Methodische Erläuterungen zur Erfassung und Bewertung von Indikatoren zur Arbeitsunfähigkeit [Gesundheitsberichterstattung - Zusatzinformationen, 2009]
Methodische Erläuterungen zur Erfassung und Bewertung von Indikatoren zur Arbeitsunfähigkeit
Als Arbeitsunfähigkeit (AU) bezeichnet man die auf Krankheit beruhende Unfähigkeit der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers, seine Arbeitsleistung zu verrichten. Arbeitsunfähigkeit ist die Voraussetzung für den Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz und für den Anspruch auf Krankengeld aus der Krankenversicherung (vgl. auch: "Richtlinien über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung" Gemeinsamer Bundesausschuss).
Bei der Gegenüberstellung von Indikatoren zur Darstellung des Arbeitsunfähigkeitsgeschehens aus unterschiedlichen Datenquellen ist zu beachten, dass die erfassten Arbeitsunfähigkeitszeiten, der Personenkreis sowie die Berechnungen der oftmals gleichlautenden Indikatoren nicht identisch sind.
Berechnet werden Indikatoren zu Arbeitsunfähigkeit in
- Statistiken des Bundesministeriums für Gesundheit
- Statistiken der Gesetzlichen Krankenkassen
- Statistiken von Arbeitgebern
1. Statistiken des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG)
Zur Beschreibung des Arbeitsunfähigkeitsgeschehens werden die ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiten von
den Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) systematisch statistisch erfasst. Die GKVn ermitteln im Rahmen ihrer Mitgliederstatistik die ärztlich
bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiten oder auf anderem Wege bekannt gewordenen Arbeitsunfähigkeitsfälle der erwerbstätigen
Pflichtmitglieder sowie der erwerbstätigen freiwilligen Mitglieder mit einem Krankengeldanspruch (letztere werden ab 2007 berücksichtigt).
Unberücksichtigt bleiben Rentner, Studenten, Jugendliche, Behinderte, Wehr-, Zivil- und Ersatzdienstleistende, Dienstleistende bei der
Bundespolizei, landwirtschaftliche Unternehmen, ALG-II-Empfänger (seit 2005) und Vorruhestandsempfänger, da für diese in der Regel
keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt werden muss. Die Krankenkassen sind nach § 79 SGB IV angehalten, Übersichten über
ihre Rechnungs- und Geschäftsergebnisse zu erstellen und diese über ihre Spitzenverbände an das BMG zu liefern. Angaben von privaten
Krankenversicherungen sind nicht enthalten.
Gängige Indikatoren zur Darstellung des Arbeitsunfähigkeitsgeschehens in den Statistiken des BMG, die aus den übermittelten
Arbeitsunfähigkeitsdaten der GKV erstellt werden:
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Der Krankenstand ist eine Stichtagserhebung, die zu jedem Ersten eines Monats erfolgt.
Die Veröffentlichung des Krankenstandes
erfolgt monatlich im Rahmen der Mitgliederstatistik KM 1/13. Der Krankenstand errechnet sich aus der Anzahl der
ärztlich bescheinigten
Arbeitsunfähigkeitsfälle am Monatsersten geteilt durch die erwerbstätigen Mitglieder der GKV, multipliziert mit 100. Der Krankenstand
gibt damit an, wie viel Prozent der erwerbstätigen Mitglieder der GKV am Monatsersten sich auf Grund einer Arbeitsunfähigkeitsberscheinigung
arbeitsunfähig gemeldet haben. Aus den 12 Stichtagswerten eines Jahres wird als arithmetisches Mittel der jahresdurchschnittliche
Krankenstand ermittelt. In den Darstellungen der KM 1/13-Statistik wird u.a. zwischen verschiedenen Versichertengruppen, Regionen,
Geschlecht und Kassenarten unterschieden.
