Chronische Niereninsuffizienz, Kapitel 5.23 [Gesundheitsbericht für Deutschland, 1998]
[Chronische Leberkrankheit und -zirrhose, Kapitel 5.22] [Allergien, Kapitel 5.24] [Abstrakt] [Inhaltsverzeichnis] [Literaturverzeichnis]
5.23 Chronische Niereninsuffizienz
Chronische Niereninsuffizienz (Nierenversagen) ist meist das Endstadium eines langen Leidens, das
bald durch den Tod beendet würde, wenn es nicht lebensverlängernde Behandlungsmethoden wie die Dialyse und
die Nierentransplantation gäbe.
Die Behandlung ist aufwendig und kostenintensiv. Die Betroffenen können erhebliche
Einbußen an Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit erleiden. Im Vergleich zu der Lebenserwartung Gesunder
ist die Lebenserwartung dieser Patienten auch mit der besten Behandlungsform meist verringert.
Die Zahl der Patienten, die eine solche Nierenersatztherapie benötigen, nimmt laufend zu. Dabei
sind die unterschiedlichen Grundkrankheiten, die schließlich zu chronischer Niereninsuffizienz führen,
teilweise vermeidbar. Zumindest ließe sich der Zeitpunkt, zu dem eine Dialyse oder ein Organersatz erforderlich
wird, durch frühere und konsequentere Therapie präventiv hinausschieben.
Ein großes Problem stellt der Mangel an Spendernieren dar. Hier setzen Betroffene und
Mediziner auf das Transplantationsgesetz und die Aufklärung der Öffentlichkeit.
Krankheitsbild und Behandlung
Krankheitsformen
Chronische Niereninsuffizienz bezeichnet die
unzureichende Fähigkeit beider Nieren, die harnpflichtigen Stoffwechselprodukte (z.B. Harnstoff, Kreatinin,
Harnsäure) aus dem Körper auszuscheiden. Die Folge ist eine Zunahme dieser teilweise giftigen Substanzen im
Organismus.
Bei der
kompensierten
chronischen Niereninsuffizienz ist der Allgemeinzustand der Betroffenen
noch relativ gut. Da die Nieren die Stoffwechselprodukte jedoch nicht mehr ausreichend konzentrieren können,
scheidet der Körper kompensatorisch verdünnten Urin in großen Mengen aus.
Bei der
dekompensierten
Niereninsuffizienz nimmt der Rückstau von Stoffwechselprodukten
und Wasser zu und es kommt zur Ödem-Bildung; die Urinmenge nimmt ab und der Allgemeinzustand verschlechtert sich.
Meist liegen gleichzeitig ein schwer zu behandelnder Bluthochdruck und eine Blutarmut vor. Im weiteren Verlauf kommt es
allmählich zur
terminalen Niereninsuffizienz
, einer tödlichen Harnvergiftung (Urämie), wenn diese
nicht durch Dialyse (Blutwäsche) bzw. Nierentransplantation abgewendet wird.
Grundkrankheiten
Eine chronische Niereninsuffizienz kann sehr
verschiedene Ursachen haben: Bei jeweils etwa einem Drittel der Fälle sind Diabetes mellitus (siehe auch Kapitel
5.20
Diabetes mellitus
) bzw. Nierenentzündungen die Ursache. Bluthochdruck und Arteriosklerose sind es bei
etwa 10% der Fälle, Zystennieren sowie ein Mißbrauch von Schmerzmitteln sind bei jeweils etwas weniger als
10% der Fälle die Ursache eines chronischen Nierenversagens. Harnstauungsnieren, bösartige Nierentumoren und
seltene Nierenerkrankungen bilden den Rest der Ursachen. Dabei ist zu beachten, daß es im Einzelfall schwierig
sein kann, die zugrundeliegende Erkrankung eindeutig zu identifizieren.
Bei der Therapie wird angestrebt, das Fortschreiten der chronischen Niereninsuffizienz zu verhindern
oder zu verlangsamen. Das zu erreichen wird im wesentlichen über eine optimale Behandlung der Grundkrankheit und
eine Blutdrucksenkung versucht. Außerdem werden moderne Medikamente eingesetzt, die die Abnahme der
Nierenfunktion verzögern sollen.
