Kapitel 4.3.2 Früherkennungsuntersuchungen bei Erwachsenen [Gesundheit in Deutschland, 2015]
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4.3.2
FRÜHERKENNUNGSUNTERSUCHUNGEN BEI ERWACHSENEN
Ziel von Schwangerenvorsorgeuntersuchungen ist es, Risikoschwangerschaften frühzeitig zu erkennen und, wenn nötig, dem jeweiligen Risiko entsprechend medizinisch zu begleiten. Als Schwangerschaftsrisiken gelten zum Beispiel ein Alter der Mutter von mindestens 35 Jahren, Zustand nach einer Frühgeburt oder vorzeitige Wehentätigkeit. Wie häufig Untersuchungen im Rahmen der Schwangerenvorsorge in Anspruch genommen werden, hängt von vielen Faktoren ab. Bei einer komplikationslosen Schwangerschaft werden zehn Vorsorgeuntersuchungen empfohlen, die vor der 13. Schwangerschaftswoche beginnen sollten. Als regelhaft gelten zehn bis zwölf Untersuchungstermine, als mangelhaft weniger als fünf. Eine komplikationslose Schwangerschaft mit mehr als zwölf Untersuchungen gilt als Überversorgung [15].
Daten zur Inanspruchnahme der Schwangerenvorsorgeuntersuchungen stammen aus der externen Qualitätssicherung im Bereich der Geburtshilfe. Die Zahlen belegen insgesamt eine hohe Akzeptanz [15]. Im Jahr 2013 nahmen von 658.735 Schwangeren 89,5% monatlich mindestens eine Vorsorgeuntersuchung in Anspruch. Die Auswertungen belegen, dass 1,7% der beteiligten Frauen während der Schwangerschaft weniger als fünf und 42,8% mehr als zwölf Untersuchungen hatten. Der Mittelwert lag bei 11,5 Untersuchungen. Die Erstuntersuchung geschah in den meisten Fällen (84,6%) vor der 13. Schwangerschaftswoche, nur bei 4,6% nach der 16. Schwangerschaftswoche. Fast alle Frauen ließen mindestens eine Ultraschalluntersuchung vornehmen; bei der Mehrzahl der Frauen (61,9%) waren es insgesamt drei bis fünf.
Mögliche Schwangerschaftsrisiken werden anhand eines Schlüssels mit 56 Positionen im Mutterpass dokumentiert. Nur bei jeder vierten Frau (23,7%) verlief die Schwangerschaft nach diesem Katalog ohne Risiken. Bei den Schwangeren mit Risiken lagen bei 26,8% besondere Befunde im Schwangerschaftsverlauf vor und bei 70,0% Risiken aus der Anamnese. Am häufigsten waren bei den anamnestischen Risiken mit 23,2% »familiäre Belastung« (Diabetes, Hypertonie, Missbildungen, genetische Krankheiten, psychische Krankheiten) und mit 16,0% »Schwangere über 35 Jahre«. Zu den als Risiko definierten besonderen Befunden im Schwangerschaftsverlauf gehört auch Abusus, der mit 3,4%, eher selten ist.
Anhand der Basisauswertung können keine Aussagen zu Defiziten bei der Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft getroffen werden. Studien belegen aber, dass zum Beispiel Schwangere mit sozialer Belastung, sehr junge ledige Frauen oder Frauen mit Migrationshintergrund mit diesem Angebot nicht so gut erreicht werden [16, 17].
Der Einsatz von Familienhebammen als aufsuchende, niedrigschwellige Unterstützung aus dem Gesundheitsbereich kann dabei helfen, Schwangere oder Familien in schwierigen sozialen oder psychosozialen Lebenssituationen zu unterstützen (»Frühe Hilfen«) (siehe Kapitel 4.7). Familienhebammen können schwangere Frauen und junge Mütter oder Eltern wenn nötig bis zum Ende des ersten Lebensjahres eines Kindes begleiten und so auch die Inanspruchnahme der Schwangerenvorsorge sowie der Kinderfrüherkennungsuntersuchungen begünstigen.
