. bei Frauen,
die älter als 35 Jahre sind, oder bei Paaren mit offenkundigen
Fertilitätseinschränkungen, weswegen in neueren
Darstellungen für eine Einjahresfrist plädiert wird.
2
Da aus Gründen der Lesbarkeit nicht alle Fachausdrücke
im Text erklärt werden können, ist nachfolgend
ein Glossar eingefügt worden.
Abort | Fehlgeburt | ||
Adipositas | Fettleibigkeit, Fettsucht | ||
Andrologie | Männerheilkunde, Lehre vom Bau und Funktion der männlichen Geschlechtsorgane | ||
andrologisch | Die männlichen Geschlechtsorgane betreffend | ||
Assistierte Reproduktion | Künstliche Befruchtung | ||
Aszites | Ansammlung von Flüssigkeit in der Bauchhöhle | ||
Blastomeren | Durch Teilung der befruchteten Eizelle (Zygote) entstehende Zellen | ||
Blastozyste | Keimbläschen, Entwicklungsstadium eines Embryos | ||
Bulimie | Ess-Brech-Sucht | ||
Chlamydien | Bakterien, die unter anderem Gebärmutter und Eileiter entzünden können | ||
Embolie | Verschluss eines Blutgefäßes durch über die Blutbahn verschleppte Elemente (Blutgerinnsel oder thrombus, Tumorteile, Fruchtwasser, Luft) | ||
Endokrin | Auftreten von Gebärmutterschleimhaut außerhalb der Gebärmutter, wobei es zu Verwachsungen mit der Umgebung kommen kann, oft mit starken Schmerzen verbunden. Die Endometriose stellt eine häufige Ursache für die gestörte Fruchtbarkeit bei Frauen dar. | ||
Fertilisation | Befruchtung | ||
Fertilität | Befruchtung | ||
Fertilität | Fruchtbarkeit | ||
Follikel | Mit Flüssigkeit gefülltes Eibläschen, das die Eizelle enthält | ||
Follikelpunktion | Absaugen von Follikeln aus dem Eierstock | ||
Gameten | Keimzellen | ||
Gestose | Oberbegriff für schwangerschaftsbedingte Krankheiten | ||
GIFT - Gamete Intrafallopian Transfer | Übertragung von Ei- und Samenzellen in die Eileiter | ||
Gynäkologie | Frauenheilkunde | ||
Humangenetik | Fachgebiet der Medizin und Genetik, das sich mit der Vererbung genetischer Merkmale beim Menschen und den Ursachen genetischer Krankheiten befasst | ||
Hyperstimulation | Überstimulation, hormonelle Anregung der Eierstöcke, um das gleichzeitige Heranreifen mehrerer Eizellen zu bewirken | ||
ICSI Intrazytoplasmatische Spermieninjektion | Methode der künstlichen Befruchtung, bei der eine Samenzelle in die zuvor entnommene Eizelle mit einer feinen Nadel eingespritzt wird | ||
Idiopathisch | Ohne erkennbare Ursache | ||
Indikation | Grund zur Anwendung eines bestimmten Heilverfahrens | ||
Infertilität | Unfruchtbarkeit | ||
Insemination | Einbringen von aufbereiteter Samenflüssigkeit in die Gebärmutter | ||
invasiv | Eindringend, eingreifend | ||
IVF - In-vitro-Fertilisation | Befruchtung außerhalb des Körpers | ||
Konzeption | Empfängnis | ||
Kryokonservierung | Tiefgefrierkonservierung von biologischem Material (zum Beispiel von Eizellen oder Samenzellen) | ||
Metaanalyse | Statistisches Verfahren, um die Resultate aus verschiedenen, aber vergleichbaren Studien zu vereinen | ||
morphologisch | Die Körperform und -struktur betreffend | ||
Ovar, Ovarien | Eierstock, Eierstöcke | ||
Ovulation | Eisprung | ||
pathologisch | Krankhaft | ||
Polyzystisches Ovar (PCO) | Mehrere Zysten enthaltender Eierstock | ||
Präimplantationsdiagnostik(PID) | Diagnostik an einem durch künstliche Befruchtung entstandenen Embryo auf das Vorliegen krankheitsrelevanter Merkmale hin. Die Untersuchung erfolgt vor der Übertragung in die Gebärmutter. Bei Vorliegen einer schweren genetischen Schädigung wird der Embryo unter Umständen nicht in die Gebärmutter transferiert. Hinsichtlich der Konsequenzen der PID bestehen schwerwiegende ethische Bedenken - in Deutschland ist die PID verboten. | ||