Dialyseverfahren
Für die Dialysebehandlung der chronisch
niereninsuffizienten Patienten gibt es unterschiedliche Verfahren: Die Hämodialyse (Blutreinigung mit
künstlichen Nieren/Dialysegeräten) und die Peritonealdialyse (Bauchfelldialyse).
Die
Hämodialyse
wird i.d.R. dreimal wöchentlich durchgeführt. Über ein
Schlauchsystem wird das Blut des Patienten an einer Membran vorbeigeführt, die giftige Stoffwechselprodukte aus
dem Blut ausfiltert.
Bei der
Peritonealdialyse
dient das Bauchfell des Patienten als Membran. Über einen
Katheter wird eine Dialyselösung in den Bauchraum eingebracht. Diese Flüssigkeit umspült das Bauchfell,
durch das die schädlichen Stoffwechselprodukte durch Osmose den Blutkreislauf verlassen. Die "kontinuierliche
ambulante Peritonealdialyse" führt der Patient mehrmals täglich zumeist selbst zu Hause durch. Sie erfordert
eine Trainingsphase. Daneben existiert die meistens nachts zu Hause durchgeführte "zyklische kontinuierliche
Peritonealdialyse". Die "intermittierende Peritonealdialyse" erfolgt stationär im Krankenhaus und wird seltener
angewandt.
Die Auswahl des Dialyseverfahrens für die Patienten wird von verschiedenen Faktoren
beeinflußt. Nicht alle Verfahren eignen sich gleich gut für alle Patienten, die Verfahren sind
unterschiedlich teuer, und die örtliche Angebotsstruktur kann die Auswahl einschränken.
Ende 1996 verteilten sich die verschiedenen Dialyseverfahren in Deutschland folgendermaßen auf
die Patienten:
- Hämodialyse in ambulanten Zentren oder Krankenhäusern: 91,2%,
- Hämodialyse zuhause: 1,5%,
- kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse: 4,7%,
- zyklische kontinuierliche Peritonealdialyse: 1,6%, und
- intermittierende Peritonealdialyse: 1,0%.
Eine Nierentransplantation kommt für einen Teil der Dialysepatienten in Frage, für die meisten bleibt es jedoch bei der Dialysebehandlung.
Verbreitung
Derzeit beginnen in Deutschland jährlich etwa 12.600 chronisch niereninsuffiziente Patienten eine Dialysebehandlung. Sie sind im Durchschnitt 60 Jahre alt (siehe Abb. 5.23.1), viele von ihnen leiden unter Mehrfacherkrankungen. Die Zahl der chronischen Dialysepatienten lag Ende 1996 bei rund 42.950, das entspricht 52 Patienten je 100.000 Einwohner. Der Wert beträgt im Westen (einschl. Berlin-Ost) 54 Patienten je 100.000 Einwohner, im Osten (ohne Berlin) 46.
Abb. 5.23.1: Altersstruktur der Patienten mit Nierenersatztherapie 1996 | ||
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Quelle: KfH; DSO, Altersverteilung der
Nierentransplantierten. Die Altersverteilung der Patienten mit Nierentransplantation bezieht sich auf die in 1996 durchgeführten Transplantationen. |
Die hier genannten Zahlen zur Dialysebehandlung basieren auf den Daten des Deutschen Registers
für Dialyse und Nierentransplantation und schließen die Angaben von rund 95% der Dialysezentren ein. Die
tatsächliche Zahl behandelter Patienten ist daher entsprechend höher.
1996 erhielten 2.016 Patienten eine Spenderniere, das sind rund 5% der Dialysepatienten. Im Mittel
waren die Transplantatempfänger 44 Jahre alt (siehe Abb. 5.23.1) und damit durchschnittlich rund 16 Jahre
jünger als die Dialysepatienten. 1996 lebten in Deutschland etwa 14.850 Patienten mit funktionierenden
Nierentransplantaten; das entspricht rund 18 Patienten je 100.000 Einwohner. Etwa 860 Patienten kehrten 1996 in die
Dialysebehandlung zurück, weil das Transplantat versagt hatte.
