GBE kompakt: Ausgabe 05/2012 - Angebote der Prävention - Wer nimmt teil? [Gesundheitsberichterstattung - GBE kompakt, September 2012]
[GBE kompakt 04/2012 - Epidemiologie und Früherkennung häufiger Krebserkrankungen in Deutschland] [GBE kompakt 06/2012 - Gesundheit in Europa - Daten des Gesundheitsmonitorings der EU] [Abstrakt]
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K O M P A K T | Zahlen und Trends aus der Gesundheitsberichterstattung des Bundes | ||||||||||||
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Angebote der Prävention - Wer nimmt teil?
Präventive Maßnahmen zur Förderung von gesunder Ernährung, Bewegung und Entspannung sind von zentraler Bedeutung bei der Vorbeugung von weit verbreiteten, nichtübertragbaren Krankheiten wie Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- oder Krebserkrankungen (GKV-Spitzenverband 2010; WHO 2011). Zum Einsatz kommen zum einen verhältnispräventive Maßnahmen, die das Ziel haben, die Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen in einer für die Bevölkerungsgesundheit dienlichen Weise zu entwickeln. Zum anderen werden verhaltenspräventive Maßnahmen durchgeführt, die darauf abzielen, ein individuelles Gesundheitsverhalten (z.B. Bewegung) zu verbessern, häufig ohne Berücksichtigung der konkreten Lebenswelt, in der das Verhalten stattfindet (z.B. Schule oder Betrieb) (Rosenbrock, Michel 2007). Die Förderung des individuellen Gesundheitsverhaltens geschieht durch Information, Beratung und das Einüben neuer Verhaltensweisen. Für Erwachsene findet dies meistens in Form von Gruppenangeboten von Volkshochschulen, Sportvereinen, Betrieben, kommerziellen Anbietern wie Fitnessstudios sowie gesetzlichen Krankenkassen statt. Verhaltenspräventive Maßnahmen dominieren die Präventionslandschaft, insbesondere im Bereich der Primärprävention (Rosenbrock, Michel 2007). Im Folgenden wird anhand repräsentativer Daten für Deutschland gezeigt, welche Bevölkerungsgruppen verhaltenspräventive Maßnahmen in Anspruch nehmen und welche Faktoren eine Teilnahme fördern können. Die Analysen beruhen auf Daten der Studie »Gesundheit in Deutschland aktuell« (GEDA) des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2009. Die Auswahl der herangezogenen Faktoren für eine Teilnahme an verhaltenspräventiven Maßnahmen lehnt sich am häufig verwendeten Analyserahmen des »Verhaltensmodells zur Inanspruchnahme von präventiven und kurativen Gesundheitsdienstleistungen« von Andersen (1995) an (weiterentwickelt in Andersen, Davidson 2007). Für die Untersuchung werden die Faktoren näher betrachtet, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen können, verhaltenspräventive Maßnahmen in Anspruch zu nehmen. Neben demografischen Faktoren (Geschlecht, Alter) und sozialen Einflussgrößen (Sozialstatus, Zusammenleben mit dem Partner bzw. der Partnerin, soziale Unterstützung) gehören hierzu die Einstellungen zur Gesundheit, z.B. das Achten auf die eigene Gesundheit. Des Weiteren wird untersucht, inwiefern sich der wahrgenommene Gesundheitszustand als individueller Einflussfaktor auf die Teilnahme an Maßnahmen auswirkt. Zuletzt wird der Einfluss von verschiedenen Gesundheitsverhalten wie Ernährung, Bewegung, Rauchen, Alkoholkonsum und Körpergewicht auf die Inanspruchnahme von Angeboten der Prävention untersucht. |
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5/2012 3. Jahrgang
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Frauen nehmen doppelt so häufig teil wie Männer
Etwa ein Sechstel (16%) der Erwachsenen nahm in den letzten 12 Monaten vor der Befragung an mindestens einer verhaltenspräventiven Maßnahme teil. Deutlich werden die Unterschiede zwischen Frauen und Männern: 20% der Frauen nahmen diese Angebote wahr im Vergleich zu 11% der Männer. Bei den Frauen besuchte die Altersgruppe zwischen 40 und 59 Jahren mit einem Anteil von 24% am häufigsten die Maßnahmen, während es bei Männern die Altersgruppe der über 60-Jährigen mit einem Anteil von 13% war (Abbildung 1).
