GBE kompakt: Ausgabe 02/2011 - Kompetenz und Souveränität im Gesundheitswesen [Gesundheitsberichterstattung - GBE kompakt, April 2011]
[GBE kompakt 01/2011 - Grippeschutzimpfung in Deutschland] [GBE kompakt 03/2011 - Diabetes mellitus in Deutschland] [Abstrakt]
G B E |
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K O M P A K T | Zahlen und Trends aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes | ||||||||||||||
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Kompetenz und Souveränität im Gesundheitswesen - Die Nutzerperspektive
Im Zusammenhang mit Reformen im Gesundheitswesen gibt es seit dem Jahr 2000 bedeutsame Entwicklungen von Rahmenbedingungen für eine stärkere Bürger-und Patientenorientierung (Nutzerorientierung). Dazu gehören die Förderung von Selbsthilfe und Patientenberatung durch die gesetzlichen Krankenversicherung, die Ernennung eines Patientenbeauftragten der Bundesregierung, die Etablierung eines Mitberatungs- und Antragsrechtes der Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss, die Gründung des Aktionsbündnisses Patientensicherheit, die Verankerung des Themas im nationalen Zieleprozess »gesundheitsziele.de« und weitere Aktivitäten (Hölling, Brasseit 2003; RKI 2006; Horch et al. 2009). Damit verbunden sind zwei generelle gesundheitspolitische Zielstellungen: mehr Wirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen sowie eine Verbesserung der Prävention im Sinne von Empowerment (Befähigung und Unterstützung) zu umfassender Gesundheitskompetenz. Gesundheitskompetenz beinhaltet dabei sowohl den individuellen Umgang mit Gesundheit und Krankheit als auch die aktive Teilnahme am Behandlungsprozess. Dazu gehört auch die Nutzung von Möglichkeiten, sich an Entscheidungen und Gestaltungen im Gesundheitssystem zu beteiligen. Kompetente Beteiligung wiederum führt zu mehr Sicherheit, d.h. Souveränität beim Wahrnehmen von Eigenverantwortung für die Gesundheit. Der Entwicklungsprozess von Kompetenz (Fähigkeit), Souveränität (Sicherheit) und Partizipation (Teilhabe) ist gleichsam verbunden mit dem Entstehen einer neuen Kultur der Kommunikation im Gesundheitswesen und findet auch bei der Betrachtung der individuellen Gesundheit Beachtung. Als besonders bedeutsam für die vielschichtigen Prozesse der Entstehung gesundheitlicher Kompetenz und der Erhöhung von Souveränität gilt es Transparenz zu erhöhen. Zu diesem Prozess gehören auch eine Stärkung der Rechte der Patientinnen und Patienten sowie eine Verbesserung des Beschwerdemanagements. In unmittelbarem Zusammenhang und enger Wechselwirkung mit diesen Entwicklungen ist eine neue Rolle der Nutzenden des Gesundheitswesens zu sehen, die zugleich Verbraucher und Kunden sind. Sie werden zunehmend als wichtige Koproduzenten und als Experten für ihre eigene Gesundheit akzeptiert (Dierks, Schwartz 2003; Hölling, Brasseit 2003). Der Paradigmen wechsel vom eher passiven zum mitbestimmenden Nutzenden von Gesundheitsleistungen führt zu einer Neubestimmung der Beziehungen und Verhaltens weisen im Gesundheitswesen, z.B. zur Veränderung der Arzt-Patientenbeziehung (»shared decision making«). Einen aktuellen Beitrag zu diesen Themenkomplexen liefert die schriftliche Befragung »Informationsverhalten und Selbstbestimmung von Bürger(inne)n und Patient(inn)en« aus dem Jahr 2009. Die Studie wurde im Rahmen des telefonischen Gesundheitssurveys »Gesundheit in Deutschland aktuell« (GEDA) des Robert Koch-Institutes durchgeführt. Erhoben wurden Parameter zur Zufriedenheit mit Kontakten im Gesundheitswesen, zum Informationsverhalten und Kenntnisstand hinsichtlich verschiedener gesundheits- und systemrelevanter Themen, zum aktiven Handeln, aber auch zu Möglichkeiten der Einflussnahme. Die Daten wurden zunächst dahingehend untersucht, ob sich Kompetenzen, Einstellungs-, Handlungs- und Zufriedenheitsparameter nach soziodemografischen und sozioökonomischen Kriterien unterscheiden. Die folgenden ausgewählten Ergebnisse bieten einen ersten, deskriptiven Überblick. |
