Kapitel 4.3 Früherkennungsuntersuchungen [Gesundheit in Deutschland, 2015]
[vorherige Seite] [nächste Seite] [Abstrakt] [Inhaltsverzeichnis]
4.3
FRÜHERKENNUNGSUNTERSUCHUNGEN
Früherkennungsuntersuchungen zählen zu den Maßnahmen der Sekundärprävention (Infobox 4.1.1). Durch gezielte medizinische Untersuchungen sollen Entwicklungsstörungen oder Krankheiten früh erkannt werden. Eine Diagnose noch vor dem Auftreten von Beschwerden oder Krankheitssymptomen soll die Prognose der Behandlung günstig beeinflussen. Früherkennungsuntersuchungen dienen auch dazu, gesundheitsrelevante Risikofaktoren frühzeitig zu erkennen und zu verringern.
In Deutschland haben in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versicherte Kinder und Erwachsene einen gesetzlich verankerten Anspruch auf verschiedene Früherkennungsuntersuchungen. Zu den Angeboten gehören derzeit die Früherkennungsuntersuchungen von Krankheiten bei Kindern, Jugendlichen und Schwangeren, die Gesundheitsuntersuchung zur Früherkennung von gesundheitlichen Risiken und Belastungen und von bevölkerungsmedizinisch bedeutsamen Krankheiten, wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes mellitus (Check-up) sowie die Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung. Hinzu kommen Maßnahmen zur Zahnprophylaxe (siehe Kapitel 4.4) und Maßnahmen zur Impfung (siehe Kapitel 4.2). Privat Versicherte können Leistungen zur Früherkennung je nach Tarif individuell vereinbaren.
Die gesetzlichen Regelungen zu Früherkennungsuntersuchungen für die genannten Angebote sind im fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) verankert [1]: §§ 24 und 24e (Schwangerenvorsorge), § 25 (Leistungen zur Erfassung von gesundheitlichen Risiken und Früherkennung von Krankheiten), § 25a (Organisierte Früherkennungsprogramme), § 26 (Gesundheitsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche).
Die inhaltliche Ausgestaltung der Früherkennungsuntersuchungen ist gemäß § 92 SGB V die Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), dem obersten Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung von Krankenkassen und Leistungserbringern [2]. Der G-BA erfüllt diese Aufgaben durch den Beschluss von Richtlinien, welche die Zielgruppen der jeweiligen Maßnahme sowie Art und Umfang der Untersuchungen konkretisieren [3] (Tab. 4.3.1). Er entscheidet auch über die Aufnahme neuer medizinischer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, wie z.B. einer neuen Früherkennungsuntersuchung. Diese können erst zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) erbracht werden, wenn der G-BA den Nutzen, die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit geprüft und bewertet hat.
Tabelle 4.3.1
ZIEL DER FRÜHERKENNUNG |
ART DER UNTERSUCHUNG | ZIELGRUPPE | ALTER | UNTERSUCHUNGS- INTERVALL |
|
---|---|---|---|---|---|
Früherkennung von Krankheiten bei Kindern |
verschiedene Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, die eine normale körperliche oder geistige Entwicklung des Kindes in nicht |
Mädchen und Jungen | 0 bis 6 Jahre | zehn aufeinanderfolgende Untersuchungen, einmalig |
|
Früherkennung von Krankheiten bei Jugendlichen |
verschiedene Untersuchung zur Früherkennung von Erkrankungen, welche die körperliche, geistige und soziale Entwicklung in nicht geringfügigem Maße gefährden (J1) |
Mädchen und Jungen | zwischen 13. und 14. Lebensjahr (± 1 Jahr) |
einmalig | |
Früherkennung von Risikoschwangerschaften und Risikogeburten |
Ärztliche Betreuung und Beratung der Schwangeren in ausreichendem Maße |
Frauen | / | / | |
Früherkennung von Diabetes mellitus und Nierenerkrankungen (Check-up) |
Klinische Untersuchung, Laboratoriumsuntersuchungen |
Frauen, Männer | ab 35 Jahre | alle zwei Jahre | |
Hautkrebsfrüherkennung | Ganzkörperuntersuchung der Haut | Frauen, Männer | ab 35 Jahre | alle zwei Jahre | |
Darmkrebsfrüherkennung | chemischer Stuhltest (Schnelltest auf verborgenes Blut im Stuhl) |
Frauen, Männer | ab 55 Jahren |
jährlich wenn keine Koloskopie, alle zwei Jahre |
|
Koloskopie (Darmspiegelung) |  Frauen, Männer; | ab 55 Jahren | zwei Koloskopien im |