Folgen
Gesundheitliche Folgen
Die Lebensqualität von Patienten mit
chronischer Niereninsuffizienz ist durch Behinderungen unterschiedlichen Ausmaßes eingeschränkt. Der
Bluthochdruck, den die meisten Patienten auch während der Dialysebehandlung behalten, sowie die
Fettstoffwechselstörungen können zu einer ausgeprägten Arteriosklerose mit ihren typischen
Folgekrankheiten (Herzinfarkt, Schlaganfall, Durchblutungsstörungen der Beine) führen, häufig auch zu
Herzmuskelschwäche. Eine Blutarmut trägt zur reduzierten Leistungsfähigkeit der Patienten erheblich
bei.
Patienten mit Nierentransplantaten leiden meist unter einer kompensierten Niereninsuffizienz, haben
oft einen schwer einzustellenden Bluthochdruck, Übergewicht, Fettstoffwechselstörungen und Arteriosklerose
sowie eine geschwächte Infektionsabwehr. Letztere wird durch die Medikamente herabgesetzt, die das Abstoßen
des Transplantats hemmen sollen. Nierentransplantation ist deshalb auch nur eine Nierenersatztherapie auf Zeit.
Patienten mit Diabetes mellitus vor oder in der Dialyse- und Transplantationsbehandlung weisen oft
die typischen Komplikationen des diabetischen Spätsyndroms auf (vergl. Kapitel 5.20): Sehstörungen bis zur
Erblindung, Herzinfarkt und schwere Durchblutungsstörungen der Beine mit häufigen Amputationen. Ihre
Lebensqualität ist deutlich geringer als die von Patienten in der Nierenersatztherapie ohne Diabetes.
Lebenserwartung, Sterberate, Todesursachen
Die Lebenserwartung von Patienten mit chronischer
Niereninsuffizienz ist deutlich verkürzt, besonders wenn sie unter Diabetes mellitus leiden. Bereits im Stadium
der kompensierten Niereninsuffizienz können die Patienten versterben, vor allem an Herzinfarkt und Schlaganfall.
Zuverlässige Angaben zur Sterberate von Patienten mit kompensierter Niereninsuffizienz liegen nicht vor. Von den
1996 durch das Modellprojekt "Qualitätssicherung in der Nierenersatztherapie (QuaSi-Niere)" erfaßten 42.950
chronischen Dialysepatienten verstarben 1996 etwa 7.120, d.h. rund 17%. Bei den Nierentransplantierten lag die
Sterberate in Europa bei Patienten mit einem Ersttransplantat nach einem Jahr bei 6%, nach fünf Jahren bei 15%.
Diese Daten dürften aber wegen lückenhafter Meldungen zu positiv sein. In den USA sterben binnen zwei Jahren
nach einer Nierentransplantation etwa 13% der Patienten.
Sterblichkeitsvergleiche zwischen Transplantierten und Dialysepatienten müssen auch
berücksichtigen, daß Patienten mit Transplantaten bei Behandlungsbeginn im Durchschnitt um 16 Jahre
jünger sind und primär weniger Zweitkrankheiten aufweisen.
Bei 51% der 1990 in Europa verstorbenen Dialysepatienten führten Erkrankungen des Herz- und
Gefäßsystems zum Tode, allein 14% waren auf Herzinfarkte und 11% auf Schlaganfälle
zurückzuführen. In 11% der Sterbefälle waren schwere Infektionen die Ursache. Bei Nierentransplantierten
sind wegen der herabgesetzten Immunabwehr Infektionen als Todesursache (22%) und auch bösartige Tumore
überdurchschnittlich häufig.
Arbeitsunfähigkeit, Berentung, Rehabilitation
Rund 43% der Patienten, die eine Dialysetherapie
beginnen, sind zwischen 20 und 59 Jahre alt, weitere 28% zwischen 60 und 69 Jahren. Von den Patienten mit einer
Nierentransplantation gehören rund 80% zur ersten und 12% zur zweiten Altersgruppe. Um den jüngeren Patienten
die Teilnahme am Arbeitsleben möglichst lange zu erhalten oder einen Wiedereinstieg zu ermöglichen,
wären Umschulungen und Teilzeitbeschäftigung wichtig. Tatsächlich kommt es jedoch i.d.R. zur
Frühberentung. Ende 1996 waren rund 61% der 14.500 Dialysepatienten im Bereich des Kuratoriums für Dialyse
und Nierentransplantation Rentner.