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2/2011 2. Jahrgang
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»Informationsverhalten und Selbstbestimmung von
Bürger(inne)n und Patient(inn)en«
GEDA Zusatzbefragung |
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Datenhalter: | Robert Koch-Institut |
Ziele: | Bereitstellung aktueller Daten zur Zufriedenheit, Informationsverhalten und Möglichkeiten der Einflussnahme von Nutzerinnen und Nutzern des Gesundheitswesens |
Erhebungsmethode: | postalisch |
Grundgesamtheit: | 18-jährige und ältere Wohnbevölkerung Deutschlands |
Stichprobe: | 5.296 Frauen und Männer, an der Zusatzbefragung nahmen nur Personen teil, die in GEDA 2009 einer weiteren Befragung zustimmten |
Responserate: | 57,3% |
Untersuchungszeitraum: | Januar bis März 2009 |
Allgemeine Zufriedenheit mit Kontakten im Gesundheitswesen
Erhebungen zur Zufriedenheit geben Hinweise auf die Wahrnehmung und Beurteilung der Bevölkerung hinsichtlich medizinischer Behandlungen im Gesundheitswesen und auf die Vertrauenslage (z.B. Bestmann, Verheyen 2010; Koch et al. 2010). Die Daten der Zusatzbefragung zeigen, dass die Zufriedenheit mit dem letzten Kontakt im Gesundheits wesen, z.B. mit der Hausärztin bzw. dem Hausarzt, sehr hoch ist (Tabelle 1). Die Mehrheit der Befragten ist sehr zufrieden oder zufrieden (insgesamt 88%). Männer sind signifikant zufriedener als Frauen; im Altersverlauf sind die Älteren zufriedener. Privat Krankenversicherte geben eine höhere Zufriedenheit als gesetzlich Versicherte an. Die Betrachtung nach dem Sozialstatus, der aus den Variablen Bildung, Einkommen und Stellung im Beruf gebildet wird, zeigt, dass Personen mit mittlerem und hohem Sozialstatus zufriedener sind im Vergleich zu Personen der niedrigen Sozialstatusgruppe.
Tabelle 1
sehr zufrieden |
zufrieden |
wenig zufrieden |
gar nicht zufrieden |
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Gesamt | 26,2 | 61,5 | 11,1 | 1,2 | |||||||||||||||||||||
Geschlecht** | |||||||||||||||||||||||||
Frauen | 26,7 | 59,9 | 11,4 | 2,0 | |||||||||||||||||||||
Männer | 25,9 | 63,0 | 10,7 | 0,4 | |||||||||||||||||||||
Altersgruppen*** | |||||||||||||||||||||||||
18 bis 39 Jahre | 26,9 | 57,7 | 14,1 | 1,3 | |||||||||||||||||||||
40 bis 59 Jahre | 25,7 | 62,4 | 10,0 | 1,9 | |||||||||||||||||||||
60 Jahre und älter | 26,1 | 65,4 | 8,2 | 0,3 | |||||||||||||||||||||
Sozialstatus*** | |||||||||||||||||||||||||
Niedrig | 18,4 | 59,9 | 19,0 | 2,7 | |||||||||||||||||||||
Mittel | 28,0 | 60,6 | 10,4 | 1,0 | |||||||||||||||||||||
Hoch | 27,6 | 63,8 | 7,8 | 0,8 | |||||||||||||||||||||
Krankenversicherung*** | |||||||||||||||||||||||||
Gesetzlich | 24,3 | 62,2 | 12,2 | 1,3 | |||||||||||||||||||||
Privat | 36,8 | 57,3 | 5,3 | 0,6 |
* | p< 0,05 |
---|---|
** | p< 0,01 |
*** | p< 0,001 |
Betrachtet man die Zufriedenheit mit dem letzten Kontakt etwas differenzierter, unter den Aspekten erhaltene Informationen, Gesprächszeit, menschliche Zuwendung und Behandlungsergebnis, zeigen sich trotz einer hohen Gesamtzufriedenheit mit diesen Aspekten einige Unterschiede. Vor allem die zur Verfügung stehende Gesprächszeit wird mit 17% (Frauen 19%, Männer 16%) und das Ergebnis der Behandlung mit 16% (Frauen 15%, Männer 16%) als nicht zufriedenstellend eingestuft (Abbildung 1).