GESUNDHEITSUNTERSUCHUNG (CHECK-UP)
Die derzeit praktizierte Gesundheitsuntersuchung dient der Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenerkrankungen und des Diabetes mellitus sowie der jeweils relevanten Risikofaktoren. Dadurch sollen notwendige Behandlungen frühzeitiger eingeleitet werden. Der Check-up soll außerdem die Betroffenen motivieren, gesundheitsschädigende Verhaltensweisen zu ändern [18]. Mit dem am 24. Juli 2015 in weiten Teilen in Kraft getretenen Präventionsgesetz wird der bisherige Check-up stärker als bisher auf die Erfassung und Bewertung gesundheitlicher Risiken, eine darauf abgestimmte präventionsorientierte Beratung und ärztliche Empfehlung geeigneter primärpräventiver Maßnahmen ausgerichtet [32]. Es ist nun die Aufgabe des G-BA, den bisher praktizierten Check-up entsprechend weiterzuentwickeln bzw. an die neuen Vorgaben anzupassen.
2013 betrugen die Teilnahmeraten am Check-up - bezogen auf alle Anspruchsberechtigten in der GKV - bei den Frauen 24,6% und bei den Männern 23,0% [19]. Da diese Untersuchung im zweijährigen Intervall angeboten wird, sind die Teilnahmeraten höher, wenn die Vorjahresteilnahme (2012 bis 2013) mit einfließt: bei Frauen 48,5% und bei Männern 45,4%. Im Altersverlauf zeigt sich, dass vor allem jüngere Erwachsene diese Untersuchung (noch) nicht nutzen (Tab. 4.3.3). Insgesamt sind in den letzten Jahren steigende Teilnahmeraten zu verzeichnen. Dennoch nimmt nur knapp die Hälfte der Anspruchsberechtigten dieses Angebot im vorgesehenen Untersuchungsintervall in Anspruch.
Tabelle 4.3.3
FRAUEN ALTERSGRUPPE |
CHECK-UP | HAUTKREBS- FRÜHERKENNUNG |
CHEMISCHER STUHLBLUTTEST |
KOLOSKOPIE |
---|---|---|---|---|
2012 bis 20131 | 2013 | 2012 bis 20131 | 2003 bis 2013 | |
35 bis 39 Jahre | 35,7 | 16,6 | ||
40 bis 44 Jahre | 51,1 | 20,4 | ||
45 bis 49 Jahre | 46,6 | 18,2 | ||
50 bis 54 Jahre | 45,1 | 17,2 | 45,72 | |
55 bis 59 Jahre | 49,8 | 18,0 | 37,1 | 11,3 |
60 bis 64 Jahre | 49,5 | 18,9 | 28,6 | 24,0 |
65 bis 69 Jahre | 63,7 | 21,3 | 31,8 | 30,5 |
70 bis 74 Jahre | 60,5 | 21,7 | 25,8 | 29,0 |
75 bis 79 Jahre | 45,0 | 16,1 | 17,3 | 20,5 |
80 Jahre und älter | 42,2 | 13,2 | 8,7 | 8,2 |
Gesamt | 48,5 | 18,0 | 28,1 | 19,6 |
Männer ALTERSGRUPPE |
CHECK-UP | HAUTKREBS- FRÜHERKENNUNG |
CHEMISCHER STUHLBLUTTEST |
KOLOSKOPIE |
2012 bis 20131 | 2013 | 2012 bis 20131 | 2003 bis 2013 | |
35 bis 39 Jahre | 28,4 | 11,2 | ||
40 bis 44 Jahre | 43,1 | 14,4 | ||
45 bis 49 Jahre | 41,7 | 14,0 | ||
50 bis 54 Jahre | 41,1 | 13,7 | 13,42 | |
55 bis 59 Jahre | 45,9 | 14,9 | 18,3 | 9,9 |
60 bis 64 Jahre | 47,8 | 16,6 | 20,7 | 21,3 |
65 bis 69 Jahre | 63,1 | 20,0 | 28,5 | 27,6 |
70 bis 74 Jahre | 60,5 | 21,9 | 27,5 | 28,0 |
75 bis 79 Jahre | 45,4 | 17,1 | 22,6 | 22,1 |
80 Jahre und älter | 43,9 | 15,3 | 17,7 | 12,3 |
Gesamt | 45,4 | 15,6 | 20,7 | 19,9 |
1 | Zweijähriges Intervall (unter Berücksichtigung der Vorjahresteilnahme) |
---|---|
2 | Altersgruppe 50 bis unter 54 Jahre: nur jährliches Intervall |
[19] |
Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (2015)