Abbildung 1

Bewegungsangebote werden am häufigsten wahrgenommen
Die meisten Befragten nahmen an Maßnahmen zur Bewegung teil. Jede achte Person berichtete, an einem Angebot zur Verbesserung der körperlichen Fitness oder der Beweglichkeit teilgenommen zu haben, während nur etwa jede zwanzigste eine Maßnahme zur Ernährung oder Entspannung in Anspruch nahm (Tabelle 1). Die unterschiedlichen Teilnahmequoten spiegeln auch wider, dass die Angebote zur Förderung der körperlichen Aktivität verglichen mit den Themenbereichen Ernährung und Entspannung im Erhebungszeitraum wahrscheinlich häufiger angeboten wurden (MDS, GKV-Spitzenverband 2010).
Signifikante Geschlechtsunterschiede fanden sich für alle drei betrachteten Bereiche. An Maßnahmen zur Förderung von Bewegung und Entspannung nahmen Frauen etwa doppelt so häufig teil wie Männer. Für den Präventionsbereich Ernährung fielen die Unterschiede zwischen den Geschlechtern etwas geringer aus (Tabelle 1).
Hinsichtlich des Alters ist die themenspezifische Inanspruchnahme von Maßnahmen in den Präventionsbereichen unterschiedlich. Bei den Entspannungsangeboten besteht bei 40- bis 59-jährigen Frauen (9%) und Männern (4%) eine signifikant erhöhte Teilnahme im Vergleich zu den über 60-Jährigen (Frauen: 4%; Männer: 2%).
An Maßnahmen zur Bewegung beteiligte sich die Altersgruppe der 18- bis 39-Jährigen (Frauen: 12%; Männer: 7%) signifikant weniger häufig als die Gruppe der 40- bis 59-Jährigen (Frauen: 19%; Männer: 10%); dieses Muster zeigt sich auch im Bereich Ernährung bei den 18- bis 39-Jährigen (Frauen 5%; Männer: 2%) gegenüber den über 40- bis 59-Jährigen (Frauen: 7%; Männer 5%) (nicht dargestellt).
Tabelle 1
Ernährung | Bewegung | Entspannung | |
---|---|---|---|
in % 95%-KI |
in % 95%-KI |
in % 95%-KI |
|
Gesamt |
5,0 (4,6 bis 5,4) |
12,5 (11,9 bis 13,0) |
4,5 (4,2 bis 4,8) |
Frauen |
5,8 (5,3 bis 6,4) |
16,1 (15,3 bis 17,0) |
6,0 (5,5 bis 6,5) |
Männer |
4,1 (3,6 bis 4,7) |
8,6 (7,9 bis 9,3) |
2,9 (2,5 bis 3,4) |
Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA)
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Datenhalter: | Robert Koch-Institut |
Ziele: | Bereitstellung aktueller Daten zu gesundheitsbezogenen Themen, Analyse zeitlicher Entwicklungen und Trends |
Erhebungsmethode: | Computerunterstützte telefonische Befragung (CATI) |
Grundgesamtheit: | 18-jährige und ältere Wohnbevölkerung Deutschlands |
Stichprobe: | 21.262 Frauen und Männer |
Kooperationsrate: | 51,2% |
Untersuchungszeitraum: | Juli 2008 bis Juni 2009 |
Bei niedrigem Sozialstatus ist die Inanspruchnahme am geringsten
Von den sozialstrukturellen Einflussgrößen kommt dem Sozialstatus (mehrdimensionaler Index aus Schulbildung, beruflicher Stellung und Einkommen; vgl. Lampert, Kroll 2009) eine besondere Bedeutung zu. Im Kontext der Prävention gibt der Sozialstatus einen Hinweis darauf, ob die Zielgruppe der sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen mit den verhaltenspräventiven Maßnahmen erreicht wird.
In der GEDA-Studie 2009 nahmen Personen mit niedrigem Sozialstatus insgesamt deutlich seltener an mindestens einer verhaltenspräventiven Maßnahme aus den drei genannten Bereichen teil (Frauen 14%, Männer 8%) als Personen mit mittlerem (Frauen 21%, Männer 11%) oder hohem Sozialstatus (Frauen 24%, Männer 13%). Die deutlich geringere Teilnahme von Personen mit niedrigem Sozialstatus gegenüber den Gruppen mit mittlerem oder hohem Sozialstatus zeigte sich bei beiden Geschlechtern in allen Altersgruppen (Abbildung 2).