Abbildung 1

Mehr Informationen gewünscht
Transparenz und Informiertheit gelten als wesentliche Voraussetzungen für die Stärkung der Nutzerinnen und Nutzer als Partner im Gesundheitswesen sowohl bei der Wahl von Gesundheitsleistungen als auch im Rahmen der Mitverantwortung für die Wiedergewinnung und Erhaltung der Gesundheit (Horch, Wirz 2005). Wie vorangegangene Studien aufzeigen, besteht generell ein hohes Interesse an Gesundheitsinformationen in der Bevölkerung. Nach Angaben einer Studie der Bertelsmann Stiftung im Rahmen des jährlich durchgeführten Gesundheitsmonitors suchen vier von fünf Erwachsenen aus eigenem Interesse nach Informationen zu Gesundheit und Krankheit (Bertelsmann Stiftung 2004). Die Daten des telefonischen Gesundheitssurveys 2003 (GSTel03) des RKI belegen ein großes Interesse der Bevölkerung an gesundheitsbezogenen Themen. Lediglich 2% der befragten Personen (2,5% der Männer, 1,5% der Frauen) nutzten keine der angegebenen Informationsquellen (Horch, Wirz 2005).
Nach Daten der Zusatzbefragung GEDA 2009 informieren sich speziell vor einem Arzt- oder Krankenhausbesuch 28% der Personen über eine gewählte Einrichtung (Tabelle 2). Frauen holen dabei etwas häufiger Informationen ein als Männer. In den höheren Altersgruppen werden im Vorfeld eines medizinischen Kontaktes tendenziell mehr Informationen gesucht. Unterschiede zeigen sich auch mit zunehmenden Sozialstatus: Personen mit höherem Sozialstatus gehen häufiger auf Informationssuche als Personen mit niedrigem Sozialstatus.
Tabelle 2
vorherige Informationssuche | |||||||||||||||||||||||||
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Gesamt | 28,2 | ||||||||||||||||||||||||
Geschlecht** | |||||||||||||||||||||||||
Frauen | 30,5 | ||||||||||||||||||||||||
Männer | 25,7 | ||||||||||||||||||||||||
Altersgruppen*** | |||||||||||||||||||||||||
18 bis 39 Jahre | 26,1 | ||||||||||||||||||||||||
40 bis 59 Jahre | 29,9 | ||||||||||||||||||||||||
60 Jahre und älter | 28,2 | ||||||||||||||||||||||||
Sozialstatus*** | |||||||||||||||||||||||||
Niedrig | 22,5 | ||||||||||||||||||||||||
Mittel | 27,9 | ||||||||||||||||||||||||
Hoch | 33,7 | ||||||||||||||||||||||||
Krankenversicherung*** | |||||||||||||||||||||||||
Gesetzlich | 27,5 | ||||||||||||||||||||||||
Privat | 31,3 |
* | p< 0,05 |
---|---|
** | p< 0,01 |
*** | p< 0,001 |
Informationen vor einem Arzt-oder Krankenhausbesuch werden aus unterschiedlichen Quellen bezogen. Sowohl Frauen als auch Männer informieren sich am häufigsten in ihrem sozialen Umfeld, also bei der Familie und Freunden oder bei anderen Ärztinnen und Ärzten (Abbildung 2). Dies konnte auch mit den Daten des Gesundheitsmonitors der Bertelsmann Stiftung gezeigt werden (Marstedt 2007; Bertelsmann Stiftung 2007). Die Daten der GEDA Zusatzbefragung zeigen, dass insbesondere für Personen der Altersgruppe 18 bis 39 Jahre das Internet als zweithäufigste Bezugsquelle von Informationen gilt. Im Internet informieren sich Personen mit hohem Sozialstatus deutlich häufiger als Personen mit niedrigem und mittlerem Status.