Bei chronischer Niereninsuffizienz kommt es vor allem wegen Mehrfacherkrankungen und Komplikationen
häufig zu Arbeitsunfähigkeit und Krankenhausbehandlungen. Die Leistungsstatistiken bilden dies jedoch
diagnosebezogen bei weitem nicht vollständig ab.
In Deutschland gibt es Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen für Innere Medizin mit dem
Schwerpunkt Nephrologie, die auch über Dialysemöglichkeiten verfügen. Die Abhandlung "Arbeitshilfe bei
Rehabilitation von chronisch Nierenkranken, Dialysepflichtigen und Nierentransplantierten" der BAR [1993] stellt
für diesen Bereich erstmals einen Standard dar.
Behandlungseinrichtungen und Leistungen
Kompensierte Niereninsuffizienz
Die ambulante Behandlung von Patienten mit kompensierter Niereninsuffizienz erfolgt durch Internisten, Allgemeinmedizinern und Urologen. Im günstigsten Fall ist ein niedergelassener Nephrologe (internistischer Nierenspezialist) oder eine Fachambulanz in einem nephrologischen Zentrum einer überregionalen Klinik in die Behandlung einbezogen. Nephrologische Abteilungen an großen Krankenhäusern übernehmen die spezialisierte stationäre Diagnostik und Therapie.
Dialysebehandlung
Ein schon vom Nephrologen betreuter
niereninsuffizienter Patient wird ambulant rechtzeitig auf die Dialyse vorbereitet, z.B. durch die Herstellung von
Blutgefäßzugängen. Ist er für eine Nierentransplantation geeignet, so erfolgt auch die
Vorbereitung der Transplantation und die notwendige Dialysebehandlung ambulant. In komplizierten Fällen muß
die Dialyse im Krankenhaus begonnen werden.
In Deutschland gab es Ende 1996 rund 14.270 Hämodialyseplätze in rund 860 Dialysezentren.
Sie werden von Krankenhäusern, Dialysepraxen und Dialysezentren gemeinnütziger Dialyseorganisationen
getragen. Die Anteile der einzelnen Träger unterliegen deutlichen regionalen Unterschieden.
Nierentransplantationsbehandlung
1996 wurden in Deutschland in 42 Nierentransplantationszentren 2.016 Nieren übertragen. Dabei handelte es sich in rund 94% um Nieren Verstorbener, in rund 6% um die Verpflanzung von Nieren blutsverwandter Lebendnierenspender. Die Stagnation nach 1990 ist auf ein begrenztes Angebot an Spenderorganen zurückzuführen.
Abb. 5.23.2: Nierentransplantationen | ||
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Quelle: DSO, Nierentransplantationen in Deutschland. |
Weitere Informationen zum Thema Nierentransplantationen
Bei Ersttransplantation von Nieren Verstorbener sind nach fünf Jahren rund 60% und nach zehn
Jahren 40% der Transplantate noch funktionstüchtig.
Ende 1996 gab es in Deutschland etwa 57.800 Patienten mit chronischer Nierenersatztherapie; das sind
rund 70 je 100.000 Einwohner. Davon waren 42.950 Patienten, d.h. 74% in Dialysebehandlung, 14.850 Patienten, d.h. 26%
lebten mit funktionierenden Nierentransplantaten. 1989 wurden im Osten je 100.000 Einwohner noch 56% weniger Patienten
mit einer Nierenersatztherapie behandelt als im Westen. Dieses Defizit wurde seit der Wiedervereinigung in
erstaunlichem Tempo verringert
.
Ende 1996 standen in Deutschland 9.940 Patienten auf Wartelisten für eine
Nierentransplantation, das sind etwa 23% aller Dialysepatienten. Bleibt die Zahl von Nierentransplantationen
unverändert, so beträgt die durchschnittliche Wartezeit rund fünf Jahre, im Einzelfall liegt sie jedoch
deutlich darüber. Gäbe es mehr Spendernieren verstorbener Patienten, so könnte die Zahl der
Nierentransplantationen deutlich erhöht und die Wartezeit damit verkürzt werden.