Bei Betrachtung der einzelnen Maßnahmen blieben die Unterschiede bei den Frauen auch nach statistischer Kontrolle des Alterseffektes für die Bereiche Bewegung und Entspannung bestehen. Bei Männern erwies sich der Einfluss des sozialen Status nach Kontrolle für Alter nur im Präventionsbereich Entspannung als bedeutsam.
Abbildung 2

Eine Partnerschaft ist für eine Teilnahme bei Frauen häufig förderlich
Als wichtige soziale Einflussgrößen gelten zudem das Zusammenleben mit einer Partnerin oder einem Partner und das Ausmaß an sozialer Unterstützung (Abbildung 3). Die soziale Unterstützung umfasst dabei das Vorhandensein und die Erwartung von Hilfe in schwierigen Situationen durch ein soziales Netzwerk (Franzkowiak 2011). In der GEDA-Studie 2009 bewerteten die Befragten das Ausmaß ihrer sozialen Unterstützung mittels der Oslo-3-Items-Social-Support-Scale (Dalgard et al. 2006). Es wurden Fragen nach der Anzahl an verlässlichen Personen bei ernsten persönlichen Problemen, der Anteilnahme Anderer am eigenen Leben und der Verfügbarkeit von Hilfe in der Nachbarschaft gestellt. Aus diesen Angaben wurde ein Summenscore (3 bis 14 Punkte) gebildet. Eine höhere soziale Unterstützung (12 bis 14 Punkte) war bei Frauen und Männern mit einer höheren Inanspruchnahme von Maßnahmen assoziiert (Abbildung 3).
Personen mit geringer sozialer Unterstützung (3 bis 8 Punkte) nahmen am seltensten teil. Allerdings waren bei der zusätzlichen Berücksichtigung des Alters die Unterschiede bei Frauen und Männern nicht signifikant.
Personen, die mit ihrer Partnerin bzw. ihrem Partner zusammenlebten, nahmen präventive Maßnahmen häufiger in Anspruch als Alleinlebende (Abbildung 3). Zusätzlich zeigte sich ein positiver Zusammenhang, wenn die Paare in einem gemeinsamen Haushalt lebten. Unter Berücksichtigung des Alters wurden die Ergebnisse für 18- bis 39-jährige und für über 60-jährige Frauen bestätigt. Bei Männern verschwanden die signifikanten Unterschiede.
Erfassung der Teilnahme an einer verhaltenspräventiven Maßnahme
Den Fragen ging eine kurze Einleitung voraus: »Es gibt eine Reihe von Maßnahmen zur Gesundheitsförderung, die von verschiedenen Anbietern durchgeführt werden und sich beispielsweise mit Ernährung, Bewegung, Entspannung und Sport oder Fitness befassen. Teilweise werden solche Maßnahmen von den Krankenversicherungen finanziert. Haben Sie in den letzten 12 Monaten an solchen Maßnahmen teilgenommen? Zum Beispiel ...« (1) Gewichtsreduktion, (2) gesunde Ernährung, (3) Entspannung oder Stressbewältigung, (4) Verbesserung der körperlichen Fitness oder der Beweglichkeit. Für die Auswertung wurden die beiden Antwortmöglichkeiten (1) Gewichtsreduktion und (2) gesunde Ernährung zur Variable »Ernährung« zusammengefasst.
Da die Befragten teilweise mehrere Maßnahmen innerhalb der letzten zwölf Monate wahrgenommen haben und sich die Frageinhalte auf verhaltenspräventive Elemente beziehen (Ernährung, Bewegung und Entspannung), wurde die Variable »Teilnahme an mindestens einer verhaltens-präventiven Maßnahme« gebildet.
Abbildung 3

Bei Belastung durch Hausarbeit ist die Teilnahme an Maßnahmen höher
Die Beziehungen im sozialen Umfeld stellen nicht nur eine Form von sozialer Unterstützung dar, sie können auch Belastungen durch Hausarbeit, Kindererziehung und häusliche Pflege bedeuten.
In der GEDA-Studie 2009 schätzten die Befragten das Ausmaß ihrer Belastung durch Hausarbeit wie Einkaufen, Kochen, Putzen, Gartenarbeit oder ähnliche Tätigkeiten selbst ein (vgl. Fuchs 2008). Belastete Frauen und Männer nahmen insgesamt häufiger an einer präventiven Maßnahme teil als Personen ohne Belastung.