Teilnahme am gesetzlichen Gesundheits-Check-up. www.gbe-bund.de (Stand: 18.08.2015) |
[23] |
Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik
Deutschland (2015) Teilnahme an gesetzlichen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen. www.gbe-bund.de (Stand: 16.06.2015) |
[24] |
Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (2015)
Teilnahme an gesetzlichen Früherkennungsuntersuchungen (fäkaler okkulter Bluttest (FOBT),
Koloskopie) und an Beratungen zur Prävention von Darmkrebs. www.gbe-bund.de (Stand: 16.06.2015) |
Weitere/aktuellere Informationen zu dieser Tabelle finden Sie hier:
Mit den Daten des Gesundheitsmonitorings des Robert Koch-Instituts kann untersucht werden, ob weitere Faktoren die Inanspruchnahme der Gesundheitsuntersuchung beeinflussen. So zeigen die Ergebnisse der Studie Gesundheit in Deutschland aktuell (GEDA), dass ein niedriger Sozialstatus bei Frauen und Männern mit einer geringeren Teilnahme am Check-up verbunden ist [20]. Auch gibt es Hinweise darauf, dass gesundheitsbewusstes Verhalten (sportliche Aktivität, Nichtrauchen, Obst- und Gemüsekonsum) mit einer höheren Teilnahme einhergeht [21].
Die geringere Beteiligung von Bevölkerungsgruppen mit niedrigem Sozialstatus an Früherkennungsangeboten einerseits und das größere Krankheitsrisiko in diesen Bevölkerungsgruppen andererseits legt es nahe, Maßnahmen zu fördern, die sozial bedingte gesundheitliche Ungleichheit verringern. Hierzu kann die Umsetzung des Präventionsgesetzes einen wichtigen Beitrag leisten.
KREBSFRÜHERKENNUNGSUNTERSUCHUNGEN
Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (KFU) sollen dazu dienen, Krebserkrankungen in einem möglichst frühen Stadium zu entdecken, wirksame Therapien frühzeitig einzuleiten und letztlich die krankheitsspezifische Mortalität zu verringern. Allerdings kann keine Früherkennungsuntersuchung zuverlässig alle Erkrankten als krank und alle Gesunden als gesund identifizieren. So können irrtümlich Gesunde als krank (falsch-positiv) und Kranke irrtümlich als gesund (falsch-negativ) identifiziert werden. Daraus ergeben sich möglich Nachteile, wie die weitere diagnostische Abklärung des Befundes, die mit unnötigen Belastungen für die Betroffenen verbunden sein kann.
Die möglichen Vorteile einer Früherkennungsuntersuchung (v.a. Senkung der Sterblichkeit an der betreffenden Erkrankung, schonendere Behandlung und bessere Prognose aufgrund der frühzeitigen Entdeckung) müssen mit den möglichen Nachteilen und Risiken abgewogen werden (falsch-positive und falsch-negative Testergebnisse; Komplikationen der diagnostischen Maßnahmen; Überdiagnostik und Übertherapie). Daher ist es wichtig, vor der persönlichen Entscheidung über eine Teilnahme an einer Untersuchung die Vor- und Nachteile zu kennen und abzuwägen.
Die einzelnen gesetzlich verankerten KFU richten sich an definierte alters- und geschlechtsspezifische Zielgruppen, [22] (Tab. 4.3.1). Die Inanspruchnahme lässt sich nur darstellen, wenn verschiedene Datenquellen herangezogen werden.