Abbildung 2

Häufig werden mehr Informationen über verschiedene Bereiche des Gesundheitswesens gewünscht. Zu den Themenbereichen, in denen sich die Mehrheit schlecht informiert fühlt, zählen Anlaufstellen bei Verdacht auf Behandlungsfehler (88%), Qualität von Alten-und Pflegeheimen (83%) sowie von ambulanten Pflegediensten (81%) und Kostenaspekte (78%). Es zeigen sich keine signifikanten Unterschiede nach Geschlecht. Mit einem Anteil von 73% artikuliert eine große Gruppe der Bevölkerung auch den Wunsch nach mehr Informationen zu ihren Rechten als Patient, darunter mehr Jüngere als Ältere. In Abhängigkeit vom Sozialstatus wird deutlich, dass sich Personen der höheren Sozialstatusgruppen in einigen Bereichen schlechter informiert fühlen. Deutlich wird dies vor allem bei der Qualität von Versorgungseinrichtungen (Tabelle 3). Mit diesem Ergebnis könnten unterschiedliche Erwartungshaltungen an Versorgungseinrichtungen in den Sozialstatusgruppen widergespiegelt werden.
Tabelle 3
Sozialstatus | |||
---|---|---|---|
niedrig | mittel | hoch | |
Rechte als Patient** | 67,0 | 74,9 | 70,9 |
Möglichkeiten zur Vorbeugung von Krankheiten*** | 44,2 | 39,0 | 29,8 |
Behandlungsalternativen* | 62,5 | 67,4 | 61,2 |
Anlaufstellen bei Verdacht auf Behandlungsfehler*** | 81,1 | 89,3 | 89,2 |
Qualität von Ärzten** | 65,6 | 65,5 | 72,9 |
Qualität von Krankenhäusern* | 60,9 | 65,7 | 69,6 |
Qualität von Alten-und Pflegeheimen*** | 75,6 | 85,0 | 84,0 |
Qualität von ambulanten Pflegediensten*** | 74,9 | 81,2 | 87,1 |
Kosten einer ärztlichen Behandlung*** | 75,7 | 81,3 | 66,1 |
Änderungen bei der Bezahlung von Gesundheits- leistungen durch Krankenkassen*** |
74,7 | 79,7 | 72,3 |
Zuzahlungen bei Medikamenten*** | 65,4 | 71,0 | 60,3 |
* | p< 0,05 |
---|---|
** | p< 0,01 |
*** | p< 0,001 |
Weiterhin zeigen die Ergebnisse, dass den wenigsten Personen Funktionen und Ämter im Gesundheitswesen bekannt sind, die Belange von Patientinnen und Patienten vertreten. So kennen nur 14% (12% Frauen, 17% Männer) das Amt des Patientenbeauftragten der Bundesregierung ( www.patientenbeauftragter.de ), das mit dem Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung zum 1. Januar 2004 eingeführt wurde. Der Bekanntheitsgrad nimmt mit steigendem Alter und höherem Sozialstatus zu.
Seit 2004 sind Patientenvertreter in Entscheidungsgremien des deutschen Gesundheitswesens mit beratender Stimme tätig. Diese Funktion kennt ebenfalls nur ein geringer Teil der Bevölkerung (6%): 7% der Frauen und 5% der Männer wissen von dieser rechtlichen Möglichkeit. Die Broschüre »Patientenrechte in Deutschland«, die über die Rechte der Patientinnen und Patienten aufklärt ( www.bundesgesundheitsministerium.de ), ist lediglich 4% der Frauen und 2% der Männer bekannt (insgesamt 3%). Nach Alter und Sozialstatus ergeben sich keine signifikanten Unterschiede.