Psychosomatik | Lehre von den Wechselwirkungen zwischen Körper und Seele | ||
Reproduktion | Fortpflanzung | ||
Spermiogramm | Untersuchungen zur Spermaqualität | ||
Sterilität | Unfruchtbarkeit | ||
Temporär | Zeitweilig | ||
Testikulus, testikulär | Hoden, dem Hoden entstammend | ||
thrombose | Verschluss eines Blutgefäßes durch ein Blutgerinnsel | ||
Totipotente embryonale Zellen | Zellen, die sich durch Teilung in ein eigenständiges Lebewesen entwickeln können. Bis zum Acht-Zell-Stadium verfügen embryonale Zellen über diese Eigenschaft. | ||
Tube, tubar | Eileiter, vom Eileiter ausgehend | ||
Tubenpathologie | Schädigung des Eileiters | ||
Urogenital | Die Harn- und Geschlechtsorgane betreffend | ||
Urologie | Lehre von Bau und Funktion des Harntraktes | ||
Zervix | Gebärmutterhals | ||
Zona pellucida | Die Eizelle umgebende Hülle | ||
Zygote | Befruchtete Eizelle | ||
Zyste | Flüssigkeitsgefüllter Hohlraum |
Tabellen mit Werten aus Abbildungen 1 bis 4
zurück zur Abbildung 1
Bundesländer | 1940 | 1945 | 1950 | 1955 | 1960 | 1965 |
---|---|---|---|---|---|---|
Neue Bundesländer | 8,9% | 8,5% | 8,0% | 6,0% | 10,6% | 26,4% |
Alte Bundesländer | 10,1% | 13,3% | 14,9% | 19,4% | 23,2% | 31,3% |
[10] | Engstler H, Menning S (2003) Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik. Lebensformen, Familienstrukturen, wirtschaftliche Situation der Familien und familiendemographische Entwicklung in Deutschland. Erweiterte Neuauflage 2003. Bonn, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend |
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Ursache | primäre Sterilität | sekundäre Sterilität |
---|---|---|
andrologischer Faktor | 25% | 20% |
tubarer Faktor | 15% | 40% |
endokrine Faktoren | 20% | 15% |
Endometriose | 10% | 5% |
idiopathisch | 30% | 20% |
[11] | Deutsches IVF-Register (2003) Jahrbuch 2002 DIR Bundesgeschäftsstelle bei der Ärtzekammer Schleswig Holstein (Hrsg) Bad Segeberg |
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Jahre | IVF | GIFT | Kryo | ICSI | IVF/ICSI |
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1982 | 742 | ||||
1984 | 972 | ||||
1986 | 3.806 | 380 | |||
1988 | 7.130 | 1.266 | |||
1990 | 7.343 | 985 | |||
1991 | 8.492 | 706 | |||
1992 | 12.867 | 1.283 | |||
1993 | 12.941 | 803 | |||
1994 | 16.175 | 829 | 499 | 5.856 | |
1995 | 18.731 | 1.047 | 1.375 | 13.598 | |
1996 | 14.494 | 420 | 2.660 | 16.233 | |
1997 | 9.902 | 104 | 2.656 | 15.365 | |
1998 | 16.763 | 11 | 4.616 | 23.578 | 424 |
1999 | 21.880 | 41 | 7.661 | 21244 | 962 |
2000 | 28.945 | 25 | 9.457 | 15.752 | 790 |
2001 | 28.506 | 19 | 12.195 | 24.897 | 695 |
2002 | 23.936 | 13 | 14.923 | 37.692 | 678 |
[12] | Deutsches IVF-Register (2003) Jahrbuch 2002 DIR Bundesgeschäftsstelle bei der Ärtzekammer Schleswig Holstein (Hrsg) Bad Segeberg |
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Bundesländer | 1991 | 1992 | 1993 | 1994 | 1995 | 1996 | 1997 | 1998 | 1999 | 2000 | 2001 |
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Frauen-West | 237,48 | 249,70 | 224,43 | 220,49 | 225,90 | 235,44 | 223,02 | 209,19 | 211,82 | ||
Männer-West | 14,45 | 18,28 | 16,84 | 19,34 | 19,96 | 23,33 | 23,48 | 26,07 | 25,54 | ||
Frauen-Ost | 210,79 | 280,11 | 264,90 | 362,36 | 388,27 | 443,64 | 365,29 | 358,65 | 317,71 | ||
Männer-Ost | 6,80 | 5,96 | 7,30 | 12,27 | 20,61 | 21,54 | 17,50 | 16,60 | 16,73 | ||
Frauen-Deutschland | 180,11 | 167,87 | |||||||||
Männer-Deutschland | 22,49 | 27,85 |