Validität: Es handelt sich um einen Jahresdurchschnittswert, der auf dem arithmetischen Mittel aus 12 Monatswerten eines Jahres basiert. Stichtag ist jeweils der erste Tag eines Monats. Da mindestens zwei Monatserste im Jahr auf einen Feiertag fallen (1. Januar, 1. Mai), an denen relativ wenige Arbeitnehmer/innen krankgeschrieben sind, kommt es hier eher zu einer Untererfassung. Da nur jeder dreißigste Kalendertag betrachtet wird, ist es möglich, dass beispielsweise eine Grippewelle nur deswegen nicht erfasst werden kann, weil sie zufällig in den Zeitraum zwischen zwei Stichtagen fällt. Auch die Vergleichbarkeit über die Jahre ist eingeschränkt, da die Zahl der Sonn- und Feiertage, die auf den ersten Tag eines Monats fallen, variieren. Arbeitsfreie Tage, in denen eine AU vorliegt, werden zumeist nicht bescheinigt. Kurzzeiterkrankungen von 1 bis 3 Tagen sind nur berücksichtigt soweit hierfür eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt. Da für Krankheitsfälle von bis zu drei Tagen von den Beschäftigten häufig keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt werden muss, sind Kurzzeiterkrankungen in den Daten nur unvollständig erfasst. Andererseits bescheinigt der Arzt nur die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit; tritt jedoch vorher wieder Arbeitsfähigkeit ein, erhält auch in diesen Fällen die Krankenkasse nur selten eine Meldung. Dennoch führt die Ermittlung des Krankenstandes in der KM 1/13 tendenziell zu einer Untererfassung der Krankenstandswerte.
Großer Vorteil des Indikators ist, dass er sehr hohe Aktualität besitzt und somit frühzeitig Hinweise auf die Entwicklung im Arbeitsunfähigkeitsgeschehen und eventuellen Handlungsbedarf gibt. Auch die klare methodische Festlegung und Handhabbarkeit dieses Indikators sind ein wesentlicher Vorteil.
Krankenstand, GKV Pflichtmitglieder KM 1/13 -
AlsTotalauszählung wird im Rahmen der KG 2-Statistik die
Zahl der Arbeitsunfähigkeitsfälle und -tage ermittelt. Diese Erhebung
erfolgt nach Abschluss des Geschäftsjahres und erfasst ebenfalls alle ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeitsfälle oder auf anderem
Wege bekannt gewordenen Arbeitsunfähigkeitsfälle mit ihren Tagen, die in dem Jahr abgerechnet oder abgeschlossen wurden. Die
Arbeitsunfähigkeitsfälle und -tage werden, um eine Vergleichbarkeit auch zwischen unterschiedlich großen Versicherungsträgern
herstellen zu können, als Fälle und Tage je 100 Mitglieder dargestellt. In den Darstellungen der KG 2-Statistik wird u.a. zwischen
verschiedenen Versichertengruppen, Region, Geschlecht und Kassenarten unterschieden.
Validität: Auch in der KG 2-Statistik sind Kurzzeiterkrankungen von 1 bis 3 Tagen nur berücksichtigt, soweit hierfür eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt. Kurzzeiterkrankungen von bis zu drei Tagen, für die die Beschäftigten häufig keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegen müssen, sind in den Daten nur unvollständig erfasst, wodurch sich auch hier eine tendenzielle Untererfassung ergibt. Andererseits bescheinigt der Arzt nur die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit, tritt jedoch vorher wieder eine Arbeitsfähigkeit ein, erhält auch in diesen Fällen die Krankenkasse nur selten eine Meldung darüber.
Die Mängel einer Stichtagserhebung werden hier ausgeschaltet. Allerdings werden die Ergebnisse der KG 2-Statistik erst im August des Folgejahres von den Krankenkassen beim BMG vorgelegt und die Ergebnisse der einzelnen Kassenarten müssen dann vom BMG zu einem Gesamtergebnis aller Gesetzlichen Krankenversicherungen zusammengefasst werden. Somit liegen die Daten der KG 2-Statistik erst mit einiger zeitlicher Verzögerung vor.
Arbeitsunfähigkeit, GKV-Mitglieder KG 2
2. Statistiken der Gesetzlichen Krankenversicherungen
Zur Beschreibung des Arbeitsunfähigkeitsgeschehens werden auch in den Statistiken der einzelnen Krankenkassen die ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiten systematisch statistisch erfasst. Die jeweilige Kasse ermittelt also im Rahmen ihrer Mitgliederstatistik die ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeiten oder auf anderem Wege bekannt gewordenen Arbeitsunfähigkeitsfälle der erwerbstätigen Pflichtmitglieder sowie der erwerbstätigen freiwilligen Mitglieder mit einem Krankengeldanspruch (letztere werden seit 2007 berücksichtigt).
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Die Erfassung des
Krankenstands bei den verschiedenen Kassenarten (AOK, BKK, DAK, BEK etc.) ist jeweils eine Totalerhebung.
Jeden Monat ermitteln die einzelnen Krankenkassen die Arbeitsunfähigkeitstage und setzen diese ins Verhältnis zu der Zahl der
Kalendertage des jeweiligen Monats (incl. Wochenenden und Feiertage). Der Krankenstand wird in Prozent angegeben.