Wahrnehmungsmöglichkeiten von Patientenrechten als wenig gut beurteilt
Individuelle Patientenrechte sind dagegen bekannter. Von neun erfragten Rechten sind das Recht auf freie Arztwahl und das Recht auf vertrauliche Datenbehandlung am bekanntesten (Abbildung 3). Am wenigsten sind in der Bevölkerung die Rechte auf Selbstbestimmung, Schadensersatz, Einsicht in Unterlagen, sorgfältige Behandlung sowie Beratungsmöglichkeiten durch die Krankenkasse bekannt. Nicht einmal die Hälfte kennt diese Rechte. In der Altersgruppe der ab 60-Jährigen ist lediglich 34% das Recht auf Schadensersatz bekannt; die 18- bis 39-Jährigen sind am wenigsten mit dem Recht auf Beratung durch die Krankenkasse vertraut (41%). Alle neun Patientenrechte sind bei Angehörigen der niedrigen Sozialstatusgruppe weniger bekannt als in den höheren Statusgruppen.
Abbildung 3

Die Befragten wurden auch gebeten, ihre Möglichkeiten einzuschätzen, Patientenrechte in Deutschland wahrzunehmen. Rund 36% bezeichnen diese Möglichkeiten als gut oder sehr gut (Tabelle 4). Knapp die Hälfte der Personen beurteilt diese als weniger gut und etwa 16% schätzen sie als schlecht bis sehr schlecht ein.
Tabelle 4
Einschätzung | ||||||
---|---|---|---|---|---|---|
sehr gut |
gut |
wenig gut |
schlecht |
sehr schlecht |
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Gesamt | 2,2 | 33,9 | 48,2 | 12,6 | 3,1 | |
Geschlecht | ||||||
Frauen | 2,2 | 33,6 | 49,7 | 12,0 | 2,5 | |
Männer | 2,2 | 34,1 | 46,6 | 13,4 | 3,7 | |
Altersgruppen*** | ||||||
18 bis 39 Jahre | 1,5 | 36,9 | 46,6 | 12,3 | 2,5 | |
40 bis 59 Jahre | 1,9 | 28,0 | 52,9 | 13,2 | 4,0 | |
60 Jahre und älter | 3,4 | 37,6 | 44,3 | 12,1 | 2,6 | |
Sozialstatus | ||||||
Niedrig | 3,1 | 33,6 | 47,5 | 12,3 | 3,5 | |
Mittel | 2,2 | 32,2 | 49,8 | 12,8 | 3,0 | |
Hoch | 2,0 | 40,4 | 43,7 | 11,3 | 2,6 | |
Krankenversicherung*** | ||||||
Gesetzlich | 2,2 | 34,1 | 47,4 | 13,4 | 2,9 | |
Privat | 3,0 | 36,1 | 49,0 | 7,4 | 4,5 |
* | p< 0,05 |
---|---|
** | p< 0,01 |
*** | p< 0,001 |
Anlass zu Beschwerden vorhanden, jedoch selten beschwert
Die Kenntnis von Beschwerden gilt als eine wertvolle Ressource. Sie hilft, Prozesse zu optimieren, Patienten- bzw. Nutzerzufriedenheit zu verbessern und Risiken zu identifizieren.
In der Befragung geben 37% der Frauen und 28% der Männer an, dass sie sich bei einem Kontakt im Gesundheitswesen in den vergangenen zwei Jahren gern beschwert hätten (Abbildung 4). Besonders Personen aus den Altersgruppen der 18- bis 39-Jährigen stimmen dem zu. Stratifiziert nach Sozialstatus zeigen sich keine signifikanten Unterschiede. Im Hinblick auf den Krankenversicherungsstatus wird deutlich, dass privat versicherte Personen weniger häufig einen Anlass zur Beschwerde gesehen haben. Insgesamt beschwerten sich 13% der Personen, 14% der Frauen und 12% der Männer (Abbildung 4).