Tabelle 4.3.1
ZIEL DER FRÜHERKENNUNG |
ART DER UNTERSUCHUNG | ZIELGRUPPE | ALTER | UNTERSUCHUNGS- INTERVALL |
|
---|---|---|---|---|---|
Früherkennung von Krankheiten bei Kindern |
verschiedene Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, die eine normale körperliche oder geistige Entwicklung des Kindes in nicht |
Mädchen und Jungen | 0 bis 6 Jahre | zehn aufeinanderfolgende Untersuchungen, einmalig |
|
Früherkennung von Krankheiten bei Jugendlichen |
verschiedene Untersuchung zur Früherkennung von Erkrankungen, welche die körperliche, geistige und soziale Entwicklung in nicht geringfügigem Maße gefährden (J1) |
Mädchen und Jungen | zwischen 13. und 14. Lebensjahr (± 1 Jahr) |
einmalig | |
Früherkennung von Risikoschwangerschaften und Risikogeburten |
Ärztliche Betreuung und Beratung der Schwangeren in ausreichendem Maße |
Frauen | / | / | |
Früherkennung von Diabetes mellitus und Nierenerkrankungen (Check-up) |
Klinische Untersuchung, Laboratoriumsuntersuchungen |
Frauen, Männer | ab 35 Jahre | alle zwei Jahre | |
Hautkrebsfrüherkennung | Ganzkörperuntersuchung der Haut | Frauen, Männer | ab 35 Jahre | alle zwei Jahre | |
Darmkrebsfrüherkennung | chemischer Stuhltest (Schnelltest auf verborgenes Blut im Stuhl) |
Frauen, Männer | ab 55 Jahren |
jährlich wenn keine Koloskopie, alle zwei Jahre |
|
Koloskopie (Darmspiegelung) |  Frauen, Männer; | ab 55 Jahren | zwei Koloskopien im |
||
Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs |
Abstrich am Gebärmutterhals | Frauen | ab 20 Jahren | jährlich | |
Früherkennung von Brustkrebs |
Abtasten der Brust | Frauen | ab 30 Jahren | jährlich | |
Mammographie im Rahmen des nationalen Mammographie-Screening- Programms |
Frauen | 50 bis 69 Jahre | alle zwei Jahre | ||
Früherkennung von Prostatakrebs |
Abtasten der Prostata (digitale rektale Untersuchung) |
Männer | ab 45 Jahren | jährlich |
[3] |
Gemeinsamer Bundesausschuss (2015) Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. www.g-ba.de/informationen/richtlinien/ (Stand: 16.06.2015) |
---|
Hautkrebs- und Darmkrebsfrüherkennung gehören zu den Untersuchungen, die Frauen und Männern angeboten werden. 2013 nutzten 18,0% der anspruchsberechtigten Frauen und 15,6% der Männer eine Hautkrebs-Früherkennungsuntersuchung (Tab. 4.3.3) [23]. Einen chemischen Stuhlbluttest haben im Untersuchungszeitraum von 2012 bis 2013 28,1% der Frauen und 20,7% der Männer durchgeführt (Tab. 4.3.3). Im Zeitraum 2003 bis 2013 haben 19,6% der anspruchsberechtigten Frauen und 19,9% der Männer eine Früherkennungskoloskopie in Anspruch genommen (Tab. 4.3.3) [24].
Bei diesen Teilnahmeraten handelt es sich um Schätzungen auf Basis von Abrechnungsdaten der ambulanten Versorgung, die für unterschiedliche Altersgruppen ausgewiesen werden
Es fällt auf, dass bei den genannten Untersuchungen kaum Unterschiede in der Inanspruchnahme zwischen den Geschlechtern bestehen. Die Ausnahme bildet der Test auf verborgenes Blut im Stuhl, den deutlich mehr Frauen nutzen. Der Unterschied kann zum Teil darauf zurückgehen, dass Frauen der Test auch im Rahmen der jährlichen gynäkologischen Untersuchungen zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs angeboten werden kann [25]. Außerdem kann die allgemein höhere Inanspruchnahme ambulanter ärztlicher Versorgung von Frauen eine Rolle spielen [26]. Insgesamt fallen deutliche Unterschiede nach Altersgruppen auf (Tab. 4.3.3). Im Zeitverlauf seit 2008 ist keine nennenswerte Teilnahmesteigerung an den Haut- und Darmkrebsfrüherkennungen zu verzeichnen [23, 24].