Von den durch Hausarbeit belasteten Personen nahmen 17% an den Angeboten teil, von den Nichtbelasteten waren es 13%. Frauen und Männer aller Altersgruppen nahmen die präventiven Angebote häufiger wahr, wenn sie durch Hausarbeiten belastet waren. Für die unter 60-jährigen Frauen und die über 60-jährigen Männer waren diese Unterschiede signifikant (Abbildung 4).
Ein höheres Gesundheitsbewusstsein ist mit einer Teilnahme assoziiert
Das Gesundheitsbewusstsein und Kontrollüberzeugungen, d.h. die Erwartung, dass das eigene Handeln sich positiv auf die Gesundheit auswirkt (Kryspin-Exner, Pintzinger 2010; Faltermaier 2011), beeinflussen u.a. das Gesundheitsverhalten und damit auch die Inanspruchnahme von verhaltenspräventiven Maßnahmen.
Das Gesundheitsbewusstsein wurde mit der Frage »Wie stark achten Sie auf Ihre Gesundheit?« ermittelt. Fast ein Fünftel der Personen (19%), das angab, sehr stark bzw. stark auf die Gesundheit zu achten, nahm an einer Präventionsmaßnahme teil. Bei Befragten, die wenig oder gar nicht auf ihre Gesundheit achteten, nahm nur jede 15. Person (7%) ein Angebot wahr.
Die Kontrollüberzeugung wurde durch die Frage »Was denken Sie, wie viel kann man selbst tun, um seinen Gesundheitszustand zu erhalten oder zu verbessern?« ermittelt. Wurde die eigene Beeinflussbarkeit der Gesundheit als hoch eingeschätzt, war die Teilnahme häufiger als bei der Einstellung, dass man nichts oder wenig tun könne (Tabelle 2).
Unter der gleichzeitigen Berücksichtigung des Alters und des Sozialstatus der Befragten ließen sich die Ergebnisse zum Gesundheitsbewusstsein und zur Kontrollüberzeugung bestätigen.
Abbildung 4

Höhere Inanspruchnahme bei chronischer Krankheit
Der subjektiv wahrgenommene Gesundheitszustand gilt nicht nur als ein guter Indikator für den objektiven Gesundheitsstatus, er beeinflusst auch das Ausmaß an selbst eingeschätzter Bedrohung durch Krankheit und auf diese Weise das Gesundheitsverhalten (Kryspin-Exner, Pintzinger 2010).
In der GEDA-Studie 2009 nahmen Befragte, die ihren allgemeinen Gesundheitszustand als mittelmäßig bis schlecht beurteilten, insgesamt häufiger eine verhaltenspräventive Maßnahme in Anspruch (19%) als Personen mit einer sehr guten bis guten selbst eingeschätzten Gesundheit (14%). Ebenso zeigte sich für chronisch Kranke, dass diese deutlich häufiger die präventiven Angebote in Anspruch nahmen (20%) als Personen, die sich nicht als chronisch krank beurteilten (13%).
Auch diejenigen, die sich durch Krankheit dauerhaft in der Ausübung von alltäglichen Tätigkeiten eingeschränkt sahen, gaben eine deutlich höhere Inanspruchnahme von Maßnahmen an, im Vergleich zu den gesundheitlich nicht eingeschränkten Befragten (20% zu 14%). Die beschriebenen Unterschiede zeigten sich für beide Geschlechter (Abbildung 5).
Der Einfluss des allgemeinen Gesundheitszustands auf die Inanspruchnahme zeigte nach statistischer Kontrolle des Alters für Frauen in allen Altersgruppen keine signifikanten Unterschiede, bei Männern nur bei den 40- bis 59-Jährigen.
Anders verhielt es sich bei der Angabe von chronischen Krankheiten. Hier blieben signifikante Unterschiede für die Teilnahme weitgehend bei beiden Geschlechtern bestehen (Ausnahme bildeten nur die 18- bis 39-jährigen Männer). Hinsichtlich der selbst eingeschätzten Einschränkung durch Krankheit zeigten sich für die Frauen bis 59 Jahre bedeutsame Unterschiede. Während sich bei Männern nur bei den 40- bis 59-Jährigen Unterschiede zeigten.