Abbildung 4

Zusätzlich wurde erhoben, wo dieser Beschwerdeanlass bestand. Am häufigsten angeführt werden die niedergelassene Ärztin bzw. der niedergelassene Arzt (44%) sowie das Krankenhaus (26%) (siehe Abbildung 5). Geschlechtspezifische Unterschiede zeigen sich insbesondere für das Krankenhaus (Frauen 29%, Männer 21%) und die Krankenkasse (Frauen 18%, Männer 25%).
Fazit
Die Auswertungen der Daten der GEDA Zusatzbefragung 2009 »Informationsverhalten und Selbstbestimmung von Bürger(inne)n und Patient(inn)en« machen deutlich, dass es neben Wissensdefiziten in der Bevölkerung hinsichtlich ausgewählter Bereiche des Gesundheitswesens auch Defizite bei der Kenntnis und Wahrnehmung von Rechten und bezüglich des Umgangs mit Beschwerden gibt. Deutlich werden unterschiedliche Bedarfslagen für verschiedene Bevölkerungsgruppen, die für eine Zielgruppenorientierung in Bezug auf Wissensvermittlung und Kompetenzentwicklung herangezogen werden können. Geschlecht, Alter und Sozialstatus erweisen sich dabei als relevante Einflussgrößen. So zeigt sich ein differenziertes Bild für Teilgruppen, das Hinweise darauf gibt, Informations- und Kommunikationsangebote besser auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Interessengruppen abzustimmen.
Insgesamt wird deutlich, dass erhebliche Informationsdefizite zu Fragen der Qualitäts-und Kostentransparenz sowie zu Unterstützungsmöglichkeiten bei Verdacht auf Behandlungsfehler existieren. Auch zu ihren Rechten als Patient fühlt sich die Mehrheit eher schlecht informiert und sieht keine guten Möglichkeiten der Umsetzung.
Abbildung 5

Die Ergebnisse zeigen auf, dass es differenzierter und vielseitiger Unterstützungsangebote bedarf um Nutzerinnen und Nutzer des Gesundheitswesens Entwicklungsmöglichkeiten zu bieten, die sie zu kompetenten Partnern befähigen und ihnen eine Rolle nicht nur als » payer« sondern auch als »player« im Versorgungssystem ermöglichen. Insbesondere Personen der niedrigen Sozialstatusgruppe scheinen auf solche Angebote angewiesen zu sein. Sie holen seltener Informationen ein, kennen weniger ihre Rechte und sind am geringsten zufrieden. Geschlechtsunterschiede zeigen sich insbesondere bei der Informationssuche. Frauen sind dabei aktiver als Männer. Sie kennen aber in geringerem Ausmaß ihre Rechte als Patientin.
Eine wesentliche Grundlage der Stärkung von Patienten- bzw. Nutzerkompetenz sind die genannten Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen und ihr weiterer Ausbau. Zugleich sind Entwicklungsbedingungen in sozialen Kontexten relevant, wie sie sich beispielsweise in der Familie, Schule und am Arbeitsplatz ergeben. Gefragt sind damit auch Bereiche außerhalb des Gesundheitssektors, wie z.B. das Bildungs-und Sozialwesen, die kompetenz- wirksame Voraussetzungen liefern.
Die vorliegenden Ergebnisse liefern einen Beitrag sowohl zur Public Health Wissenschaft, insbesondere unter dem Gesichtspunkt von Kompetenz- und Präventionsforschung als auch zur Versorgungsforschung, die Patientenorientierung im Hinblick auf Qualitätsverbesserung der gesundheitlichen Versorgung zum Ziel hat.