Als Richtwert für die Inanspruchnahme der Untersuchung zur Früherkennung von Krebserkrankungen bei der Frau können die Schätzungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung herangezogen werden [23]. Gemäß Abschnitt B. II. §§ 6 und 8 der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie gehören für Frauen ab 20 Jahren folgende klinische Untersuchungen dazu: eine gezielte Anamnese, der Pap-Test, die bimanuelle gynäkologische Untersuchung, die Befundmitteilung (auch zur Zytologie) mit anschließender Beratung und die Inspektion der genitalen Hautregion. Für Frauen ab 30 Jahren kommen das Abtasten der Brustdrüsen und der regionären Lymphknoten und die Inspektion der entsprechenden Hautregion dazu. Im Jahr 2013 nahmen 48,3% aller anspruchsberechtigten Frauen ab 20 Jahren diese Untersuchungen in Anspruch. Die Inanspruchnahme ist im Alter zwischen 25 und 45 Jahren mit 60% bis 69% relativ hoch, sinkt aber mit zunehmendem Alter ab [23].
Zu den Untersuchungen zur Früherkennung von Brustkrebs gehören bei Frauen ab dem Alter von 30 Jahren das jährliche Abtasten der Brustdrüsen und der regionären Lymphknoten einschließlich der Anleitung zur regelmäßigen Selbstuntersuchung. In der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1, 2008 bis 2011) des RKI wurde die Teilnahmerate an dieser Untersuchung im letzten Jahr vor der Befragung ermittelt: Demnach haben sie 62,1% der anspruchsberechtigten Frauen in Anspruch genommen [27]. Am häufigsten nutzten Frauen im Alter zwischen 40 und 59 Jahren das Angebot, am geringsten Frauen ab 70 Jahren. Daten zur zeitlichen Entwicklung liegen für Deutschland nicht vor.
Gesetzlich und privat versicherte Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren werden alle zwei Jahre zum Mammographie-Screening eingeladen, einem standardisierten Screening-Programm mit umfangreichen Qualitätssicherungsmaßnahmen. Das Mammographie-Screening-Programm ist seit 2009 flächendeckend in Deutschland etabliert; die Teilnahmerate lag - bezogen auf alle eingeladenen Frauen - in den ersten Jahren (2005 bis 2008) bei 49,2% und 2011 bei 55,9% [28].
Männern wird eine jährliche Tastuntersuchung der Prostata ab 45 Jahren angeboten. Nach den Daten von DEGS1 gaben 38,9% der Männer an, eine Untersuchung der Prostata im letzten Jahr vor der Befragung in Anspruch genommen zu haben [27]. Die Teilnahmerate steigt mit dem Alter und erreicht bei den 70- bis 79-Jährigen 55,5%. 2007 berichteten im Bertelsmann Gesundheitsmonitor etwas mehr als ein Drittel der befragten Männer, eine Prostatakrebs-Früherkennungsuntersuchung innerhalb von zwei Jahren [29] wahrgenommen zu haben. Inwieweit sich die Akzeptanz der Prostatakrebsfrüherkennung im Verlauf der letzten Jahre verändert hat, lässt sich aufgrund fehlender Daten nicht sicher beurteilen. Als Richtwert für die aktuelle Inanspruchnahme können aber auch hier die Schätzungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung herangezogen werden [23]. Diese weisen die Inanspruchnahme der Untersuchung zur Früherkennung von Krebserkrankungen beim Mann gemäß Abschnitt C. § 25 der Krebsfrüherkennungs-Richtlinie aus [22]. Dazu gehören für Männer ab 45 Jahren folgende klinische Untersuchungen: eine gezielte Anamnese, die Inspektion und Palpation des äußeren Genitales einschließlich der entsprechenden Hautareale, das Abtasten der Prostata vom After aus, Palpation regionärer Lymphknoten und Befundmitteilung mit anschließender diesbezüglicher Beratung. Im Jahr 2013 haben 24,3% der anspruchsberechtigten Männer ab 45 Jahren diese Untersuchungen in Anspruch genommen. Es lässt sich eine Zunahme mit dem Alter bis 69 Jahre erkennen (12,6% bei den 45- bis 49-Jährigen und 40,1% bei den 65- bis 69-Jährigen) [23].