Tabelle 2
in Prozent |
||
---|---|---|
Frauen | ||
Achten auf Gesundheit | ||
Gar nicht / weniger stark | 11,8 | |
Mittelmäßig | 17,3 | |
Stark / sehr stark | 22,9 | |
Gesundheitszustand erhalten / verbessern: Wie viel kann man tun? |
||
Nichts / wenig | 10,5 | |
Einiges | 17,4 | |
Viel / sehr viel | 20,8 | |
Männer | ||
Achten auf Gesundheit | ||
Gar nicht / weniger stark | 3,9 | |
Mittelmäßig | 8,6 | |
Stark / sehr stark | 14,1 | |
Gesundheitszustand erhalten / verbessern: Wie viel kann man tun? |
||
Nichts / wenig | 12,5 | |
Einiges | 8,8 | |
Viel / sehr viel | 11,2 |
Ausgewählte Verhaltensmerkmale der Teilnehmenden
Unter Gesundheitsverhalten werden in diesem Kontext unterschiedliche individuelle Verhaltensweisen verstanden, die positiv auf die Gesundheit wirken. Wenn Gesundheitsverhalten, wie z.B. Bewegung, mit dem Ziel durchgeführt werden, die eigene Gesundheit zu erhalten, zu fördern oder wiederherzustellen, dann stehen sie in engem Zusammenhang mit Einstellungen zur Gesundheit (Kryspin-Exner, Pintzinger 2010). Ausreichende Bewegung (körperliche Aktivität), gesunde Ernährung, Normalgewicht und der Verzicht auf schädigenden Substanzkonsum sind zentrale Gesundheitsverhalten, die in der Prävention und Gesundheitsförderung thematisiert werden (Kryspin-Exner, Pintzinger 2010).
Hinsichtlich körperlicher Aktivität fand sich bei der mittleren Aktivitätsgruppe (mehr als 2,5 Stunden pro Woche an weniger als 5 Tagen) ein höherer Anteil an Teilnehmenden als bei den körperlich weniger oder sehr Aktiven (19% vs. 16% bzw. 14%) (Tabelle 3).
Bei Personen, die die aktuellen Empfehlungen von fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag erreichten, zeigte sich der höchste Anteil bezüglich der Teilnahme (24%) (Tabelle 3). Bei steigendem Körpergewicht erhöhte sich der Anteil an Personen, der eine Maßnahme in Anspruch nahmen. Auffallend war der niedrige Anteil von 12% bei den Untergewichtigen (Tabelle 3).
Raucherinnen und Raucher waren in den Angeboten zur Verhaltensprävention deutlich seltener zu finden (11%) als Personen, die noch nie oder früher geraucht hatten (je 18%). 17% der Personen mit moderatem Alkoholkonsum nahmen eine verhaltenspräventive Leistung in Anspruch, aber nur jeweils 14% derjenigen mit riskantem oder keinem Alkoholkonsum (Tabelle 3).
Die deskriptiv beobachteten Befunde ließen sich, bei Kontrolle für Alter, Geschlecht und Sozialstatus bestätigen. Die positive Assoziation zwischen keinem Alkoholkonsum und der Teilnahme an einer verhaltenspräventiven Maßnahme fiel dagegen gering aus.