||
Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs |
Abstrich am Gebärmutterhals | Frauen | ab 20 Jahren | jährlich | |
Früherkennung von Brustkrebs |
Abtasten der Brust | Frauen | ab 30 Jahren | jährlich | |
Mammographie im Rahmen des nationalen Mammographie-Screening- Programms |
Frauen | 50 bis 69 Jahre | alle zwei Jahre | ||
Früherkennung von Prostatakrebs |
Abtasten der Prostata (digitale rektale Untersuchung) |
Männer | ab 45 Jahren | jährlich |
[3] |
Gemeinsamer Bundesausschuss (2015) Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. www.g-ba.de/informationen/richtlinien/ (Stand: 16.06.2015) |
---|
Die Richtlinien zur Früherkennung bei Kindern, bei Jugendlichen und bei Erwachsenen werden entsprechend neuer gesetzlicher Vorgaben vom G-BA zurzeit angepasst. Das betrifft das im Juli 2015 verabschiedete Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (Präventionsgesetz) [32] und das 2013 verabschiedete Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister (Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG)) [33] (siehe Abschnitte 4.3.1 und 4.3.2). Die Tabelle 4.3.1 gibt den Stand der gesetzlich verankerten Früherkennungsuntersuchungen vor der Umsetzung der jüngst in Kraft getretenen Gesetze wieder.
Es können nur solche Angebote der Früherkennung zu Lasten der GKV erbracht werden, die bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. So setzen §§ 25 und 26 SGB V voraus, dass es sich um Krankheiten handelt, die wirksam behandelt werden können. Zudem müssen sich die Vor- oder Frühstadien dieser Krankheiten durch diagnostische Maßnahmen sowie die Krankheitszeichen medizinisch-technisch genügend eindeutig erfassen lassen. Außerdem müssen genügend Ärzte und Einrichtungen vorhanden sein, um die aufgefundenen Verdachtsfälle eingehend zu diagnostizieren und zu behandeln [4].
Als individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) werden überdies einige Früherkennungsuntersuchungen angeboten, die nicht in den Richtlinien des G-BA geregelt sind [5]. Die Kosten für diese Untersuchungen müssen die gesetzlichen Krankenkassen nicht übernehmen.
Aktuelle und ausführliche Informationen zum Thema Früherkennung werden vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bereitgestellt (www.gesundheitsinformation.de). Das IQWiG erfüllt damit einen Teil seines gesetzlichen Auftrages zur Aufklärung der Öffentlichkeit in gesundheitlichen Fragen.
Das vorliegende Kapitel beschreibt die gesetzlich verankerten Früherkennungsuntersuchungen. Es zeigt auf, wie diese auf Bevölkerungsebene genutzt werden und stellt Aktivitäten vor, wie sich die Inanspruchnahme steigern lässt.
Literatur
1 |
Sozialgesetzbuch (2015) Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung. www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/ (Stand: 15.04.2015) |
2 |
Gemeinsamer Bundesausschuss (2013) Aufgabe, Arbeitsweise, Finanzierung. www.g-ba.de/institution/aufgabe/aufgabe/ (Stand: 18.08.2015) |
3 |
Gemeinsamer Bundesausschuss (2015) Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. www.g-ba.de/informationen/richtlinien/ (Stand: 16.06.2015) |
4 |
Sozialgesetzbuch (2013) Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung.
Zweites Kapitel Versicherter Personenkreis. Vierter Abschnitt Leistungen zur
Früherkennung von Krankheiten. § 25 Gesundheitsuntersuchungen. www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__25.html (Stand: 15.04.2015) |
5 |
Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (2013) IGeL-Monitor.
Individuelle Gesundheitsleitungen auf dem Prüfstand. www.igel-monitor.de (Stand: 15.04.2015) |
32 | Präventionsgesetz - PrävG (2015) Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2015 Teil I Nr. 31 vom 24.07.2015. Bundesanzeiger Verlag, Köln, S. 1.368 bis 1.379 |
33 | Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz - KFRG (2013) Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2013 Teil I Nr. 16 vom 8.4.2013. Bundesanzeiger Verlag, Köln, S. 617 bis 623 |
[vorherige Seite] [nächste Seite] [Abstrakt] [Inhaltsverzeichnis]
Gesundheitsberichterstattung des Bundes 19.05.2022