Neben den bereits genannten Einflüssen von Geschlecht und Alter sind bei fast allen KFU Unterschiede in der Inanspruchnahme nach sozioökonomischem Status sichtbar [27]. Frauen aus höheren sozialen Statusgruppen nehmen, mit Ausnahme der Mammographie, KFU häufiger in Anspruch als Frauen mit niedrigem Sozialstatus. Bei Männern sind diese Statusunterschiede auch sichtbar, allerdings nicht so deutlich ausgeprägt. In der Studie Gesundheit in Deutschland aktuell 2010 (GEDA 2010) wurden Gründe für eine Nichtteilnahme an der Hautkrebsfrüherkennung und der Früherkennungs-Koloskopie erfragt. Im Ergebnis konnte ein Bedarf an verbesserten Informationen für die Anspruchsberechtigten festgestellt werden [30].
Die Weiterentwicklung der Untersuchungen zur Früherkennung von Krebserkrankungen hat gesundheitspolitisch einen hohen Stellenwert. Am 9. April 2013 trat das Gesetz zur Weiterentwicklung der Krebsfrüherkennung und zur Qualitätssicherung durch klinische Krebsregister (Krebsfrüherkennungs- und -registergesetz (KFRG)) in Kraft. Ausgangspunkt für die Gesetzesinitiative war der Nationale Krebsplan, den das Bundesministerium für Gesundheit im Jahr 2008 gemeinsam mit der Deutschen Krebsgesellschaft, der Deutschen Krebshilfe und der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren initiiert hat [31].
Im Gesetz ist festgelegt, dass die Untersuchungen zur Früherkennung von Krebserkrankungen gemäß SGB V, für die Europäische Leitlinien zur Qualitätssicherung von Krebsfrüherkennungsprogrammen vorliegen, als organisierte Krebsfrüherkennungsprogramme angeboten werden sollen. In Deutschland wird bereits das organisierte Mammographie-Screening zur Früherkennung von Brustkrebs angeboten. Mit dem KFRG wurde der G-BA nun verpflichtet, die bestehende Früherkennung für Gebärmutterhalskrebs sowie für Darmkrebs bis Ende April 2016 in organisierte Screening-Programme mit einem Einladungs- und Informationswesen sowie Qualitätssicherung und Erfolgskontrolle zu überführen. Der G-BA hat auch die Möglichkeit einer befristeten Erprobung von Elementen eines organisierten Programms. Die dreijährige Umsetzungsfrist kann sich in diesem Fall längstens um fünf Jahre verlängern. Derzeit berät der G-BA intensiv die fachliche und konzeptionelle Ausgestaltung der beiden künftigen Screening-Programme für Darmkrebs und Gebärmutterhalskrebs.