Abbildung 5

Tabelle 3
in Prozent |
OR* 95%-KI |
||
---|---|---|---|
Körperliche Aktivität1 |
|||
Weniger als 2,5 Std. pro Woche |
15,6 | Ref. | |
Mehr als 2,5 Std. pro Woche an weniger als 5 Tagen | 18,5 |
1,34** (1,23 bis 1,47) |
|
Mindestens 5-mal pro Woche mind. 30 Min. | 13,5 |
0,85 (0,97 bis 1,03) |
|
Obst und Gemüse (Portionen pro Tag2) | |||
0 bis 2 |
13,1 | Ref. | |
3 bis 5 | 19,7 |
1,32** (1,22 bis 1,44) |
|
Mehr als 5 | 23,8 |
1,66** (1,48 bis 1,85) |
|
Körpergewicht (Body-Mass-Index = BMI)1 | |||
Untergewicht (BMI < 18,5) | 11,7 |
0,82 (0,63 bis 1,06) |
|
Normalgewicht (BMI 18,5 bis 24,9) |
15,1 | Ref. | |
Übergewicht (BMI 25,0 bis 29,9) | 16,2 |
1,21** (1,11 bis 1,31) |
|
Adipositas (BMI > 30) | 16,8 |
1,31** (1,17 bis 1,46) |
|
Rauchen | |||
Rauchen (täglich oder gelegentlich) |
11,4 | Ref. | |
Früher geraucht | 17,5 |
1,48** (1,33 bis 1,64) |
|
Nie geraucht | 17,5 |
1,36** (1,24 bis 1,49) |
|
Alkoholkonsum3 | |||
Riskanter Konsum |
13,8 | Ref. | |
Moderater Konsum | 17,2 |
0,93 (0,82 bis 1,04) |
|
Kein Alkoholkonsum | 14,3 |
1,12** (1,03 bis 1,22) |
* | Odds Ratios aus getrennt gerechneten logistischen Regressionsmodellen kontrolliert für Altersgruppe, Geschlecht und Sozialstatus |
---|---|
** | Signifikanter Unterschied zur Referenzgruppe |
1 | Einteilung orientiert an Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (vgl. RKI 2011) |
2 | Einteilung orientiert an Empfehlungen (Obst- und Gemüsekonsum unter Hinzurechnung von bis zu einem Glas Obst- oder Gemüsesaft; vgl. Rabenberg, Mensink 2011) |
3 | Einschätzung des Alkoholkonsums anhand der Fragebogenskala AUDIT-C (vgl. RKI 2011) |
Diskussion
Etwa ein Sechstel der Erwachsenen in der GEDA-Studie 2009 nahm in den letzten zwölf Monaten an mindestens einer verhaltenspräventiven Maßnahme teil; Frauen doppelt so häufig wie Männer. Erwachsene mit niedrigem Sozialstatus nahmen um ein Drittel seltener teil als solche mit hohem Sozialstatus. Obwohl sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen häufig einen schlechteren Gesundheitszustand aufweisen (RKI 2005), erreichen die Angebote diese Bevölkerungsgruppen am wenigsten. Zur Verringerung der sozialen Ungleichheit von Gesundheitschancen sollten verhaltenspräventive Ansätze verstärkt in den Setting-Ansatz integriert werden (vgl. SVR 2005; Altgeld, Kolip 2010; Groeneveld, Proper et al. 2010; http://www.gesundheitliche-chancengleichheit.de).
Neben Geschlecht und Sozialstatus beeinflussen auch Ressourcen und Belastungen die Inanspruchnahme von verhaltenspräventiven Maßnahmen. In der GEDA-Studie 2009 war die Teilnahme bei Frauen mit dem Zusammenleben in einer Partnerschaft assoziiert. Bei beiden Geschlechtern zeigten sich zudem höhere Teilnahmen bei Belastungen durch Hausarbeit, bei dem Vorliegen einer chronischen Erkrankung und einer selbst eingeschätzten Einschränkung durch eine Erkrankung.
Diese Ergebnisse entsprechen zentralen Annahmen bekannter Modelle des Gesundheitsverhaltens (Modell der Gesundheitsüberzeugungen oder sozial-kognitives Prozessmodell des Gesundheitsverhaltens; vgl. Kryspin- Exner, Pintzinger 2010; Seibt 2011): Die wahrgenommene subjektive Anfälligkeit und der subjektiv empfundene Schweregrad einer möglichen Erkrankung begünstigen das Ausüben von präventivem Gesundheitsverhalten. Soziale Unterstützung, wie das Zusammenleben in einer Partnerschaft, kann dabei die Selbstwirksamkeit erhöhen, die im sozial-kognitiven Prozessmodell als ein wichtiger Faktor angesehen wird, ein bestimmtes Gesundheitsverhalten nicht nur zu planen, sondern auch umzusetzen (vgl. Seibt 2011).
Die Inanspruchnahme von verhaltenspräventiven Maßnahmen wird dabei gefördert, wenn die Überzeugung vorhanden ist, selbst viel für die Erhaltung der eigenen Gesundheit unternehmen zu können. Die Inanspruchnahme von verhaltenspräventiven Maßnahmen steht im Zusammenhang mit anderen Gesundheitsverhalten, bspw. Ernährung, Bewegung, Körpergewicht, Rauchen und Alkoholkonsum. Ein häufig genannter Kritikpunkt ist, dass an verhaltenspräventiven Maßnahmen Bevölkerungsgruppen teilnehmen, die ohnehin ein ausgeprägtes Gesundheitsverhalten haben (Präventionsdilemma; vgl. Hurrelmann et al. 2010).