1996 gab es in Deutschland 1.040 Organspenden Verstorbener; das sind 1,3 Spenden je 100.000
Einwohner. In Österreich waren es im gleichen Zeitraum 2,3 Spenden je 100.000 Einwohner. Bisher besitzen nur 2%
der deutschen Erwachsenen einen Organspendeausweis. Rund zwei Drittel der Angehörigen hirntoter Patienten stimmten
1996 der Bitte um Organspende zu.
Unbekannt ist, in wie vielen Fällen die behandelnden Ärzte trotz
Hirntodes keine Organspende in Betracht gezogen haben.
Die obigen Angaben zu Nierentransplantation und Nierenspende stammen von der Deutschen Stiftung
Organtransplantation (DSO), Daten zu Patienten mit funktionierenden Transplantaten und zu Rückkehrern in die
Dialyse vom Modellprojekt QuaSi-Niere.
Organisationen
Das Kuratorium für Dialyse und
Nierentransplantation (KfH) und die Patienten-Heimversorgung sind die größten gemeinnützigen
Leistungserbringer. Neben ihnen gibt es noch eine Reihe kleinerer Anbieter. Die Leistungserbringer betreuen
Heimdialysepatienten und betreiben Dialysezentren. Das KfH befaßt sich daneben noch mit der Förderung und
Organisation der Nierentransplantation und unterstützt zusammen mit der Deutschen Stiftung Organtransplantation
die deutschen Transplantationszentren. Der vom KfH gegründete Arbeitskreis "Organspende" kümmert sich um die
Öffentlichkeitsarbeit.
Die niedergelassenen Dialyseärzte sind zumeist in der Deutschen Dialysegesellschaft
niedergelassener Ärzte organisiert, für die betroffenen Patienten ist der Bundesverband der Dialysepatienten
Deutschlands tätig.
Deutschland, Österreich und die Benelux-Staaten sind in der Organisation "Eurotransplant"
zusammengeschlossen, die alle potentiellen Organempfänger aus diesen Ländern zentral in Leiden (Niederlande)
erfaßt. Eurotransplant bemüht sich darum, entnommene Spendernieren entsprechend ihrem Gewebetyp unter
Berücksichtigung der jeweiligen Wartezeit den geeigneten Organempfängern optimal zuzuordnen.
Eine Projektgeschäftsstelle des Modellprojektes QuaSi-Niere an der Ärztekammer Berlin
führt in enger Kooperation mit einer Expertengruppe Querschnittsuntersuchungen in Dialysezentren und
Transplantationsambulanzen in Deutschland durch. Ein Ziel ist der Aufbau eines nationalen Registers mit Untersuchungen
zum Verlauf der Behandlung und zur Entwicklung der Erkrankung bei den einzelnen Patienten. Hieraus sollen Erkenntnisse
für zukünftige Behandlungsstrategien gewonnen werden.
Ausgaben
Die Nierenersatztherapie, insbesondere die Dialysebehandlung, verursacht beträchtliche Kosten. Ihre Höhe hängt im wesentlichen von der jeweiligen Behandlungs- bzw. Dialyseform ab. Tab. 5.23.1 zeigt Schätzungen für Durchschnittswerte. Die o.g. Dialysekosten enthalten die Fahrtkosten und berücksichtigen die stationären Dialysen anteilig. Die Ausgaben für die übrige medizinische Betreuung und Pflege sind bei den Kosten der Nierenersatztherapie nicht enthalten. Im Einzelfall können die Kosten die o.g. Angaben erheblich übersteigen.