Literatur
15 | AQUA-Institut für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH (2014) Bundesauswertung zum Erfassungsjahr 2013. 16/1 Geburtshilfe - Basisauswertung. AQUA-Institut GmbH, Göttingen |
16 | Simoes E, Kunz S, Bosing-Schwenkglenks M et al. (2003) Inanspruchnahme der Schwangerenvorsorge - Ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen und Aspekte der effizienz: Untersuchung auf der Basis der Perinatalerhebung Baden-Württemberg 1998 bis 2001. Geburtshilfe und Frauenheilkunde 63(6):538 bis 545 |
17 | Simoes E, Kunz SK, Schmahl FW (2009) Inanspruchnahmegradienten in der Schwangerenvorsorge fordern zur Weiterentwicklung des Präventionskonzepts auf. Gesundheitswesen 71(7):385 bis 390 |
18 |
Gemeinsamer Bundesausschuss (2015) Gesundheitsuntersuchungs-Richtlinien. www.g-ba.de/informationen/richtlinien/10/ (Stand: 15.04.2015) |
19 |
Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (2015)
Teilnahme am gesetzlichen Gesundheits-Check-up. www.gbe-bund.de (Stand: 18.08.2015) |
20 | Hoebel J, Richter M, Lampert T (2013) Sozialer Status und Teilnahme am Gesundheits-Check-up von Männern und Frauen in Deutschland. Ergebnisse der GEDA-Studie 2009 und 2010. Dtsch Arztebl Int 110(41):679 bis 685 |
21 | Hoebel J, Starker A, Jordan S et al. (2014) Determinants of health check attendance in adults: findings from the cross-sectional German Health Update (GEDA) study. BMC Public Health 14:913 |
22 |
Gemeinsamer Bundesausschuss (2015) Krebsfrüherkennungs-Richtlinie. www.g-ba.de/informationen/richtlinien/17/ (Stand: 15.04.2015) |
23 |
Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik
Deutschland (2015) Teilnahme an gesetzlichen Krebsfrüherkennungsuntersuchungen. www.gbe-bund.de (Stand: 16.06.2015) |
24 |
Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (2015)
Teilnahme an gesetzlichen Früherkennungsuntersuchungen (fäkaler okkulter Bluttest (FOBT),
Koloskopie) und an Beratungen zur Prävention von Darmkrebs. www.gbe-bund.de (Stand: 16.06.2015) |
25 |
Riens B, Schäfer M, Altenhofen L (2011) Teilnahmeraten zur Beratung über Darmkrebs und zur Früherkennung im regionalen
Vergleich. Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutschland. www.versorgungsatlas.de/fileadmin/ziva_docs/ID11bis13_Dok1_Bericht.pdf (Stand: 15.04.2015) |
26 | Rattay P, Butschalowsky H, Rommel A et al. (2013) Inanspruchnahme der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Deutschland. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 56(5/6):832 bis 844 |
27 | Starker A, Sass AC (2013) Inanspruchnahme von Krebsfrüherkennungsuntersuchungen. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsbl - Gesundheitsforsch - Gesundheitsschutz 56(5/6):858 bis 867 |
28 | Kooperationsgemeinschaft Mammographie (2014) Evaluationsbericht 2011. Zusammenfassung der Ergebnisse des Mammographie-Screening-Programms in Deutschland. Kooperationsgemeinschaft Mammographie, Berlin |
29 | Koch K, Scheibler F (2007) Einstellungen und Informationsstand zur Früherkennung. Informiert und doch getäuscht? In: Böcken J, Braun B, Amhof R (Hrsg) Gesundheitsmonitor 2007 - Gesundheitsversorgung und Gestaltungsoptionen aus der Perspektive von Bevölkerung und Ärzten. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh, S. 178 bis 200 |
30 | Starker A, Bertz J, Sass AC (2012) Inanspruchnahme von Krebsfrühereknnungsuntersuchungen. In: Robert Koch-Institut (Hrsg) Daten und Fakten: Ergebnisse der Studie »Gesundheit in Deutschland aktuell 2010« - Beiträge zur Gesundheitsbreichterstattung des Bundes. RKI, Berlin, S. 27 bis 38 |
31 | Bundesministerium für Gesundheit (2012) Nationaler Krebsplan. Handlungsfelder, Ziele und Umsetzungsempfehlungen. BMG, Berlin |
32 | Präventionsgesetz - PrävG (2015) Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention. Bundesgesetzblatt Jahrgang 2015 Teil I Nr. 31 vom 24.07.2015. Bundesanzeiger Verlag, Köln, S. 1.368 bis 1.379 |
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