Die GEDA-Studie 2009 zeigt hierzu ein uneinheitliches Bild. Einerseits ist die Teilnahme an mindestens einer verhaltenspräventiven Maßnahme innerhalb der letzten zwölf Monate überdurchschnittlich hoch bei hohem Obstund Gemüsekonsum, körperlicher Aktivität von mehr als 2,5 Stunden pro Woche (an weniger als 5 Tagen) oder Nichtrauchen. Andererseits nehmen - unabhängig von Alter, Geschlecht und Sozialstatus - auch Übergewichtige und Adipöse häufig an der Verhaltensprävention teil.
Einschränkend ist anzumerken, dass die GEDA-Studie 2009 nur querschnittliche Analysen zulässt, somit Wirkungszusammenhänge nicht dargestellt werden können. Mit den Daten der »Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland« (DEGS1) werden längsschnittliche Untersuchungen möglich (Gößwald et al. 2012, RKI 2009).
Die Inanspruchnahme von präventiven Leistungen hat sich in den letzten zehn Jahren deutlich erhöht (MDS, GKV-Spitzenverband 2010; Jordan et al. 2011). Eine aktuelle Studie zeigt, dass weite Teile der Bevölkerung das eigene Risikoverhalten als den bedeutendsten Einflussfaktor auf die Gesundheit beurteilen und Maßnahmen zur Prävention begrüßen (Marstedt, Rosenbrock 2009). Jedoch gibt es weiterhin einen Bedarf, die Bedeutung von Prävention und Gesundheitsförderung gesundheitspolitisch zu stärken, finanziell auszubauen (Hurrelmann et al. 2010) und neben den verhaltens- auch verhältnispräventive Maßnahmen umzusetzen (SVR 2005).
Susanne Jordan, Elena von der Lippe
Robert Koch-Institut
Abteilung für Epidemiologie und
Gesundheitsberichterstattung
Literatur
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Andersen RM (1995) Revisiting the behavioral model and access to medical care: Does it matter? J Health Soc Behav 36: 1 to 10
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Faltermaier, Toni (2011) Gesundheitsverhalten, Krankheitsverhalten, Gesundheitshandeln. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg) Leitbegriffe der Prävention und Gesundheitsförderung. Neuausgabe 2011. BZgA, Köln, S. 311 bis 314
Franzkowiak P (2011) Soziale Unterstützung. In: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (Hrsg) Leitbegriffe der Prävention und Gesundheitsförderung. Neuausgabe 2011. BZgA, Köln, S. 516 bis 520
Fuchs J (2008) Belastungen, Gesundheit und erfahrene Unterstützung im Geschlechtervergleich. Gesundheitswesen 70: A101
GKV-Spitzenverband (2010) Leitfaden Prävention. Handlungsfelder und Kriterien des GKV-Spitzenverbandes zur Umsetzung von §§ 20 und 20a SGB V vom 21. Juni 2000 in der Fassung vom 27. August 2010. GKV-Spitzenverband, Berlin
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Impressum
GBE kompakt
Herausgeber
Robert Koch-InstitutNordufer 20
13353 Berlin
Redaktion
Martina Rabenberg, Dr. Livia RylRobert Koch-Institut
Abt. Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung
General-Pape-Straße 62
12101 Berlin
Tel.: 0 30 18 / 7 54 34 00
E-Mail: gbe@rki.de
www.rki.de/gbe
Zitierweise
Jordan S, von der Lippe E (2012)Angebote der Prävention - Wer nimmt teil?
Hrsg. Robert Koch-Institut Berlin.
GBEkompakt 3(5)
www.rki.de/gbe-kompakt
(Stand:06.08.2012)
ISSN 2191-4974
Das Robert Koch-Institut ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit
Zuletzt aktualisiert am 24.09.2012
[GBE kompakt 04/2012 - Epidemiologie und Früherkennung häufiger Krebserkrankungen in Deutschland] [GBE kompakt 06/2012 - Gesundheit in Europa - Daten des Gesundheitsmonitorings der EU] [Abstrakt]
Gesundheitsberichterstattung des Bundes 28.05.2022