Validität: Kurzzeiterkrankungen von 1 bis 3 Tagen können auch hier nur berücksichtigt werden, soweit eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt. Aufgrund unabgestimmter Standards für die Erfassung des Krankenstands zwischen den Kassenarten (lediglich auf der Ebene der Ersatzkassen hat man sich auf einheitliche Standards verständigt) und der unterschiedlichen Versichertenstrukturen (z.B. Status, Alter, Geschlecht) sind Vergleiche der Kassenarten untereinander nur sehr eingeschränkt möglich. Mindestvoraussetzung für Vergleiche zwischen mehreren Krankenkassenarten ist die Standardisierung des Krankenstandes nach Alter und Geschlecht, um die Daten so wenigstens von Effekten der Alters- und Geschlechterstruktur zu bereinigen. Vergleiche der Krankenstandberechnungen der Gesetzlichen Krankenkassen mit den Berechnungen des Krankenstandes der KM 1/13-Statistik des BMG führen aufgrund der unterschiedlichen Stichprobe (Stichtagserhebung versus Totalerhebung) regelmäßig zu niedrigeren Krankenstandsdaten in der KM 1/13-Statistik. -
Einzelne Krankenkassen (beispielsweise AOK, BKK, DAK) erstellen und veröffentlichen umfangreiche Analysen für das
Arbeitsunfähigkeitsgeschehen ihrer Versichertenpopulation. Das detaillierte Zahlenmaterial zu den Arbeitsunfähigkeiten weist
beispielsweise Arbeitsunfähigkeitsfälle und -tage, sowie Arbeitsunfähigkeitstage pro erwerbstätig Versichtetem aus und ist
nach Kurzzeiterkrankungen, Langzeiterkrankungen, Diagnosen, Regionen, Wirtschaftszweigen und Berufsgruppen gegliedert.
Arbeitsunfähigkeit, erwerbstätige AOK-Mitglieder ab 2008
Arbeitsunfähigkeit, erwerbstätige AOK-Mitglieder 2000 bis 2007
Arbeitsunfähigkeit, erwerbstätige AOK-Mitglieder 1994 bis 1999
Arbeitsunfähigkeitszeiten, 10/20/50 Erkrankungen
Arbeitsunfähigkeit, AOK-Pflichtmitglieder (Raten) ab 2000
Arbeitsunfähigkeit, AOK-Pflichtmitglieder (Raten) 1991 bis 1999
Arbeitsunfähigkeit, AOK-Pflichtmitglieder 1994 bis 1999
Arbeitsunfähigkeit, AOK-Pflichtmitglieder ab 2002
3. Statistiken von Arbeitgebern
Arbeitsunfähigkeitszeiten in Unternehmen werden intern primär aus dem Verhältnis der erkrankungsbedingten Fehlzeiten zur
Soll-Arbeitszeit ermittelt. Erkrankungszeiten außerhalb der Arbeitszeiten und an arbeitsfreien Wochenenden bleiben bei diesem
Vorgehen unberücksichtigt. Anders als bei den Arbeitsunfähigkeitsstatistiken des BMG und der GKV werden Kurzzeiterkrankungen
von 1 bis 3 Tagen in den Unternehmensstatistiken erfasst, da die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unabhängig von einer
ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine Meldung beim Arbeitgeber machen.
Statistiken zum Krankenstand einzelner Unternehmen sind in der Regel nicht öffentlich zugänglich.
Quellen:
- Busch, K (2009): Die Arbeitsunfähigkeit in der Statistik der GKV. In Fehlzeiten-Report 2008, Berlin, S. 437 bis 442
- DAK Gesundheitsreport 2009, S10, 109, 110
- Heyde, K.; Macco, K; Vetter, C.: Krankheitsbedingte Fehlzeiten in der deutschen Wirtschaft im Jahr 2007. In Fehlzeiten-Report 2008, Berlin, S. 205 bis 209
- Kuhn, J; Böhm, A. (2006): Der Krankenstand. In: Prakt.Arb.med. 2006; 5: S. 32 bis 35
- Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien) nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V in der Fassung vom 1. Dezember 2003 veröffentlicht im Bundesanzeiger 2004; Nr. 61: S. 6.501 zuletzt geändert am 19. September 2006 veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 241: S. 7.356 in Kraft getreten am 23. Dezember 2006. www.g-ba.de
- www.BMG.Bund.de, (Suchwort: Krankenstand)
- www.wikipedia.org/wiki/Krankenstand, 12.05.2009
Weiterführende Informationen:
Arbeitsunfähigkeit Kapitel 1.3.1 [Gesundheit in Deutschland, 2006][Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 2009]
Gesundheitsberichterstattung des Bundes 21.05.2022