Tab. 5.23.1: Ausgaben für verschiedene Nierenersatztherapien | |||
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Maßnahme | Je Patient und Jahr in DM | ||
kontinuierliche ambulante Peritonealdialyse |
66.000
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kontinuierliche zyklische Peritonealdialyse |
81.500
|
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intermittierende Peritonealdialyse in der Klinik |
120.000
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Hämodialyse im Dialysezentrum |
83.500
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Hämodialyse zu Hause |
51.000
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Hämodialyse teilstationär im Krankenhaus |
109.000
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Nachsorge für einen Nierentransplantierten |
20.000
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Quelle: Nebel, Klinikum Köln-Mehrheim [1996]. Die verschiedenen Verfahren sind im Abschnitt "Dialyseverfahren" beschrieben. Die Ausgabenwerte beruhen auf Schätzungen. Bei einer Nierentransplantation entstehen zusätzlich einmalige Operationskosten von 50.000 DM. |
Hochgerechnet kostet die chronische Dialysebehandlung in Deutschland derzeit jährlich etwa 3,5 Mrd. DM. Für die Nierentransplantationen werden im Jahr über 200 Mio. DM aufgewendet, für die Nachsorge bei den Nierentransplantierten rund 250 Mio. DM. Mit zusammen knapp 4 Mrd. DM machen diese Ausgaben rund 1,5% der Gesundheitsausgaben in Deutschland aus. Eine Schätzung der krankheitsbezogenen direkten Kosten stützt diese Angaben. Sie nennt allein für die ICD 9-Nr. 585 "chronisches Nierenversagen" im Jahr 1994 eine Summe von 3 Mrd. DM (siehe Kapitel 8.6 Kosten nach Leistungsarten ).
Prognose
Trotz aller präventiven Bemühungen und
trotz der Behandlungserfolge bei Nierenerkrankungen, Bluthochdruck und Diabetes mellitus wird die Zahl von Patienten in
einer Nierenersatztherapie weiter zunehmen.
Für Deutschland gibt es keine zuverlässigen Angaben über den jährlichen Anstieg
der Zahl chronischer Dialysepatienten, in Österreich und den Niederlanden beträgt dieser Wert etwa 8%. Dieser
Patientenzuwachs ist darauf zurückzuführen, daß vermehrt alte, mehrfachkranke, insbesondere unter
Diabetes leidende Patienten in die Nierenersatztherapie einbezogen werden, und daß die Überlebenszeiten
steigen.
Die Fortschritte in der Nierenersatztherapie sind sehr eindrucksvoll und werden sich beschleunigt
fortsetzen. Um die Verfügbarkeit von Spenderorganen zu erhöhen, müßte die Bereitschaft der
Bevölkerung zur Spende von Nieren im Todesfall wachsen. Auch bei einem Teil der Ärzteschaft wäre eine
Bewußtseinsänderung wünschenswert.
Durch die Entwicklung besserer Medikamente kann dem Abstoßen des Transplantats wirksamer
begegnet werden; dadurch erhöht sich die Lebensdauer des Transplantats und die Lebenserwartung des Patienten.
Für einen wachsenden Teil der niereninsuffizienten Diabetiker wird die Perspektive in der kombinierten
Transplantation von Niere und Bauchspeicheldrüse liegen.
Demgegenüber dürfte die Verwendung von Nieren tierischer Herkunft für die
Transplantation trotz engagierter Forschungsarbeit in absehbarer Zukunft noch nicht möglich sein.
Vertiefende Literatur
Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (Hrsg.) [1993]: Arbeitshilfe für die Rehabilitation von chronisch Nierenkranken, Dialysepflichtigen und Nierentransplantierten . Frankfurt/Main.
Modellprojekt Qualitätssicherung in der Nierenersatztherapie [1997]: Nierenersatztherapie in Deutschland: Bericht über Dialysebehandlung und Nierentransplantation 1996 . Bonn: BMG.
Schönweiß, G. [1996]: Dialysefibel . Bad Kissingen: Abakiss.
Smit, H.; Schoeppe, W. [1997]: Organspende und Transplantation in Deutschland 1996 . Neu-Isenburg: DSO.
Wüthrich, R.P. [1994]: Nierentransplantation: Grundlagen, Vor- und Nachsorge, Langzeitüberwachung . Berlin: Springer.
Kapitel 5.23 Chronische Niereninsuffizienz [Gesundheitsbericht für Deutschland 1998]
[Chronische Leberkrankheit und -zirrhose, Kapitel 5.22] [Allergien, Kapitel 5.24] [Abstrakt] [Inhaltsverzeichnis] [Literaturverzeichnis]
Gesundheitsberichterstattung des Bundes 07.03.2021