Dr. Kerstin Horch
1
, Dr. Livia Ryl
1
, Dr. Birte Hintzpeter
1
,
Prof. Dr. Marie-Luise Dierks
2
1
Robert Koch-Institut Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung
und
2
Medizinische Hochschule Hannover
Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und
Gesundheitssystemforschung
Literatur
Bertelsmann Stiftung (Hrsg) (2006) Bedarf an Patienteninformationen über das Krankenhaus - Eine Literaturanalyse erstellt
von Prof. Dr. Doris Schaeffer. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
http://www.bertelsmann-stiftung.de
(Stand 07.04.2011)
Bestmann B, Verheyen F (2010) Patientenzufriedenheit. Ergebnisse einer repräsentativen Studie in der ambulanten ärztlichen Versorgung. Techniker Krankenkasse (Hrsg) WINEG Wissen 01. Techniker Krankenkasse (Hrsg), Hamburg
Böcken J, Braun B, Schnee M (Hrsg) (2004) Gesundheitsmonitor 2004. Die ambulante Versorgung aus Sicht von Bevölkerung und
Ärzteschaft. Verlag Bertelsmann Stiftung. Gütersloh
http://www.bertelsmann-stiftung.de
(Stand 07.04.2011)
Dierks ML, Schwartz FW (2003) Patienten, Versicherte, Bürger-die Nutzer des Gesundheitswesens. In: Badura et al. (Hrsg) Public Health. Gesundheit und Gesundheitswesen. Urban & Fischer. München, Jena. S. 314 bis 321
Hölling G, Brasseit U (2003) Gesundheitsziele zur Stärkung der gesundheitlichen Kompetenz von Bürgern und Patienten. Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 45(2): 128 bis 133
Horch K, Wirz J (2005) Nutzung von Gesundheitsinformationen. Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 48(11): 1.250 bis 1.255
Horch K, Hölling G, Klärs G et al. (2009) Ansätze zur Evaluation des Gesundheitsziels »Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Patient(inn)ensouveränität stärken«. Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 52 (10): 889 bis 896
Koch K, Schürmann C, Sawicki P (2010) Das deutsche Gesundheitswesen im internationalen Vergleich. Die Perspektive der Patienten. Deutsches Ärzteblatt 107(24): 427 bis 434
Marstedt G (2007) Transparenz in der ambulanten Versorgung: Patienten auf der Suche nach einem »guten Arzt«. In: Böcken J, Braun B, Amhof R (Hrsg) Gesundheitsmonitor 2007. Gesundheitsversorgung und Gestaltungsoptionen aus der Perspektive von Bevölkerung und Ärzten. Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Robert Koch-Institut (2006) Bürger-und Patientenorientierung im Gesundheitswesen.
Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Heft 32. RKI, Berlin
http://www.rki.de/gbe
Linkliste
Patientenbeauftragter der Bundesregierung
http://www.patientenbeauftragter.de
Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss
http://www.g-ba.de/institution/struktur/patientenbeteiligung
Aktionsbündnis Patientensicherheit
http://www.aktionsbuendnis-patientensicherheit.de
Gesundheitsziel »Gesundheitliche Kompetenz erhöhen, Patient(inn)ensouveränität stärken«
http://www.gesundheitsziele.de/
Impressum
GBE kompakt
Herausgeber
Robert Koch-InstitutNordufer 20
13353 Berlin
Redaktion
Dr. Christine Hagen,Dr. Livia Ryl
Robert Koch-Institut
Abt. Epidemiologie und
Gesundheitsberichterstattung
General-Pape-Straße 62
12101 Berlin
Tel.: 0 30 18 / 7 54 bis 34 00
E-Mail: gbe@rki.de
www.rki.de/gbe
Zitierweise
Horch K, Ryl L, Hintzpeter B, Dierks ML (2011)Kompetenz und Souveränität im Gesundheitswesen- Die Nutzerperspektive.
Hrsg. Robert Koch-Institut Berlin.
GBE kompakt 2(2)
www.rki.de/gbe-kompakt
(Stand:07.04.2011)
ISSN 2191-4974
Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit
[GBE kompakt 01/2011 - Grippeschutzimpfung in Deutschland] [GBE kompakt 03/2011 - Diabetes mellitus in Deutschland] [Abstrakt]
Gesundheitsberichterstattung des Bundes 24.05.2022